EM 2013

Jan Kopecky: Der neue Europameister

Osteuropäische Fahrer, die es bis ganz nach oben geschafft haben, gibt es nur wenige. Doch ein Name, der immer wieder fällt, ist der von Jan Kopecky. Dabei kam der frisch gebackene Europameister eher zufällig zum Rallyesport. Ein Rückblick.

<strong>GESCHAFFT:</strong> Endlich kann Jan Kopecky einen wichtigen internationalen Titel einfahren

Rund zwei Autostunden von Prag entfernt liegt Kostelec. Bis nach Polen sind es nur noch 25 Kilometer und die Menschen lieben die Ruhe ihrer Umgebung. Durch seine malerische Lage ist die Kleinstadt im Tal der Wilden Adler ein beliebtes Erholungs- und Ausflugsziel. Kaum jemand würde hier Tschechiens derzeit erfolgreichsten Rallyefahrer vermuten. Doch Jan Kopecky ist nicht nur fest mit seiner Heimat verwurzelt, sondern liebt auch liebgewonnene Familien-Traditionen.

 

Eine davon heißt Motorsport, denn schon Großvater Josef startete mit Motorradrennen, baute Karts auf und tunte für seinen Sohn Zweitaktmotoren. Damit ging Josef Junior bei Kartrennen an den Start, wechselte dann aber zum Bergrennen. Zum Einsatz kam natürlich ein Skoda Favorit, den ihm sein alter Herr höchstpersönlich aufgebaut hatte. Kurze Zeit später wurde er Europameister. Es folgte der Umstieg auf die Rundstrecke und auch die eigene Tüftelarbeit half mit, dass Josef Jr. rasch bester Skoda-Pilot seines Landes wurde.

 

Für Enkel Jan begann die Motorsportkarriere im zarten Alter von 11 Jahren. Zunächst verdiente er sich seine Sporen im Kartsport und wechselte verbotenerweise bereits mit 15 in den Fiesta Cup. Der Schwindel mit dem Alter flog auf und die Veranstalter teilten dem jüngsten Kopecky-Spross höflich mit, dass er es bitte erst ein Jahr später versuchen sollte. Doch das Wissen der Kopeckys wurde bereits auf die nächste Generation transferiert. Vater Josef Jr. bestritt zu dieser Zeit den populären Octavia Cup und konnte seinem Sohn Jan bereits einige Tricks beibringen. Wen wundert es da, dass dieser in der Saison 2000 Zweiter hinter seinem Vater wurde. Ein Jahr später löste er seinen alten Herrn sogar als Champion ab.

 

Warum es ihn später in den Rallyesport zog, daran kann sich Jan Kopecky nicht mehr exakt erinnern. „Rallye war in meiner Region weniger populär, als im restlichen Land. Außerdem hatte ich ein Angebot in Deutschland im Porsche-Cup zu starten. Nach den ersten Testfahrten war das Team auch sehr an mir interessiert, aber ich hätte ein gewisses Budget mitbringen müssen. Das war für mich als jungen Fahrer nicht machbar. Also sagte ich mir, lasst uns etwas völlig anderes probieren, lasst uns Rallye fahren.“

 

Der Kopecky-Clan schnappte sich einen Rundstrecken-Octavia, reduzierte die Motorleistung, baute ein anderes Getriebe ein und passte die Federung an. 2001 wurde ein neues Kapitel in der Familienchronik aufgeschlagen werden. „Die Rallye Sumava war mein erster Einsatz. Nach ein paar Prüfungen lagen wir bei den Fronttrieblern in Führung, was mich tief beeindruckte”, erinnert sich Jan. „Auf der letzten Prüfung der ersten Etappe knallten wir jedoch gegen einen Baum und verloren um die acht Minuten. Aber wir waren wie kleine Jungs. Kurze Zeit später war dieser Rückschlag längst vergessen.“

 

Parallel zum Einstieg in den Rallyesport studierte Jan und baute gemeinsam mit seinem Vater den Familienbetrieb zu einer landesweit bekannten Motorsport-Schmiede aus. Ein wichtiger Partner in der Karriere von Jan war die Reifenfirma „Matador“. Auch hier war Vater Josef die Schlüsselfigur und half bei der Entwicklung der Rennreifen für den Skoda-Marken-Cup. Es zahlt sich eben aus, wenn man der schnellste Octavia-Fahrer des Landes ist. „Es war ihre Idee, dass ich mit einer Toyota Corolla WRC starten sollte. Wir wussten, dass es ein großer Schritt sein würde, aber auch eine tolle Chance. Wir bekamen richtig viel Geld von Matador, denn sie wollten an die Spitze und glaubten, dass man gemeinsam mit meinem Vater und unserem Team einige gute Ergebnisse im ersten WRC-Jahr einfahren konnte.“ Nebenbei arbeitete Kopecky noch mit einem Privatteam zusammen, die versuchten einen Skoda Fabia S1600 aufzubauen: „Allerdings wurde das Auto nur in Tschechien homologiert und wie ein Kitcar gebaut.“ Das Projekt verlief rasch im Sande.

 

Ein Jahr später kam Jan wieder durch die Vermittlung seines Vaters mit Skoda in Kontakt und wurde prompt Werksfahrer. Zuvor musste er sich jedoch erst gegen die anderen tschechischen Champions auf einer Autocross-Strecke durchsetzen. „Ich fuhr mit der Corolla und schlug alle Skoda-Werksfahrer. Da half mir.” Für weitere Schützenhilfe sorgte der Wechsel von Roman Kresta zu Bozian. „Er wollte Peugeot 206 WRC fahren und verließ deshalb Skoda. Das eröffnete mir die große Möglichkeit”, erinnert sich Kopecky. Der schwere Unfall kurze Zeit ist dagegen komplett aus seinem Gedächtnis gelöscht. “Ich weiß davon kaum etwas, denn ich lag für drei oder vier Stunden im Koma. Es passierte in der Slowakei, bei der von Matador gesponserten Tatry-Rally. Es ging heiß her, Vaclav Pech führte im Ford Focus. Auf der letzten Prüfung der ersten Etappe gab es eine ultraschnelle Passage mit einer sehr langen Linkskurve in der das Auto von der Straße abkam. Vielleicht lag es an einem schleichenden Plattfuß. Ich weiß nichts mehr, was vielleicht auch gut ist, denn der Unfall schockt mich auch nicht“, wirkt er bei der Analyse des heftigen Abflugs sichtlich gefasst.

 

Unabhängig von den großen Veränderungen in der Skoda-Motorsportabteilung bekam Jan Kopecky 2004 erneut die notwendige Unterstützung, um in der tschechischen Meisterschaft zu fahren, die er mit dem Octavia WRC gewann. „Aber ich wusste, dass ich ins Ausland muss, um mehr Erfahrung zu sammeln. Wir haben keine Schotterrallyes in Tschechien. Also mixten wir die tschechische Meisterschaft und einige Läufe im Ausland, wo wir mit einem Gruppe-N-Mitsubishi starteten.“ Die erste Erfahrung auf Schotter gab es ausgerechnet in Finnland, allerdings mit einem ernüchternden Ergebnis. Kopecky wurde Viertletzter und war am Boden zerstört. „Obwohl wir es tatsächlich bis ins Ziel schafften, hatten wir doch keine Ahnung, was wir dort eigentlich machten. Unser Mitsubishi hatte sogar noch das Asphaltfahrwerk drin und war nur mit weicheren Federn ausgerüstet. Nach der Rallye wollte ich alles hinschmeißen. Mein Selbstvertrauen war weg“, gibt der Tscheche zu.

 

Doch er berappelte sich und obwohl Skoda 2005 bereits mit dem Rückzug aus der Rallye-WM begonnen hatte, durfte Jan noch einmal in Deutschland, Korsika und Spanien mit dem Fabia WRC starten. In der folgenden Saison zog sich das Werk zurück, unterstütze aber Kopecky-Motorsport und das österreichische BRR-Team als Semi-Werksmannschaften. Zehn WM-Läufe standen auf dem Programm und Kopecky holte in Spanien mit Platz fünf sein bislang bestes Ergebnis. Auf Sardinien gelang ihm sogar die erste Bestzeit. „Danach hängte ich das Rallyeschild in meinem Fitnessstudio auf. So viele Bestzeiten wurden mit dem Fabia in der WM schließlich nicht gesetzt und diese war meine!“ Selbst in Finnland lief es besser, als er auf Rang acht sogar in den Punkten landete. Die Umstellung auf Schotter fiel ihm aber immer noch schwer. „Wenn man vom Asphalt kommt, dann ist Schotter etwas völlig anderes. Das Auto bewegt sich hin und her und man muss alles im Voraus machen. Ich habe mich anfangs gefürchtet, das Auto quer zu stellen und mich an das Limit zu tasten. Ich hatte immer Angst, dass mein Fahrzeug von der Strecke rutscht. Es war sehr schwierig für mich. Auch der Gedanke, Vollgas über die Steine und Löcher zu brettern. Aber diese Dinge muss man aus seinem Kopf streichen”, so Kopecky.

 

In der Saison 2007 konnten er erneut auf die Hilfe von Skoda setzen, musste aber reglementbedingt wieder mindestens zehn WM-Läufe bestreiten. Dennoch hieß es endgültig Abschied vom Fabia nehmen. „Ich war schon ein wenig traurig, als das Projekt beendet wurde”, erklärte Kopecky, der sich erneut umorientieren musste. „Es gab in Tschechien einige Gerüchte, dass Skoda einen Super2000 planen würde, aber wir hatten zum Saisonbeginn 2008 noch keinen Vertrag. Es gab die Möglichkeit zwei oder drei WM-Läufe zu fahren, aber das machte keinen Sinn. Die Situation in der Weltmeisterschaft begann schwierig zu werden, also fassten wir die IRC ins Auge.”

 

Der erste Einsatz 2008 war dennoch der WM-Lauf in Mexiko, als Jan mit einem Fiat Punto S2000 startete. „Viele Leute haben gedacht, dass dieser Einsatz von Skoda bezahlt wird, damit ich ihnen über das Auto berichten kann. Aber das ist Blödsinn. Wir dachten wenn Mexiko ein Jahr später IRC-Lauf wird, wären wir gut vorbereitet. Außerdem hatten wir ein gutes Angebot von einem tschechischen Team für den Einsatz des Autos bekommen, obwohl sich dieses kurze Zeit später als schlecht erwies. Der Fiat blieb nach acht Kilometern liegen. Anschließend kauften wir einen Peugeot 207 und planten vier Rallyes zu bestreiten.”

 

Dann kam plötzlich der Anruf aus Mlada Boleslav. Der neue Skoda-Sportchef Hrbanek wollte Kopecky in das Entwicklungsprogramm einbinden. Die Einsätze mit dem Peugeot wurden abgeblasen und Kopecky konzentrierte sich voll auf seine Rolle als Testfahrer. „Skoda ist meine Heimat und ich bin sehr stolz darauf, eine tschechische Firma zu repräsentieren”, übt sich Jan im Nationalstolz. „Leider konnten wir nicht bei der Barum-Rallye um den Sieg kämpfen, weil der Fabia noch nicht homologiert war.” Mit einem Prototypen startete Kopecky immerhin als Vorwagen. „Ich war der erste Fahrer, der den Leuten zeigen durfte wie schnell das neue Auto ist.“

 

Im Jahr 2009 war es dann endlich soweit. Skoda kehrte offiziell auf die Rallyebühne zurück und bildete mit Jan Kopecky und dem Finnen Juho Hänninen ein schlagkräftiges Team. Der Rest ist Geschichte.

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