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Das läuft in Estland besser als in Deutschland

Was machen die Esten anders als wir hier? Das fragt sich jeder Aktive und jeder Rallyefan mit Blick auf die Ungewissheit, wann wir in Deutschland endlich wieder ein Auto auf einer Wertungsprüfung erleben können. Drei Faktoren ermöglichen ein wahres Rallyeparadies, wo wir von hier aus nur noch staunen können.

Während hierzulande schon wieder die ersten Absagen von Rallyeveranstaltungen hereinflattern, ist die Meisterschaft in Estland mit der Otepää-Winterrallye am kommenden Wochenende startbereit. Dazu wird die Teilnehmerliste mit den zwei ambitionierten WM-Titelanwärtern Ott Tänak und Thierry Neuville noch als Sahnehäubchen verfeinert.

Sicher ist die Euphorie durch Estlands Nationalhelden Tänak und Co Martin Järveoja auf einem Siedepunkt. Das ist jedoch nur von uns aus der Ferne betrachtet eine oberflächliche Bewertung. Die Begeisterung für den Rallyesport hat dort eine lange Tradition, die schon bis weit in die 70er Jahre zurückreicht. Der Großteil der Rallyeveranstaltungen in der ehemaligen Sowjetunion fand in den Regionen der heutigen baltischen Staaten statt. Die Sportabteilungen des damaligen Lada Kombinates waren sowohl für den Rallye- als auch den Rundstreckensport ebenfalls im baltischen Gebiet angesiedelt.

Mit der politischen Veränderung 1992 waren erst nur spärliche Möglichkeiten aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen vorhanden. Ende der 90er Jahre wandelte sich das jedoch. Die ersten World Rally Cars, unterstützt von Großsponsoren aus der Rohstoff- und Energiewirtschaft waren in Estland im Kampf um die Meisterschaft unterwegs. Durch den Aufstieg von Markko Märtin in das Toyota Werksteam ab dem Jahr 1999 beflügelt durch Fernsehbilder in größerem Umfang erweckte dies bei den Esten ihre alte Rallye Leidenschaft wieder.

Märtin ebnet den Weg

Unbestritten war Märtin mit seinen Erfolgen als Fahrer als auch als Mentor und Manager estnischer Talente sowie Besitzer einer hochprofessionellen Rallyevermietung der Wegbereiter in den Rallyeboom in Estland. Die Weltmeister von 2019, Ott Tänak und Martin Järveoja katapultierten den Rallyesport endgültig zur beliebtesten Sportart der Nation. Nachdem Tänak 2018 Sportler des Jahres wurde, gab es im Jahr 2019 die Ehrung für die Mannschaft des Jahres für das Duo. Diese Popularität spiegelt sich darin wieder, dass auch ein Beifahrer in Estland auf Titelseiten erscheint und das nicht nur von Auto Magazinen.

Kein Politiker, der ab der Ära ‚Märtin‘ eine politische Karriere in höheren Ämtern erreichen wollte, kam seitdem um ein Bekenntnis für den Rallyesport herum. Als Märtin 2003 bei der Rallye Finnland auf dem Weg zu seinem bis dahin größten Einzeltriumpf war, machte sich der damalige Premierminister Juhan Parts auf den Weg nach Jyväskylä um ihm auf der Rampe als Erster zu gratulieren.

Unterstützung durch die Politik

Aktuell ist seit dem Rücktritt wegen einer Korruptionsaffäre der Zentrums Partei des Rallyebegeistern Juri Rattas die Lage zum Sport der Nation in den Hintergrund gerückt. Größere Veränderungen sind indes nicht zu erwarten, weil Rattas noch einen Tag vor seinem Rücktritt als Premierminister mit dem WRC-Promoter die Weichen für die Ausrichtung des WRC Events auf Jahre mit einer Zuzahlung von 2,5 Millionen Euro pro Veranstaltung mit seiner Unterschrift absicherte. 

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