„Es ist natürlich immer gut, an der Tabellenspitze zu stehen. Aber 17 Punkte Führung sind alles andere als beruhigend“, erklärte WM-Spitzenreiter Sebastien Ogier vor der Rallye Spanien. „Mein primäres Ziel für das kommende Wochenende ist es, diese Führung auszubauen. Unabhängig von meiner Platzierung, ich will vor Thierry und wenn’s geht auch vor Ott Tänak ins Ziel kommen. Zwar muss ich als Tabellenführer am Freitag auf den Schotter-Wertungsprüfungen als Erster starten und habe dadurch einen gewissen Nachteil. Aber das ist mir immer noch lieber, als nur Gesamtzweiter zu sein.“
Angesichts der bevorstehenden Rolle als Straßenfeger auf den Schotterstrecken macht sich Ogier keine allzu großen Sorgen. „Es wird für mich sicher nicht einfach. Aber Thierry startet direkt hinter mir, der Unterschied wird also nicht allzu groß sein. Größere Vorteile werden die haben, die weiter hinten starten. Aber die sind mir erst einmal egal. Mein Hauptaugenmerk liegt auf Thierry. Wir haben zum Glück nahezu identische Bedingungen.“
Ogier gegen Stallregie
Auch aufgrund ihrer Startposition zählen Ott Tänak, Ogiers Teamkollege bei M-Sport, sowie Hyundai-Neuzugang Andreas Mikkelsen und Lokalheld Dani Sordo, ebenfalls Hyundai, zu den Siegfavoriten. Daraus ergibt sich die theoretische Möglichkeit, dass die beiden Teams über Stallorder nachdenken könnten. Ein Gedanke, den Ogier ablehnt. „Ott hat zumindest noch eine theoretische Chance auf den Weltmeistertitel. Stallregie wäre ihm gegenüber also komplett unfair. Aber auch sonst lehne ich so eine Taktik grundsätzlich ab“, erklärt Ogier. „Ich möchte keinen Titel durch die Hilfe anderer gewinnen, das muss ich schon alleine schaffen.“
Wächst der Druck auf Ogier im Endspurt der Weltmeisterschaft? „Ich fühle keinen höheren Druck als in den Jahren zuvor“, verneint der viermalige Weltmeister. „Meine Verfolger sind zwar dichter dran als in der Vergangenheit. Aber ich bin bereits Weltmeister, dadurch kann ich die Sache deutlich entspannter angehen. Natürlich will ich unbedingt den fünften Titel. Druck ist also da. Aber dieser Druck spornt mich auch zusätzlich an. Ich bin höchstens ein wenig nervöser als früher.“
Neuville: "Jetzt wird gekontert!"
Und was sagt Konkurrent Thierry Neuville dazu? „Wenn ich Séb noch abfangen will, darf ich mir keine Ausfälle mehr leisten und muss außerdem bei jeder Rallye vor ihm ins Ziel kommen“, analysiert der Belgier. „Bei der letzten Rallye in Deutschland hatte ich Pech. Doch das liegt hinter mir. Jetzt wird gekontert.“
Bei der Rallye Spanien werden zwar genauso viele Punkte vergeben wie bei jedem anderen WM-Lauf. Dennoch greift Neuville angesichts der aktuellen Meisterschaftssituation zu einer anderen Taktik als sonst. „Jeder der zurückliegenden WM-Läufe war in gewisser Weise entscheidend. Aber jetzt geht’s um alles. Ich muss unbedingt mehr WM-Punkte holen als Séb. Sonst müsste ich bei den verbleibenden zwei Rallyes ohne Rücksicht auf Sieg fahren. Ich hoffe, meine Taktik geht auf, und ich kann den Rückstand zu Séb verringern.“
Wie hoch schätzt Neuville seine Titelchancen? „Die Motivation ist hoch. Es wird nicht einfach. Aber mein Auto ist auf Schotter und Asphalt gut, das hat die bisherige Saison gezeigt. Ich muss einen guten Rhythmus finden, schnell fahren, ohne über das Limit hinaus zu gehen. Nach der ersten Wertungsprüfung wissen wir mehr. Dann wird sich zeigen, ob mein Tempo passt, oder ob ich zulegen muss. Mein Auto fühlt sich gut an, auch wenn speziell auf Asphalt noch Verbesserungen drin sind. Auf Asphalt bin ich noch nicht zu 100 Prozent zufrieden. Zum Glück sind die beiden Etappen der Rallye Spanien an Samstag und Sonntag das letzte Mal, dass wir dieses Jahr auf Asphalt fahren. Danach steht nur noch Schotter auf dem Programm. Dort sind wir stark.“
Für Red Bull TV beobachtet Luis Moya die Rallye Spanien, der frühere Beifahrer und zweimalige Rallye-Spanien-Gewinner an der Seite von Carlos Sainz. Wie schätzt er das Titelduell zwischen Ogier und Neuville ein? „Das ist eine schwierige Frage“, antwortet der Spanier. „Vor der Saison habe ich auf Sébastien Ogier als Weltmeister getippt. Ich denke, er wird die Rallye Spanien wieder gewinnen. Er wird sich vom Nachteil, am Freitag auf Schotter als Erster starten zu müssen, nicht aufhalten lassen.“
Am Sonntag wird sich zeigen, ob Moya richtig liegt.
