Rallye News

Schwerstarbeit unterm Blech

Die Belastungen auf die Technik eines World Rally Cars sind beeindruckend. Ein Blick auf den Arbeitsalltag von Stoßdämpfer und Kupplung.

<strong>GEWALTIG:</strong> Die Technik der WRCs muss einiges aushalten

Bereits die Beschleunigung der Bauteile ist enorm. So sind die Stoßdämpfer, auf die das Werksteam von Subaru vertraut, von ZF Sachs für unterschiedlichste Stöße ausgelegt worden. Im Klartext: Wird der Dämpfer bis zu einem Tempo von 0,3 m/s bewegt, ist dies der ?Low-Speed-Bereich?, alle anderen Werte gelten als ?High-Speed?. Für die 19 Asphalt-Wertungsprüfungen zwischen Trier und St. Wendel hat ZF Sachs die 16-fach verstellbaren Bauteile auf 140 Millimeter Federweg eingestellt. Sobald die Dämpfer weniger als 0,42 Sekunden von Anschlag zu Anschlag benötigen, beginnt die ?High-Speed?-Phase.

 

Zu den höchsten Belastungen zählen Sprünge, wie sie die Zuschauer am 27. August auf der Panzerplatte erleben können ? etwa auf der berühmten Sprungkuppe ?Gina?. ?Nach Sprüngen können am gefederten Aufbau mehr als 20g auftreten, an ungefederten Massen wie am Rad sogar mehr als 35g?, erklärt Theo Rottenberger, Fahrwerksexperte bei ZF Sachs Race Engineering. Zur besseren Vorstellung: Die 20-fache bzw. 35-fache Erdbeschleunigung übersteigt bei weitem die Grenze, bei der ein Mensch in Ohnmacht fällt ? diese Situation wird bereits bei etwa 10g Beschleunigung erreicht. Da die Belastung aber nur Bruchteile von Sekunden andauert, besteht keine Gefahr für die Piloten im Cockpit. Bei einem Serienauto werden im Straßenbetrieb maximal 5g erreicht.

 

Stoßdämpfer wandeln diese kinetische Energie in Wärme um. Zwischen 80 und 150 Grad beträgt die Betriebstemperatur der Rallye-Stoßdämpfer. Je nach Bodenwellen mit entsprechenden Aufbau-Bewegungen können die Dämpfer aber auch 200 Grad heiß werden, also den Garwert einer Ofenpizza erreichen. Die Dämpfungswirkung wird vom so genannten Differenzdruck erzeugt ? jenem Wert, der entsteht, wenn das Öl im Stoßdämpfer von einer Kammer durch kleine Öffnungen in eine andere Kammer gepresst wird. Er kann bis zu 160 bar betragen. Das ist rund das 80-fache des Drucks, der in einem Reifen herrscht. Erprobt werden die Dämpfer bei Dauerlaufprüfungen, die 500.000 bis eine Million Lastwechsel erzeugen ? das ist so, als würde ein Auto zweieinhalb Tage lang nonstop über Stock und Stein fahren.

 

Noch eindrucksvoller ist die Belastung der Kupplung. Peugeot, Ford und Mitsubishi setzen auf das 2.000 Gramm leichte Bauteil von ZF Sachs mit dem Namen GMFZ 3/140 Y. Die insgesamt sieben Carbon-Reibscheiben (drei Mitnehmer-, vier Zwischenplatten) können 1.050 Newtonmeter Drehmoment übertragen. Das entspricht der Kraft, die zwei jeweils einen Zentner schwere Säcke Zement ausüben, wenn sie an einem Hebel von einem Meter Länge hängen. Wenn die Zweiliter-Turbotriebwerke der World Rally Cars bei rund 3.500 Umdrehungen ein effektives Drehmoment von rund 600 Newtonmeter entwickeln (200 mehr als in der Formel 1), entspricht das einer Leistung, die einen 75 Kilogramm schweren Menschen in einer Sekunde 300 Meter senkrecht anhebt.

 

Zum perfekten Kraftschluss werden die Kupplungsscheiben von einer Membranfeder zusammengedrückt, die so flach wie ein Stück Pappe ist, aber 1,4 Tonnen Druck erzeugt. Eine voll komprimierte Fahrwerksfeder stützt ein Auto nur mit etwa 500 Kilogramm Druck ab. Alleine zum Ausrücken der Kupplung werden etwa 450 Kilogramm benötigt, was mancher Serienkupplung schon als Anpresskraft genügt. Das Reibpaket der Rallye-Kupplung weist eine Verschleißbreite von 1,25 Millimetern auf.

 

Da die Belagabnutzung durch Elemente ausgeglichen werden kann, ist ein Totalverschleiß von mehr als fünf Millimetern realisierbar. Beträgt der Verschleiß einer Serienkupplung, die oft fast ein Autoleben lang hält, drei Millimeter, so wird der Belag an jedem der drei Rallye-Tage um rund 0,6 Millimeter dünner, wenn Marcus Grönholm und seine Gegner im Wettbewerbs-Tempo unterwegs sind.

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