WM 2012

Latvalas Nachhilfestunde

Um Meister-Glüher Sebastien Loeb auf Asphalt mehr Gegenwehr bieten zu können, haben sich einige Rallye-WM-Asse selber Nachhilfestunden verordnet. Ford-Werksfahrer Jari-Matti Latvala setzte sich dazu vorige Woche in Le Mans sogar in einen Formel-Rennwagen.

<strong>NACHHILFE:</strong> Jari-Matti Latvala ließ sich von Didier André auf Asphalt schulen

Der frühere Formel 1-Weltmeister Kimi Räikkonen brilliert in seiner Comeback-Saison im Grand Prix-Sport, nachdem er in zwei Jahren Rallye-Weltmeisterschaft keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen konnte. Einen ähnlichen Seitenwechsel – wenn auch in kleinerem Maßstab – vollzog kürzlich sein finnischer Landsmann Jari-Matti Latvala: Der Schotterspezialist begab sich auf die Rundstrecke, um für WM-Läufe wie Frankreich, Spanien oder auch die Rallye Deutschland im nächsten Jahr seinen Asphalt-Fahrstil zu verfeinern.

 

Vorigen Mittwoch drehte er auf dem Circuit Bugatti in Le Mans unter dem fachkundigen Blick des ehemaligen Indycar- und Sportwagen-Profis Didier André schnelle Runden in einem Formel-Rennwagen. "Dieses Auto aus der Formula Academy unterschied sich natürlich extrem von meinem gewohnten World Rally Car, aber der Tag hat mir in vielerlei Hinsicht weitergeholfen", bilanzierte der Michelin Fahrer. "Ich habe beispielsweise daran gearbeitet, mein Tempo eher mit dem Gaspedal als mit der Bremse zu kontrollieren, denn das kostet dich immer Schwung. Außerdem habe ich viele Kleinigkeiten gelernt, die ich jetzt im Fiesta RS WRC ausprobieren werde. Didier hat mich in verschiedenen Streckenabschnitten beobachtet, und nach jeder Fahrt haben wir besprochen, was ihm aufgefallen ist."

 

Vorigen Oktober gönnte sich auch Latvalas damaliger Teamkollege Mikko Hirvonen einen Testtag in Le Mans, der heutige Ford-Stallgefährte Petter Solberg nutzte die Dienste von Didier André in diesem Mai. Allerdings besaß der Norweger da bereits einige Rundstrecken-Erfahrung. Mit Blick auf einen möglichen Wechsel in die Sportwagen-Szene hatte er 2009 in Le Castellet einen LM P1-Prototypen von Oreca getestet – mit durchaus beeindruckenden Ergebnissen. "Aber ich habe mich trotzdem entschlossen, beim Rallyefahren zu bleiben", sagt Solberg, der mit dieser Entscheidung auch im Rückblick zufrieden ist.

 

"Fahrlehrer" Didier André war 2010 Gesamtvierter der 24 Stunden von Le Mans und ist heute mit seinem Motorsport-Perfektionstraining erfolgreich. "Ich muss diesen Jungs nicht beibringen, wie sie schnell Auto fahren können – das wissen sie alle. Ich möchte ihnen dabei helfen, bei Asphalt-Events gezielter mit ihren Ingenieuren zu arbeiten und ein Gefühl für diesen Straßenbelag zu entwickeln", beschreibt er seine Aufgabe. "Der Einsitzer, den wir verwenden, ist sehr leicht, sie müssen also ausgesprochen präzise fahren. Durch diesen Stil holen sie dann hoffentlich mehr aus ihren World Rally Cars heraus, die auf Asphalt extrem effizient sind. Mikko, Petter und Jari-Matti haben gut zugehört und alles aufgesaugt. Sie sind mit einer offenen Einstellung hierhergekommen und haben deshalb auch echte Fortschritte erzielt."

 

Der Mann, den die Skandinavier endlich einmal auf Asphalt besiegen möchten, braucht seine Fähigkeiten auf festen Untergrund kaum noch zu schulen: Sébastien Loeb wurde 2006 auf einem Prototypen Zweiter in Le Mans und gewann dieses Jahr Läufe im französischen Porsche Carrera Cup. Und vorige Woche, als er seinen teilweisen Rückzug aus dem aktiven Rallye-Geschäft bekanntgab, kündigte er gleichzeitig an, demnächst in der Tourenwagen-Weltmeisterschaft anzutreten …

 

Auch wenn er vorige Woche vieles gelernt hat, bleibt sich Latvala im Klaren darüber, dass Loeb bei seiner Heimrallye schwierig zu schlagen sein dürfte. "Wenn ich ihm näher rücken kann als in Deutschland, wäre ich schon zufrieden", gibt der Finne als Ziel aus. "Aber Sébastien ist auf ,schmutzigen‘ Straßen sehr, sehr gut. Vielleicht stehen meine Chancen in Spanien besser als im Elsass."

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