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Kostenvergleich Serie und WRC

Die interessanten Preisvergleiche zwischen dem Basis-Focus RS und dem Rallye-Focus WRC unterstreichen die entfernte Verwandtschaft zweier ungleicher Ford-Brüder.

<strong>Serie vs. WRC:</strong> Für einen Focus WRC bekäme man 24 RS

Grundsätzlich gelten für alle in der Rallye-WM engagierten Autohersteller wie Citroën, Mitsubishi, Peugeot, Skoda oder Subaru vergleichbare Kostenunterschiede zwischen ihren Serien- und WRC-Modellen.

 

Die gute Nachricht zuerst: Anstelle eines Focus WRC zum Einstiegspreis von rund 746.000 Euro könnte sich ein Ford-Fan gleich 24 Exemplare der Basisversion Focus RS zum Händlerpreis von 30.700 Euro auf den Hof stellen. Die schlechte Nachricht: Vom Basissportler RS (= Rallyesport) mit 215 PS (158 kW) starkem Turbotriebwerk wurden zwischen August 2002 und Ende 2003 nur 4.500 nummerierte Einheiten in Saarlouis gebaut, und die letzten der tausend Einheiten für Deutschland sind nunmehr vergriffen.

 

Eine Ausweichmöglichkeit bietet seit 2002 nur noch die abgespeckte Sportvariante Focus ST170 mit Zweiliter-Saugmotor (173 PS/127 kW) beim Händler um die Ecke, falls Ford-Haustuner M-Sport im britischen Dovenby Hall gerade keinen WRC mit mindestens 300 PS (220 kW) leistendem Turbotriebwerk und permanentem Allradantrieb für Rallye unbeleckte Normalverbraucher auf Lager haben sollte.

 

"Zusammen mit unseren WRC-Technikpartnern - Brembo, Garrett, OZ und Sparco entwickelte Ford einen Mainstream-Sportwagen", erläutert Pressesprecher Wolfgang Sander die Entwicklung des Focus RS. Für Christian Beyer, Chefdesigner bei M-Sport, ist der RS allerdings erst die Einstiegsdroge für eine innovative und sündhaft teure High-Tech-Spielwiese, auf der der RS oder auch der ST170 und der WRC um Welten auseinander liegen.

 

Alle Focus-Rohkarossen stammen zwar aus dem Werk in Saarlouis, doch fortan trennen sich die Wege der beiden ungleichen Brüder. Für die

RS-Komplettproduktion in Saarlouis schlugen lediglich 12,64 Stunden zu Buche, während M-Sport für den kompletten WRC-Aufbau rund acht Wochen rechnet.

 

Von Saarlouis aus wandern die Karossen für M-Sport direkt in den englischen Lake District, wo Bleche vom Tunnel, Armaturen-Halterungen, Sitzschienen oder hintere Kotflügel herausgetrennt und ein Überrollkäfig aus 46 Meter Stahlrohr mit WRC-Bauteilen, neue Federbeindome, ein breiterer Tunnel oder neue Kotflügel montiert werden. Darüber hinaus werden Dachauschnitte für Extra-Belüftungen, neue Stoßfänger und Spoiler, den größeren Tank (95 statt 55 Liter) oder Leichtbauscheiben angebracht. Insgesamt muss die Karosse das seitens der FIA vorgeschriebene Mindestgewicht von 325 Kilogramm (Serie: 245 kg) aufweisen.

 

Rund vier Wochen setzt Christian Beyer im Normalfall für diese Arbeiten an, wobei für die fertig lackierte Karosse gerade aufgrund der reichlichen Handarbeitsstunden Kosten in Höhe von rund 112.000 Euro und nochmals knapp 22.300 Euro für die Türen, Hauben, Lampen sowie zusätzliche Kriegsbemalung entstehen. Im Serienbau von Saarlouis ist die RS-Karosse übrigens in 5,9 Fließband-Stunden fertig und kostet nur rund 9.300 Euro (ST170 = 4.820 ?), aber dafür ist die WRC-Karosse auch 100 Prozent steifer als das RS-Blechkleid.

 

Während die Zweiliter-Turbomotoren in der normalen RS-Produktionslinie binnen vier Stunden (Austauschpreis 2.780 ?) zusammen gebaut werden, liefert Ford für den WRC nur die nackten Duratec-R-Motorblöcke an Cosworth. Bei der Multi-Motorschmiede in Northampton peppen die Techniker das Triebwerk dann durch eine komplette Leichtbaubearbeitung mit neuen Innereien (Kolben, Pleuel, Kurbelwelle, Nockenwelle etc.) und modifizierten Äußerlichkeiten (Garrett-Turbolader, Ansaug- und Auspufftrakt, Lichtmaschine, Schwungrad, Titanleichtbau-Ölwanne, Wasserkreislauf, Luftfilter, Luftsammler, Motorsteuerung etc.) fürs WM-Parkett auf.

 

Das Ergebnis ist die Triebfeder für ein exzellentes Leistungspaket: 300 PS bei 6.500/min (RS: 215 bei 5.500/min), 550 Newtonmeter bei 4.000/min (RS: 310 Nm bei 3.500/min) und 4,3 Sekunden für den Null-auf-100-Sprint (RS: 6,7 Sek.). Zeitaufwand für die Cosworth-Motorkur: circa 4 Wochen. Kosten: circa 96.980 Euro. Bitte Luft anhalten, das ist ein Schnäppchen - macht schließlich nur rund ein Fünftel des Motorpreises für einen Formel-1-Renner aus. Selbst der 241-PS-Motor (990 ccm) für die Kawasaki Ninja ZX-RR (MotoGP) kostet schon mehr als ein WRC-Triebwerk, nämlich rund 200.000 Euro.

 

Krasse Preisspannen existieren ebenso bei Stoßdämpfern: Stückpreis beim WRC rund 1.500 Euro (RS: ca. 155-180 ?), beim F1-Boliden knapp 6.000 Euro. Und während allein das F1-Lenkrad circa 12.000 Euro kostet, schlägt die komplette Lenksäule mit Lenkrad beim WRC nur mit etwa 1.500 Euro (RS: ca. 820 ?) zu Buche.

 

Die vielen Unterschiede der ungleichen Brüder Focus RS und Focus WRC aufzuzählen, entspräche nach Meinung von Christian Beyer einer unendlichen Geschichte: "Für den Aufbau einer Schotter-Version des Focus WRC benötigen wir 2.266 verschiedene Komponenten, die wir teils von über 150 Zulieferern beziehen." Ein Blick in die berühmte Kristallkugel wäre offensichtlich einfacher, als die Identität mit Serienbauteilen hier griffig darzustellen. Um einer mehr als 2000-zeiligen, werksinternen Auflistung zu entgehen, hilft eine plastische Rückbesinnung: Für die seit Anfang 1999 von M-Sport gebauten 55 Focus WRC hätten rein rechnerisch auch 1.320 Focus RS gekauft werden können.

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