Porträt Jari-Matti Latvala

"Ich bin, wie ich bin"

Jari-Matti Latvala ist mit 22 Jahren der jünster Fahrer, der je einen WM-Lauf gewinnen konnte. Wir stellen Finnlands neuen Rallye-Star vor.

<strong>DURCHBRUCH:</strong> Jari-Matti Latvala gewinnt seinen ersten WM-Lauf

Jari-Matti Latvala ist nicht irgendein Rallye-Fahrer, sondern vermutlich Finnlands größtes Rallye-Talent nach einer großen Flaute. Namen wie Jani Paasonen, Juuso Pykälisto oder Janne Tuohino sind längst in den Ergebnislisten früherer Tage begraben, lediglich Mikko Hirvonen schaffte nach einer abwechslungsreichen Karriere in den letzten Jahren den Durchbruch.

 

Der Werdegang des Jari-Matti Latvala liest sich wie ein Musterbeispiel für angehende Rallye-Profis. Als der kleine Jari-Matti vier war, hängte ihm Papa Jari einen Rasenmäher-Motor in einen Spielzeug-Jeep. Mit sechs saß der Filius im Gokart, als Achtjähriger stieg er erstmals in ein Auto für Erwachsene. Mit neun zerschellte er auf dem Gelände von Papas Landmaschinen-Betrieb mit einem Sunbeam Avenger an einem Mähdrescher. Der Vater erteilte auf dem Firmengelände Fahrverbot. Latvala Senior, selbst leidenschaftlicher Rallye-Fahrer, kaufte sich einen Ford Escort BDA. Söhnchen Jari-Matti war gerade 13, als er den Gruppe 4-Boliden entern durfte. „Er war auf einem Waldweg schneller als sein Vater“, erzählt Manager Timo Jouhki nicht ohne einen gewissen Stolz.

 

Vielleicht war das der Moment, wo in der Latvala-Familie entschieden wurde, dass der Stammhalter fürs Profi-Geschäft geboren sei. Die Schule hat er gerade noch abgeschlossen und seinen Militärdienst absolviert, aber ansonsten hat Latvala keinen Beruf und keine Ausbildung. Schon als Teenie war er mehr damit beschäftigt Länder zu finden, in denen man mit 16 schon Rallye-Fahren darf, als sich um eine gesicherte Zukunft zu kümmern. 2003 ging ein Raunen durch den WM-Zirkus, als erstmals ein 17-Jähriger zu einem Weltmeisterschaftslauf antrat. Mit einem Mitsubishi-WRC wurde Jari-Matti Latvala Zehnter.

 

Doch Timo Jouhki war nicht auf eine schnelle WM-Karriere seines Schützlings aus. Er schickte Latvala in die italienische Meisterschaft, wo er im Subaru-Cup das Fahrern auf engen Asphalt-Straßen lernen sollte. Obwohl Latvala erst 22 Jahre alt ist, hat er schon ein Dutzend verschiedener Rallye-Autos im Wettbewerb gefahren. In den letzten Jahren tummelte sich der Brillenträger in der Junior-WM und in der Produktionswagen-WM, um Kilometer auf Weltmeisterschafts-Strecken zu sammeln. Erfahrung scheint das Einzige zu sein, was ihm auf dem Weg zur absoluten Weltspitze noch fehlt. Erfahrung, und vielleicht etwas mehr Geduld. 

 

PROFIL: Jari-Matti Latvala, geboren am 3. April 1985 in Tuuri, lernte mit vier Jahren Auto fahren, als Sechsjähriger bestritt er bereits Kart-Rennen. Als 16-Jähriger fuhr er in Schottland seine erste Rallye, mit 17 war er in Großbritannien der jüngste WM-Teilnehmer aller Zeiten. 2004 trat der Finne in der Junioren-WM an, 2005 und 2006 in der Produktionswagen-Weltmeisterschaft, die er 2006 mit dem vierten Gesamtrang abschloss. 2006 fuhr er für das Stobart-Ford-Team seine ersten Einsätze in einem Semi-Werksteam. 2007 bestritt er bei Stobart die komplette Saison und stieg 2008 ins Ford-Werksteam auf.

„Jari-Matti hat den absoluten Siegeswillen, aber er will manchmal zu große Schritte machen“, sagt Beifahrer Miikka Anttila, der seit 2003 das Cockpit mit dem neuen Überflieger teilt. Latvala fällt neben seinem Talent und Ehrgeiz vor allem durch schnelle Lernfähigkeit auf.

 

Nach dem Desaster zur Rallye Deutschland 2006, als Jari-Matti bereits auf der ersten Prüfung in der Leitplanke landete, kam er zu der Erkenntnis: „Du musst nicht nur schnell sein, du musst auch ankommen.“ Er benötigte nur ein Quartal, bis er den Leitsatz in die Tat umgesetzt hatte. Zum Ende der Produktionswagen-Saison 2006 holte er sich im Subaru Impreza Gruppensiege in Australien und Neuseeland, beim Saisonfinale in Wales saß er zum erneut im Ford Focus des Stobart-Teams und wurde Vierter.

 

Timo Jouhki entschloss sich, noch einmal richtig Geld in die Hand zu nehmen und kaufte 2007 seinen Zögling für eine komplette WM-Saison bei Stobart ein. Bereits beim dritten Lauf in Norwegen holte er mit Rang fünf das bis dahin bestes Ergebnis und seine erste WM-Bestzeit. In Sardinien gewann er gleich die erste Prüfung und führte erstmals einen Weltmeisterschaftslauf an. „Da habe ich den entscheidenden Punkt an der Abstimmung gefunden“, so der Finne rückblickend. Doch Eindruck machte Latvala vor allem mit seinem Bestzeitenfeuerwerk beim Finale in Wales. Nach dem Höllenritt durch die walisischen Wälder öffnete sich die Tür ins Ford-Werksteam, wo der Finne die Nachfolge seines berühmten Landsmann Marcus Grönholm antreten soll.


Latvala bietet schon jetzt keine großen Blößen und kommt auf allen Belägen gut zurecht. „Lediglich auf schmutzigem Asphalt muss ich noch ein Gefühl für die richtigen Bremspunkte entwickeln“, sagt er. Die einzige Eigenart, die er sich schwer abgewöhnen kann, ist sein wilder Fahrstil. Auf der längsten Prüfung in Griechenland, wo die cleveren Piloten ihre Reifen schonten, musste Latvala nach wüster Drifterei gleich drei Mal Reifen wechseln. Der junge Finne war mal wieder in den „Old Style“ verfallen, den ihm Mentor Tommi Mäkinen schon vor drei Jahren austreiben wollte. „Richtig quer zu fahren ist ein gutes Gefühl, aber anschließend schaust du auf die Uhr und denkst, au weia“, grinst Latvala.

 

„Ich habe kapiert, dass es darauf ankommt, ein hohes Level über die ganze Zeit zu halten und nicht bloß volle Pulle ein paar Bestzeiten zu fahren“, so der Neuling im Ford-Team, der für sein Alter so erwachsen wirkt und so gar nicht dem gängigen Klischee des coolen Finnen entspricht. Verglichen mit Landsmann Kimi Räikkönen ist Finnlands vielversprechendster Motorsport-Nachwuchs ein sprudelnder Quell der Emotionen und redselig wie ein Buch. Latvala zuckt mit den Schultern: „Ich bin, wie ich bin.“

 

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