Rallye Schweden

Ein (h)eiskaltes Vergnügen

Der Klassiker im Weltmeisterschafts-Kalender bietet die Kulisse für ein Wintermärchen der besonderen Art: Hohe Schneewände und tiefgefrorene Fahrbahnen dienen als Garant für besonders spektakuläre Rallye-Action.

<strong>BELIEBT:</strong> Die Rallye Schweden steht bei den Piloten hoch im Kurs

Auch wenn es auf den ersten Blick geradezu paradox wirkt: Die Rallye Schweden zählt trotz ihrer besonders glatten Wertungsprüfungen zu den schnellsten Läufen im WM-Kalender. Die Toppiloten pflügen zum Teil mit Tempo 200 durch die von hohen Schneewänden eingefassten Naturstraßen und zirkeln ihre Turbo-Allradler dabei zentimetergenau am skandinavischen Baumbestand vorbei. Die Rallye Schweden zählt ganz ohne Zweifel zu den aufregendsten Motorsport-Ereignissen des Jahres.

 

Möglich machen diese geradezu artistischen Manöver unter anderem auch die speziellen Winterreifen von Michelin. Den X-Ice North hat die französische Marke für die Vorjahresveranstaltung komplett neu entwickelt und anhand der 2011 gesammelten Erfahrungen nochmals modifiziert. Dabei blieb die Reifengröße mit 17/65-15 unverändert. Neu sind Form, Material und Profil der 380 Spikes. Diese insgesamt 20 Millimeter langen Wolfram-Metallstifte vereinen eine hohe Widerstandsfähigkeit mit nochmals höherer Leistungsfähigkeit und verbinden auf diese Weise hohe Sicherheit mit einem gesteigertem Grip auf den eisigen Pisten Schwedens.

 

„Die Autos verändern sich von Jahr zu Jahr. Diesem Evolutionsprozess müssen wir uns anpassen“, erklärt Jacques Morelli, verantwortlich für das Rallye-Programm von Michelin. „Bei der letztjährigen Rallye Schweden haben unsere Entwickler und Techniker wertvolle Daten gesammelt, die uns geholfen haben, den Reifen für diese Saison nochmals zu optimieren. Im Fokus stand dabei vor allem, wie weit die Spikes aus dem Reifen herausragen: Statt 6,8 Millimeter wie im vergangenen Jahr sind es nun sieben Millimeter. Das sorgt für nochmals besseren Halt im tiefen Schnee.“

 

Jeder Fahrer kann sich dabei aus einem Kontingent von 35 Pneus bedienen. Insgesamt bringt Michelin 1.140 Exemplare für die WRC-Starter nach Schweden. Für die zahlreichen Teilnehmer aus der Super 2000-Kategorie hält der französische Reifenhersteller das Vorjahresmodell dieses Winterexperten bereit.

 

Grenzüberschreitender WM-Lauf

 

Ein großer Teil der Schnee- und Eis-Action der Rallye Schweden findet dieses Mal in Norwegen statt, wo der zweite Saisonlauf am Freitag gastiert. Die beiden übrigen Etappen führen die Rallye-Weltelite dann wieder in die Region rund um den Flughafen von Hagfors, wo traditionell der Service-Park beheimatet ist.

 

Anders als noch in vergangenen Saison stattet die diesjährige Rallye Schweden dem Nachbarland dabei nicht nur einen kurzen Besuch ab. Bereits am Freitagmorgen überqueren die Teilnehmer die Grenze im Laufe der zweiten Wertungsprüfung (WP), der 27,07 Kilometer langen „Mitandersfors“ – die zugleich die längste Prüfung des Wochenendes ist und direkt am Wohnhaus von Ford-Werksfahrer Petter Solberg vorbeiführt. Erst am späten Nachmittag – nachdem sie sechs Wertungsprüfungen über insgesamt 108,68 Kilometer in Norwegen absolviert haben – kehren Loeb, Hirvonen, Latvala & Co. für die WP 9 „Torsby“ wieder nach Schweden zurück. Die Prüfungen auf norwegischem Boden („Opaker“, „Kirkenaer“ und „Finnskogen“) werden jeweils zwei Mal gefahren. Der mittägliche Remote-Service – eine Art ausgelagerte Miniatur-Service-Zone, um weite Verbindungsetappen zu sparen – findet in Kongsvinger statt. Das Regrouping in der Innenstadt von Torsby, bei dem das Teilnehmerfeld im Falle von Verzögerungen im Zeitplan wieder zusammengezogen wird, dürfte bei den Rallye-begeisterten Skandinaviern für Volksfeststimmung sorgen.

Das ist der Gipfel!
30.000 Promille verteilt auf 10.000 Rallye-Fans die 5.000 Lagerfeuer im Schnee abbrennen. Und das alles an einer Sprungkuppe an der keiner was sieht. Klingt bekloppt, ist aber der Zuschauerpunkt der Schweden-Rallye schlechthin: die Colins Crest Arena in der Prüfung Vargasen. Und bei einem Beklopptentreffen darf ich natürlich nicht fehlen …

 

Am Ende der Freitags- und Samstagsetappen steht der abendliche Service in Hagfors auf dem Programm. Danach machen sich die Fahrer auf die 85 Kilometer lange Reise in das südlich gelegene Karlstad. Dort geht sowohl die Startzeremonie als auch die Zieldurchfahrt über die Bühne. Zudem ist die Pferderennbahn der Provinz-Metropole am Donnerstag und Freitag jeweils Schauplatz der „Super-Special“-Prüfung.

 

Am Samstag und Sonntag nehmen die WM-Piloten einige Klassiker unter die Räder – darunter die Wertungsprüfung „Vargasen“ inklusive der legendären Sprungkuppe „Colin’s Crest“. Mit „Sagen“, „Fredriksberg“, „Lesjöfors“ und „Rämmen“ stehen weitere berühmte Prüfungen an. Die 4,66 Kilometer lange Power Stage „Hagfors“ – auf der die schnellsten drei Fahrer noch einmal Zusatzpunkte sammeln – bildet dann den Abschluss. Insgesamt führt die Rallye Schweden 2012 über 1.842,60 Kilometer, davon 349,16 Kilometer auf Zeit, die in 24 Wertungsprüfungen unterteilt sind.

 

Das Qualifying feiert Premiere im Rallye-Sport

 

Los geht es bereits am Donnerstagmorgen um 10.33 Uhr Ortszeit mit der Qualifying-Prüfung „Rada“ in der Nähe von Hagfors. Eine Premiere, denn erstmals wird die Startreihenfolge für die gesetzten Fahrer der Prioritäts- 1- und -2-Stufe für die erste Rallye-Etappe anhand dieses Zeitfahrens festgelegt. Dabei gilt: Der Schnellste des Qualifyings darf sich als erster die Startposition für den Freitag aussuchen. Etappe Nummer 2 und 3 nehmen die Prioriätsfahrer dann gemäß des Zwischenstandes am Ende des Vortages in Angriff – in umgekehrter Reihenfolge. Vorteil: Taktisches Langsamfahren, um einem Konkurrenten für die nächste Etappe den ungeliebten Vortritt zu überlassen, entfällt.

 

Hochspannung garantiert

 

Die Fans der Rallye Schweden dürfen sich bei bis zu minus 30 Grad Celsius auf einen heißen Kampf um den Sieg freuen – die Liste der Favoriten ist reich besetzt und bunt gemischt. Besonders große Chancen rechnen Insider dabei dem Werksteam von Ford zu. Seit 2006 ist die Mannschaft von Malcolm Wilson bei diesem WM-Klassiker ungeschlagen. Im vergangenen Jahr krönte Ford die Premiere des neuen Fiesta WRC sogar mit einem Dreifachsieg. Und mit Jari-Matti Latvala sowie Ex-Weltmeister Petter Solberg schickt Ford zwei erfahrene Skandinavier ins Rennen, die beide schon einmal in Schweden gewonnen haben.

 

Harte Konkurrenz erwächst der britischen Werks-Equipe naturgemäß durch Citroën. Die dominante Marke der vergangenen Dekade hat sich schlagkräftig verstärkt: Neben dem achtfachen Weltmeister Sébastien Loeb – dem Franzosen gelang es 2004 als bislang einzigem Mitteleuropäer, diese Bastion der Skandinavier zu schleifen – greift fortan Mikko Hirvonen ins Lenkrad des Citroën DS3 WRC. Der Finne war in den vergangenen beiden Jahren in Schweden unschlagbar und hat sich am vergangenen Wochenende mit dem Sieg bei der norwegischen Rallye Finnskog bestens vorbereitet.

 

Als Außenseiter könnten vor allem die zahlreichen privaten Fiesta WRC-Piloten für Überraschungen sorgen – so zum Beispiel die Norweger Henning Solberg, Eyvild Brynildsen und Mads Östberg oder auch der in Schweden immer schnelle Finne Jari Ketomaa. Das Super 2000-Lager schaut mit Interesse wieder auf das Abschneiden des Volkswagen-Werkspiloten Sébastien Ogier, der mit seinem ebenfalls auf Reifen von Michelin rollenden Skoda Fabia S2000 bereits bei der „Monte“ das Establishment kräftig durcheinandergewirbelt hat.

 

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