Rallye Finnland nach WP16

Die Entscheidung auf Ouninpohja

Mit 9.4 Sekunden Vorsprung startet Sebastien Loeb in die letzten beiden Prüfungen der Rallye Finnland, die nicht nur 20 Prozent der Wertungskilometer ausmachen, sondern auch über die legendäre Ouninpohja-Strecke führen.

<strong>DAS SPEKTAKEL KANN KOMMEN:</strong> Fahrer und Fans warten gespannt auf den Start der beiden Ouninpohja-Prüfungen

Ouninpohja ist nicht einmal ein Ort. An einer Zunge des Isojärvi, einem langgestreckten See, eine runde Autostunde südlich von Jyväskylä, baute einst der Vater von Seppo Ouni ein rotes Holzhaus auf einen Hügel. Die Gegend wurde fortan Ounis Bucht genannt, was auf Finnisch Ouninpohja bedeutet. In den Sechzigern hockte schon Timo Mäkinen in Ounis Sauna, später auch Timo Salonen und andere Rallyegrößen. Der Großbauer und Holzhändler Seppo Ouni starb vor einigen Jahren und hat nicht mehr erlebt, wie eine Straße, die seinen Namen trägt, so berühmt wurde, dass Sportartikelhersteller Puma gar eine eigene Modelinie entwarf, die seinen Namen trug.

 

"Es gibt keine andere Prüfung, die so schnell ist und gleichzeitig so viele Sprünge hat", versucht Finnlands Rekord-Sieger Marcus Grönholm dem Phänomen Ouninpohja auf die Spur zu kommen. 169 Kuppen lauern in den Aufzeichnungen der Beifahrer und bei 100 davon heben die Autos ab. "Wenn du dich wirklich was traust, kannst du auf der einen Kuppe abspringen und auf der Abfahrt der nächsten landen", sagte der frühere Streckenchef Simo Lampinen. Der dreimalige Finnland-Sieger schätzt, dass er die Prüfung gut und gerne 300 Mal absolviert hat, "bis auf das eine Mal, als ich mit meinem Saab abgeflogen bin und sofort weiter wollte, aber nicht konnte, weil die Hinterachse noch im Wald lag."

 

Als die Fahrer noch beliebig oft und mit vollem Speed trainieren durften, konnten auch einige Mitteleuropäer in Finnland schnell fahren, dennoch blieb Ouninpohja den meisten ein Geheimnis. "Ich habe nie einen perfekten Durchgang hinbekommen", klagt der Spanier Carlos Sainz, immerhin einer von nur drei nicht skandinavischen Finnland-Siegern der Geschichte. Seit nur noch zwei Besichtigungstouren mit maximal 80 km/h erlaubt sind, ist es für nicht mit mittelfinnischer Muttermilch aufgezogene Helden noch schwieriger geworden.

 

"Ouninpohja ist eine Prüfung für Machos", behauptet das Programmheft, und wer das dickste Gemächt hat, kann weniger Wahnsinnigen leicht eine halbe Minute aufbrummen. "Viele Kurven liegen direkt auf einer Kuppe, das ist auf anderen finnischen Prüfungen nicht so", sagt Mikko Hirvonen und gerät sogleich ins Schwärmen: "Wenn du auf so eine blinde Ecke zufährst, das Auto vorher quer stellst und sideways über die Kante springst, das ist das Größte überhaupt."

 

Auch für die Beifahrer ist Ouninpohja eine außergewöhnliche Übung. "Es gibt viele leichte Kurven, die du als solche gar nicht wahrnimmst. Du musst in Ouninpohja schneller lesen als auf jeder anderen Prüfung. So redest du manchmal kilometerlang 'bla bla' und hoffst, dass du immer noch an der richtigen Stelle bist", sagt Timo Rautiainen. Nur einmal in den letzten acht Jahren schwieg er ergriffen. Nach einer harten Landung entschied das Gehirn, eine eingeklemmte Bandscheibe habe Priorität vor dem Sprachzentrum. "Du musst schon einen ganz schönen Knall haben, um das hier spaßig zu finden", sagt Manfred Stohls Navigatorin Ilka Minor.

 

Spaß? Spaß haben die wenigsten in Ouninpohja. "Es ist manchmal ganz schön beängstigend", sagt Marcus Grönholm. Selbst Petter Solberg, der seit seinem Rekord behauptet, dies sei die beste Prüfung der Welt, eben weil sie so gefährlich wäre, gibt zu: "Du fährst die ganze Zeit mit zusammengezogenen Schultern." Der Spaß kommt in Ouninpohja erst dann, wenn es vorbei ist. "Du bist die ganze Zeit voll mit Adrenalin, und wenn du es dann geschafft hast, ist das ein tolles Gefühl", sagt Mikko Hirvonen.

 

Am Nachmittag steht Ouninpohja gleich zwei Mal auf dem Programm der Rallye Finnland. Mit 33 Kilometer Streckenlänge machen die beiden Durchgänge 20 Prozent der WP-Kilometer der gesamten Rallye aus. Gut möglich, dass sich hier das Klassement noch einmal deutlich verschiebt. Sebastien Loeb geht mit 9.4 Sekunden Vorsprung ins spannungsgeladene Finale. "Danach werden wir wissen, ob ich ein Franzose oder ein Finne bin", orakelt der Weltmeister.

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