Rallye News

25 Jahre quattro

Die quattro-Technologie von Audi feiert ein rundes Jubiläum. Am 3. März 1980, stand der Ur-quattro im Scheinwerferlicht des Genfer Automobilsalons.

<strong>Spektakulär:</strong> Der S1 mit über 450 PS war ein Geschoß auf vier Rädern

Ferdinand Piëch, seit August 1975 im Audi Vorstand verantwortlich für den Geschäftsbereich Technische Entwicklung, hatte sich zum Ziel gesetzt, die Marke Audi durch innovative Technik im Markt höher zu positionieren. Weitsichtig, mutig, kompetent, umgeben von Mitarbeitern, die seine Ziele umsetzen konnten.

 

Im Februar 1977 sprach ihn sein Fahrwerksingenieur Jörg Bensinger an, der nach einer winterlichen Erprobungsfahrt in Finnland mit dem 75 PS starken Geländewagen Iltis voll unter dem Eindruck der überlegenen Traktion und der überzeugenden Straßenlage des hochbeinigen Offroad -Vehikels stand. Die anderen Testwagen und Prototypen auf diesem Trip, allesamt höher motorisierte Limousinen der Mittelklasse, mussten sich durch die Gischt des mühelos vorausfahrenden Iltis kämpfen. Überholen unmöglich.

 

Bensinger war sofort von der Idee beseelt, ein vergleichbares Antriebskonzept auch unter Berücksichtigung deutlich erhöhter Komfortansprüche in der Mittelklasse zu realisieren. Immerhin gab das strategische Ziel des Hauses vor, zu den Spitzenmarken des Marktes aufzuschließen.

 

Gemeinsam mit dem damaligen Chef der Vorentwicklung, Walter Treser, schlug er Piëch vor, entsprechende Versuche mit dem Audi 80 zu starten. Doch anders als sein Fahrwerksingenieur stellte sich der Vorstand eine ungleich größere Lösung vor: ein hoch motorisiertes Sportcoupé mit permanentem Allradantrieb und der Fähigkeit, sich gleichermaßen im Sport wie auf der Straße unter allen Bedingungen eindrucksvoll in Szene zu setzen.

 

Piëch war das Potenzial, das im Allradantrieb steckte, bewusst. Schließlich hatte sein Großvater, Ferdinand Porsche, sich schon ausführlich damit befasst und Konstruktionen realisiert: eine Heeres-Zugmaschine für das österreichische Militär, den Lohner Elektrowagen mit vier Motoren in den Radnaben und zum Schluss noch einen Rennwagen der Marke Cisitalia.

 

Damit war der Startschuss für ein heikles Projekt hinreichend begründet. Heikel insofern, als Bensinger und sein Team keinen offiziellen Entwicklungsauftrag hatten. Sie waren gefordert, mit gegebenen Budgetmitteln und Bauteilen sowie unter zeitlichem Hochdruck Erkenntnisse zusammenzutragen und nachvollziehbare Empfehlungen abzugeben.

 

Das Antriebskonzept des Iltis wurde der Entwicklung zugrunde gelegt und es war ursprünglich beabsichtigt, die neue Antriebstechnik einem Homologationsmodell für ein Auto zu widmen, dass sich im Rallyesport beweisen sollte. Schnell begriffen die ausgesuchten Mitglieder der Entwicklungsgruppe, die unter größter Geheimhaltung agierte, dass das geplante Ziel nicht das einzige bleiben würde, dem Werbeslogan der Marke, Vorsprung durch Technik, neuen Inhalt zu verschaffen.

 

Einem roten Audi 80, zweitürig, wurden die Iltis Komponenten implantiert und der Versuchswagen mit der internen Bezeichnung A 1, Allrad 1, war startklar. Die Anordnung von Motor und Getriebe blieb in ihren Grundzügen unverändert, um die Kraftübertragung zur Hinterachse kümmerte sich Hans Nedvidek, der schon für die Grand-Prix Legenden Stirling Moss und Juan Fangio Getriebe gebaut hatte. Er flanschte die Kardanwelle an die Antriebswelle des Getriebes - wie beim Iltis bewährt - und verzichtete zunächst, auch wie beim Iltis, auf ein Mitteldifferenzial. Anstelle der starren Hinterachse, kam nunmehr eine zweite Vorderachse zum Einsatz. Sie wurde mit einem abgemagerten Differenzialgehäuse des Iltis bestückt und umgedreht eingebaut. Das war für den Anfang alles.

 

Für temperamentvolle Gangart sorgte in der ersten Versuchsphase ein 160 PS starker Turbomotor, der für die spätere Verwendung im geplanten Audi 200 vorgesehen war. Im September 1977 erhielt das Projekt A1 den offiziellen Segen des Audi Vorstands und bekam auch die im Haus übliche Identifikation: EA 262 - Entwicklungsauftrag 262 - und schon zwei Monate später stand das Konzept für die Serie fest und der richtungweisende Prototyp bekam seine Freigabe zur Straßenerprobung.

 

Das Entwicklungsteam war jederzeit guten Muts und hatte die auftauchenden technischen Herausforderungen jederzeit unter Kontrolle. Aber das allein konnte den endgültigen Segen für eine Serienproduktion nicht verschaffen. Denn, Audi war innerhalb des Volkswagen-Konzerns eine Entwicklungs- und Produktions-gesellschaft. Die alleinige Verantwortung für Marketing und Vertrieb lag in Wolfsburg und dort musste jedes Entwicklungsprojekt vorgestellt werden, dort fiel jeweils die Entscheidung über die Marktchance eines neuen Produkts.

 

Um das ehrgeizige Projekt nicht am grünen Tisch in der Konzernzentrale zu gefährden, lud Audi im Januar 1978 zu Reifentests auf die Turracher Höhe ein. Ein bevorzugter Ort für alle deutschen Automobilhersteller, war doch die steilste Straße Europas zu dieser Jahreszeit mit Sicherheit ordentlich verschneit; eine ideale Bedingung für die anstehende Demonstration der außerordentlichen Fähigkeiten des Allradantriebs in einem Auto der Mittelklasse.

 

Wiewohl Dr. Werner P. Schmidt, der Vertriebschef, und Edgar von Schenk, verantwortlich für Marketing, beeindruckt waren, konnten sie sich nicht so recht vorstellen, wem in der Welt man ?400 von diesen Dingern? verkaufen sollte. Jörg Bensinger, über die Maßen von einem Markterfolg seines ?Babys? überzeugt, bot spontan an, sich persönlich um den Verkauf des quattros zu kümmern, aber zuvor mussten auch noch Professor Ernst Fiala, Konzern Entwicklungschef, und der VW Vorstandsvorsitzende Toni Schmücker dem Projekt ihr Jawort geben.

 

Fiala entführte den A1 ein Wochenende nach Wien und überließ dort das Auto für eine Stadtfahrt seiner Frau, die danach bemängelte, das Auto sei beim Einparken und in engen Kurven recht ?hupfert?. Mit der dringenden Empfehlung ?Da muss ein zentrales Differenzial rein? verband er sein grünes Licht für die Fortsetzung des Entwicklungsprogramms.

 

Leicht gesagt, aber zur Lösung des Problems bedurfte es schon eines Geniestreichs der Getriebeexperten Hans Nedvidek und seines Mitstreiters Franz Tengler. Sie verbauten das Differenzial eines Audi 80 hinter das Getriebe, trieben dieses Mitteldifferenzial durch eine hohle Getriebewelle an und führten den Antrieb zum Vorderachsdifferenzial durch diese Hohlwelle hindurch.

 

Am hinteren Ende des Mitteldifferenzials wurde eine Kardanwelle angeflanscht, die dazu diente, die Kraft auf das Hinterachsdifferenzial zu übertragen. Die erste serienreife Konfiguration war gefunden, Konzernchef Toni Schmücker bewilligte nach einem Kurztest auf einer gewässerten Wiese vor den Toren der Audi Fabrik für die weitere Entwicklung des schnell laufenden Allradantriebs einen Etat von drei Millionen Mark.

 

Aber zunächst galt es, den revolutionären, schnell laufenden Allradantrieb Marke Audi spektakulär zu inszenieren. Und nichts wäre besser geeignet gewesen, als die Rallye Weltmeisterschaft. Der finnische Star der verwegenen Driftkünstler, Hannu Mikkola, war 1979 nach knapp 30 Minuten einer Testfahrt überzeugt: ?Hier habe ich einen überzeugenden Blick in die Zukunft geworfen. quattro wird die Szene nachhaltig verändern.?

 

Er unterschrieb einen Jahresvertrag und ging 1981 erstmals für Audi an den Start. Auf dem heißen Sitz sein langjähriger Co-Pilot Arne Hertz. Mit Michèle Mouton und Fabrizia Pons war das neugegründete Audi Rallye-Team für die Saison 1981 komplett.

 

Rallye Monte Carlo, traditionell jedes Jahr der erste Lauf zur Rallye Weltmeisterschaft, bescherte dem erwartungsfrohen Audi-Team Freud und Leid: Michèle Mouton fuhr nach wenigen 100 Metern rechts ran.

Diagnose: Wasser im Sprit. Das verkraftet nicht einmal der robuste Fünfzylindermotor des quattro. Freude verursachte das Ergebnis von Mikkola/ Hertz nach der ersten Etappe: knapp sechs Minuten Vorsprung. Ungläubig und betreten schlichen die derart deklassierten Volantakrobaten der Konkurrenz um den neuen Klassenprimus.

 

Hannu Mikkola brachte den Vorsprung nicht nach Hause. Nach einigen harten Kontakten mit Straßenranderscheinungen büßte er den Vorsprung ein, die alte Ordnung war im Ergebnis wieder hergestellt, nicht aber die alte Lage. ie die neue einzuschätzen war, erklärte später die deutsche Rallye-Autorität Walter Röhrl, wahrlich kein Pessimist, vor laufenden Fernsehkameras: ?Hier kommt eine innovative Technik zum Einsatz, die der alten eindeutig überlegen ist. Gegen die werde ich wahrscheinlich verlieren.?

 

Im ersten Jahr, es war als Probelauf für künftige Planungen deklariert, siegte das Team Mikkola/Hertz in Schweden und in England. ür die Sensation der Saison freilich sorgten die Amazonen Michèle Mouton und Fabrizia Pons: Auf der Rallye San Remo vernaschten die entfesselten Ladies das gesamte männliche Establishment und gewannen als erstes Damenteam überlegen einen Weltmeisterschaftslauf. Die Platzierten hatten fertig, die Fans waren außer sich, die Medien euphorisch.

 

Wäre es bei diesem Sieg für die beiden Vollgas-Grazien geblieben, hätte man den Schleier des Wohlwollens darüber ausgebreitet. Indes: Dirigiert von zarter Hand jagten Rallye-quattros noch dreimal vor der maskulinen Meute auf und davon - 1982 in Schweden, Griechenland und Brasilien. Mikkola/Hertz ließen die Konkurrenz gar vier Mal hinter sich - genug für den ersten WM-Titel im Zeichen der vier Ringe.

 

Nach Siegen in Schweden, Portugal, Argentinien und Finnland sichern sich Hannu Mikkola und Arne Hertz die Weltmeisterschaft 1983 und im Jahr darauf gelingt der schwedischen quattro-Paarung Stig Blomqvist und Björn Cederberg ein Doppelschlag: Sie gewinnen die Fahrerwertung und sichern Audi dadurch auch den Markentitel. Mikkola/Hertz werden Z weite.

 

1985 - der Vorsprung durch Technik ist kleiner geworden. Das seriennahe Konzept von Audi hat die Konkurrenz mit Konstruktionen gekontert, die ihre Stärken allein im Sport ausspielen konnten. Audi hatte schon in der laufenden Saison 1984 mit dem kurzen Sport quattro ein erstes Evolutionsmodell des Rallye quattro an den Start gebracht.

 

Ende Juli 1985 zur Argentinien Rallye erscheint dann, ausgerüstet mit einem gewaltigen Frontspoiler und einem imposanten Heckflügel, eine weitere Ausbaustufe des Sport quattro unter der Typenbezeichnung S1. Eine Maschine, die nur von einer kleinen Riege besonders begnadeter Piloten beherrscht wird: 450 Turbo - PS bringt er auf die Straße, brachiale Gewalt, die zu zügeln auch den Besten der Besten Respekt abverlangt.

 

Hannu Mikkola, zum infernalischen Beschleunigungsvermögen des S1 von Reportern befragt, beschrieb das so: ?Stell Dir vor, Du stehst brav an einer roten Ampel und wartest auf Grün. Bei Gelb drehst Du auf 8500 hoch und bei Grün lässt Du die Kupplung los; dann geht es derart brutal vorwärts, dass Du denken könntest, eben sei Dir mit voller Wucht ein Fünftonner hinten reingefahren - es ist gewaltig!?

 

Gewaltig oder nicht, die quattros werden von der jungen Generation Spezialkonstruktionen, die einzig und allein für ihren Einsatz bei Rallyes konstruiert wurden, nach und nach distanziert.

 

Das Ende dieser spektakulärsten aller Rallye-Epochen kommt mit einem tragischen Unfall auf der Rallye Portugal: Lokalmatador Joaquim Santos weicht auf einer Spezialetappe einem Passanten aus, kann seinen Ford nicht mehr abfangen und schleudert in die Zuschauer. Eine Frau und zwei Kinder sterben, 30 weitere Zuschauer werden verletzt. Dieser Unfall besiegelt das Ende der Gruppe B Autos, die Saison 1987 gehört wieder den seriennahen Autos der Gruppe A. Das rein bayerische Team Röhrl/Geistdörfer auf Audi 200 quattro schlägt sich achtbar und setzt mit der modifizierten Reiselimousine die wendigen Allradler der Konkurrenz stark unter Druck. Ein Abgang nach Maß von der internationalen Rallyebühne gelingt dem Audi Team anlässlich der Safari Rallye in Kenia: Zwei 200er am Start, zwei im Ziel; Röhrl/Geistdörfer gewinnen vor Mikkola/Hertz.

 

Noch einmal wird der S1 aktiviert. Der Pikes Peak in Colorado ist 4301 Meter hoch. Seit 1916 jagen amerikanische Rennfahrer die 20 Kilometer lange Schotterpiste vom Tal hinauf bis kurz unter den Gipfel. Schneller als 11 Minuten war noch niemand. 1987 fiel die Mauer: Walter Röhrl ließ den 600 PS seines speziell für dieses Bergrennen vorbereiteten quattro S1 freien Lauf und setzte mit 10:47,85 Minuten einen neuen Maßstab.

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