Rallye News

"Im Land der Elche..."

Das Tagebuch von deutschen Wikingern über ihren Kampf im schwedischen Volvo-Cup ist genau die richtige Lektüre für die langeweilige Mittagspause...

<strong>EINSATZTEAM:</strong> Die deutschen VOC-Piloten während ihrer Schweden-Reise

Vor Jahren brachte Jochen Walther den Volvo-Cup nach Deutschland. Im Laufe der Zeit wuchs das Teilnehmerfeld auf eine beachtliche Zahl und mittlerweile gehören die klobigen Schwedenrösser zu den Publikumslieblingen in der nationalen Szene. Immer häufiger machen sich deutsche Volvo-Piloten auf den Weg in die Heimat des Elches, um sich mit den besten Quertreibern Skandinaviens zu messen. Ein Bericht von Holger Knöbel:

 

"Vor uns liegen gute 1.800 km Anreise, die wir nach akribischer Planung Fahrstrecke in zwei Etappen unterteilt haben. Die Starts erfolgten in den frühen Morgenstunden des Donnerstags in Berlin und Rheda-Wiedenbrück. Regrouping war an der Fähre nach Dänemark in Puttgarden geplant. Allerdings musste man schon auf der ersten Etappe den schwierigen Verhältnissen Tribut zollen. Ein Plattfuss am Anhänger des Berliner Teams wollte repariert werden. Anschließend half die Brandenburger Polizei dem Team noch bei einer Setup-Überprüfung des Gespanns, was viel Zeit kostete. Deshalb waren Ort und Zeitpunkt des Regroupings nicht mehr einhaltbar und man entschloss sich das Treffen auf das Etappenziel in der Nähe des schwedischen Jonköping zu verlegen.

 

Das Wiedenbrücker Team traf als erstes dort ein und erfuhr, dass noch ein Shakedown von vier Kilometer Länge ins Programm aufgenommen wurde. Zur großen Überraschung aller stellte unser Gastgeber, der zweifache schwedische VOC-Champion Joakim Hallqvist, Holger Knöbel seinen betagten 244, auch ?Red Dragon? genannt, hierfür zur Verfügung. ?Jocke? hatte Zuschauer und seinen Service eingeladen, eine Privatstrecke bei einem benachbarten Bauernhof organisiert und vom Schnee befreit. Die Absperrung erfolgte durch den Service-Mann auf der einen Seite der Wertungsprüfung und den schwedischen Beifahrer auf der anderen Seite. Leider fehlte ein Veranstalteraufschrieb, so dass man zunächst auf eine Besichtigungsrunde ging. Holger durfte sich an Auto und Prüfung gewöhnen, bevor er vom Meister selber eine Fahrstunde erhielt und wertvolle Tipps mitnehmen konnte. Leider verpasste unser zweites deutsches Team den Shakedown, durfte aber in den schwedischen Wäldern später noch ein wenig üben. Andreas lernte dann auch gleich den Unterschied zwischen dem schwedischen und deutschen Aufschriebsystem kennen ? eine 3er Kurve sieht dann doch unterschiedlich aus.

 

Am nächsten Tag ging es schon früh morgens weiter, und auch hier verlief die Fahrt nicht problemlos. Der Anhänger des Wiedenbrücker Teams konnte den schwedischen Kälteverhältnissen nicht standhalten ? die Bremse war eingefroren und man verlor wieder wertvolle Zeit. Gegen Abend war dann aber endlich das Etappenziel in Kramfors erreicht. Hier wartete schon das Team Homuth/Jung, das sich schon einen Tag eher auf die Reise gen Norden gemacht hatte. Lange konnte man sich aber nicht ausruhen, denn am nächsten Tag sollte es zu einer nationalen Rallye gehen, wo die deutsche Truppe als Vorauswagen testen durfte. Schon die Anfahrt zur Rallye war ein Erlebnis. Den schwedischen Fahrern hinterher jagend, war es ein echtes Abenteuer in den winterlichen Verhältnissen die Straße und besonders die vorausfahrenden Autos zu sehen. Ich dachte immer so ein Bulli mit Trailer wäre gut zu sehen?

 

In Stugun angekommen hatten die Deutschen zunächst einmal Probleme mit ihren Wagen. Der auf der Fahrt aufgewirbelte Schnee hatte sich im Motorraum festgesetzt und bewirkte den Streik des Motors. Die Schweden wissen halt schon, warum man fast ausnahmslos mit geschlossenen Anhängern fährt. Nachdem wir die Autos endlich zum Laufen gebracht hatte und alle Formalitäten erledigt waren, blieben dann noch geschlagene acht Minuten bis zum Start. Auch der weitere Verlauf der Rallye war nicht sonderlich positiv. Nach der ersten von fünf Wertungsprüfungen sollte Service sein, der auch vorbereitet dort stand. Die gesamte deutsche Truppe fuhr winkend an ihnen vorbei. ?Na toll, wenn die keinen Service machen wollen, dann können wir auch gleich zugucken fahren?, lautete das Fazit. Doch das schlechte Gewissen hielt die Serviceleute davon ab. Man konnte sich dann bei den schwedischen Fahrern wenigstens als Aushilfsservice nützlich machen, denn deren Servicemann zog es vor mit dem Skidoo unterwegs zu sein.

 

Matthias Homuth versenkte seinen Volvo gleich auf der zweiten Prüfung im Schnee und durfte die Sache mit dem Schnee schaufeln schon mal üben. Aus eigener Kraft konnte er sich nicht mehr befreien, aber der Schlußwagen zog ihn aus seinem ?Gefängnis?. Anschließend fuhr er dann dem gesamten Starterfeld hinterher, um sich dann ein paar Kurven weiter wieder im Schnee wieder zu finden. Hier war allerdings keine Bergung mehr möglich, denn mit einem verbogenen Querlenker fuhr es sich nicht mehr so gut. Die Testfahrt endete für das Team Homuth/Jung schon nach 15 WP-km. ?Besser hier als bei der nächsten Rallye in Östersund?, lautete ihr Fazit. Das Vater-Sohn-Gespann Knöbel und die Berliner Truppe hatten keine größeren Probleme und konnten wetvolle Erfahrungen sammeln. Vielleicht hatte das Training beim Hallqvist sich ja schon ausgezahlt. Ansonsten kann man festhalten, dass in Schweden eine nationale Rallye schnell abgehandelt ist. Ankunft, Abnahme, Start und schon eine halbe Stunde nach Eintreffen des letzten Teilnehmers der jeweiligen Klasse ist man schon wieder auf dem Rückweg.

 

Der Sonntag war zum Ausruhen gedacht. Bei herrlichem Sonnenschein konnte dann die Stadt erkunden werden. Auch der Montag stand im Zeichen des Tourismus. Man besuchte die nächst größere Stadt Solleftea ? natürlich nicht ohne bei einem Volvo-Händler Halt zu machen und notwendige Ersatzteile zu bestellen. Am Nachmittag nahmen wir einen Teil der Skipiste zum Schlittenfahren ein. Die heranbrechende Dämmerung tat dem keinen Abbruch, denn in Schweden fährt man ja bei Flutlicht. Rallyefahrer sind aber auch beim Schlittenfahren ein wenig eigen und so wurden dann auch die Schnee- und Zugfähigkeiten des A6 von Andreas gleich getestet.

 

Am folgenden Tag wurde die Teststrecke auf einem Eissee Mittelpunkt des Geschehens. Der schwedischer Rallyefahrer Tobbe Westerlund hatte dies für uns organisiert. Er ließ eine Strecke ca. 1 km von einem befreundeten Bauern freischieben. Aber auch hier war neben dem Fahrzeug die Schneeschaufel das am häufigsten eingesetzte Arbeitsgerät. Die Frage ist nur, ob es daran lag, dass auch die Beifahrer und Serviceleute mal testen konnten, wie das mit den Spikereifen so vorwärts geht. Tobbe hat uns den Tag über begleitet und gab wertvolle Tipps wie man gegen und durch eine Snowbank fährt und vor allem wie man schnell wieder raus kommt. Fazit des Eistrainings: Eine Tankfüllung verballert und dabei viel Spaß gehabt.

 

Am Mittwochmorgen sahen wir uns dann die Höga Kusten an, welche auf der Liste des ?Erbe der Menschheit? steht und somit zum Weltnaturerbe der UNESCO zählt. Mit dem abschließendem Besuch einer Skihütte bereitete man sich dann auf die am Nachmittag folgenden Aufgaben vor. Es war Service an den Rallyeautos angesagt. Bis in die späten Abendstunden wurde repariert, nachgezogen und verbessert. Beim großen Auftritt sollte ja nichts schief gehen.

 

So traten wir am nächsten Morgen die Weiterreise nach Östersund an. Bei ?Jannes? Tankstelle konnte man die anderen Deutschen Volker Clasen und Siggi Mayr treffen. Janne Sundqvist ist Anlaufpunkt für die ausländischen Volvo-Teilnehmer und wir mussten erschrocken feststellen, dass wir nicht die weiteste Anreise hinter uns hatten. Ein Franzose hatte sich ebenfalls auf den Weg in den hohen Norden begeben. Nach dem Beziehen der Unterkunft sollte zunächst einmal mehr Rallyeflair aufkommen. So fuhren wir zum Rallyebüro um schon mal die Startnummern abzuholen. Diese werden in Schweden schon vor Beginn der Rallye verschickt, damit die Teilnehmer diese in der Garage sauber und trocken anbringen können. Hierzu vereinnahmten wir die Werkstatt von Janne. Neben dem Anbringen der Aufkleber konnten mit der Hebebühne noch weitere Feineinstellungen an den Wagen vorgenommen werden. Nach einem üppigen Abendmahl, zu welchem Janne die Deutschen und Franzosen eingeladen hatte, immerhin über 20 Personen, ging es dann zur wohlverdienten Nachtruhe.

 

Am Freitagmorgen erfolgten dann endlich die Papier- und technische Abnahme. Unglaublich, was man in Schweden alles braucht: zwei Schneeschaufeln im Auto, zwei Warndreiecke zum Aufstellen auf der Prüfung bei einem Ausfall, jeweils einen Aufkleber für Batterie und Erste Hilfe, ein Werkzeug an Bord um die Verschraubungen des Sitzes zu lösen, ein Gurtmesser, warme Sachen im Auto etc. Mit unseren vielen Taschen und Provisorien wurden wir dann auch ein wenig belächelt. Wollt ihr Rallye fahren oder Urlaub machen, fragte einer der technischen Kommissare.

 

Bei der akribischen Abnahme, welche alle Autos anstandslos bestanden, gab es dann doch noch einen kleinen Ausreißer. Das Team Homuth/Jung hatte die Lacher auf seiner Seite aufgrund der ?lautstarken? Leistung des 244 ? 88 dB bei der Phonmessung. Währenddessen machte es sich der Service auf dem Campusgelände schon einmal gemütlich. Nun waren es noch drei Stunden bis zum Start. Das Studieren des Aufschriebs sollte einem die Prüfungen, welche nicht abgefahren werden durften, näher bringen. Allerdings hatte man später trotzdem keine Vorstellung wie die Prüfungen aussehen.

 

Endlich erfolgte der Start, schon im Dunkeln. Als erstes Team gingen Knöbel/Fritzensmeier mit dem neu aufgebauten 7er auf die Strecke, gefolgt von Homuth/Jung. Auf der ersten Prüfung, gleich 20 km, wollte man sich auf dem Geläuf vertraut machen und an die Schweden herantasten. Knöbel verbuchte gleich eine sehr gute Zeit, fast eine Minute schneller als alle anderen Deutschen und nur knapp an den Top-15 der Schweden vorbei. Homuth, Clasen und Mayr lagen etwa 1:30 Minuten zurück. Die zweite Prüfung auf einer Trabrennbahn brachte kaum Veränderungen ? Knöbel markierte wieder die deutsche Bestzeit, aber knapp gefolgt von den anderen. Mit den Zeiten der schwedischen Fahrer konnte man hier wieder nicht mithalten.

 

Spannung versprach die dritte Prüfung im nächtlichen schwedischen Wald. Die 24 km sollten laut Aussage der Schweden sehr wellig sein. Knöbel parkte nach gut der Hälfte der Strecke im Schnee: ?Wir kamen durch eine schnelle Links mit Welle, welche uns ausgehebelt hat. Dann sah man nur noch Schnee und irgendwann blieben wir stehen. Glücklicherweise hat uns der Schnee dermaßen gebremst, dass wir nicht in den Wald geflogen sind. An dieser Stelle gab es aber keine Zuschauer oder Streckenposten, die uns beim Schieben und Buddeln helfen konnten. Nach mehr als 20 Minuten konnten wir uns erst aus dem Schnee befreien und die Fahrt fortgesetzen. Leider schafften wir es nicht mehr innerhalb der Karenz zum Service?, so Knöbel.

 

Homuth erging es ?besser?. Er stellte seinen Volvo quer auf die Prüfung, sodass die nachfolgenden Autos nicht passieren konnten und beim Schneeschaufeln mithelfen durften. Der Zeitverlust betrug nur fünf Minuten. Mayr und Clasen hatten keinerlei Probleme auf dieser Prüfung. Den gewaltigsten Ausreißer leistete sich jedoch Schweden-Neuling Andreas Leue. Er geriet nach rund einem Drittel der Prüfung in den Schnee, konnte sich aber befreien. Die anschließende Weiterfahrt sollte nicht allzu lange dauern bis wieder Schnne schaufeln angesagt war. Hilfreich hier war der Schlusswagen, welcher Leue/Piechowski rauszog. Noch konnte die Fahrt fortgesetzt werden. Beim dritten Mal Stillstand im Schnee war dann allerdings aufgrund des großen Zeitverlustes auch für Leue die erste Etappe zu Ende.

 

Die zwei verbliebenden Nachtprüfungen verliefen für die restlichen deutschen Teams ohne größere Probleme. Das Team Mayr/Knöbel zeigte allerdings, dass sie sich aufeinander eingespielt hatten, was man an den Zeiten ablesen konnte. In der deutschen Wertung führte Mayr mit 1,5 Minuten vor Clasen und 6 Minuten vor Homuth. Knöbel und Leue blieben Dank dem Super-Rallye-Prinzip in Wertung und konnten am nächsten Tag restarten. Die Zeitabstände waren nun nicht mehr relevant.

 

Am Samstag kämpfte Knöbel den ganzen Tag mit seinen Reifen. Nach einer WP waren fast alle Spikes abgefahren, so dass kaum noch Grip hatte. Leue fuhr den Rest der Veranstaltung über vorsichtiger als am Vortag, was sich in den Zeiten niederschlug. Homuth sicherte sich eine deutsche Bestzeit, grub sich auf WP 9 aber wieder in den Schnee ein. Der Zeitverlust hielt sich mit 1,5 Minuten allerdings in Grenzen. An dieser Stelle war jedoch ein schon bekannter Helfer zur Stelle ? der Fahrer des Schlusswagens der Rallye in Stugun. Das Team Clasen/Kohrs kam ohne größere Probleme und Schnee schaufeln durch die Rallye. Mayr/Knöbel mussten sich auf WP 10 aus dem Schnee befreien, hatten aber Glück, dass die WP aufgrund eines Unfalls neutralisiert wurde.

 

Somit gewann das Team die interne Deutsche Wertung mit 2:46,8 Minuten vor Clasen/Kohrs (27. Platz gesamt) und belegte den 24. Platz im Gesamtklassement der Volvos. Homuth/Jung belegten mit 7:43,4 Minuten Rückstand den 31. Platz. Leue/Piechowski folgten mit 11:40,5 Minuten Rückstand auf Platz 33. Knöbel/Fritzensmeier wurden mit 26:20,8 Minuten Rückstand 38. und fragten sich derweil ob dieses Super-Rallye-Prinzip überhaupt Sinn macht. Zu den zehn Minuten Strafzeit für die beiden nicht gefahrenen Prüfungen, kam noch die Zeit, welche man für das Schneeschaufeln benötigt hatte ? insgesamt ca. 35 Minuten ?Strafzeit?. Das Team Leue/Piechowski absolvierte eine Prüfung weniger und erhielt lediglich 15 Minuten Strafe. Vielleicht hätte man die Prüfung nicht beenden sollen, aber der Gedanke des Rallyefahrens sollte doch im Vordergrund stehen?

 

Gleich nach der Zielankunft luden alle Teams ihr Rallyeauto auf und man konnte die Fahrt nach Hause angehen. Die Teams Clasen und Homuth nahmen sich einen Tag mehr Zeit und fuhren erst am Sonntagmorgen heim ? vielleicht die bessere Entscheidung vor einem Höllentrip von 36 Stunden Fahrt."

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