Rallye Nordbaden

Zurück in die Zukunft

Nach langer Pause steht die Rallye Nordbaden wieder im Motorsportkalender und hat die deutsche Rallye-Saison eröffnet. Die Renaissance der traditionsreichen Veranstaltung brachte die bunten Quertreiber zurück auf den Hockenheimring und bescherte Rainer Noller und Stefan Kopczyk einen weiteren, am Ende ungefährdeten, Gesamtsieg.

Mehr als zwanzig Jahre nach der vorerst letzten Ausgabe und ohne richtigen Rallyesport wollte man in Nordbaden wieder an alte Zeiten anzuknüpfen. Die alten Zeiten, das war eine Rallye Nordbaden, am 8. September 1973 erstmals ausgetragen, die sich über die Jahre einen guten Ruf erarbeitet hatte. Vor allem in den 80ern und 90ern, damals noch unter Federführung des Rheintal MSC Kirrlach-Wiesental. Genau genommen handelte es sich jetzt bereits um die zweite Wiedergeburt. Die erste geht zurück auf das Jahr 1999, als nach siebenjähriger Pause der ADAC Nordbaden die Ausrichtung übernahm und die Veranstaltung unter Rallye-Leiter Jürgen Fabry, inzwischen seit vielen Jahren Sportleiter des Regionalclubs, zu neuem Leben erweckt wurde. Diese Ära dauerte jedoch nur bis 2002, dann fiel die Nordbaden in einen noch längeren Dornröschenschlaf.

Nun feierte die Rallye also im Jahr ihres 50-jährigen Jubiläums mit einem gänzlich anderen Konzept ihr erneutes Comeback. Während bei der Ur-Version meist nur die letzte WP über den Kleinen Ring oder in einer Variante durchs Motodrom führte, fand die Neuauflage in Form einer Rallye 35 plus einer separaten Retro-Wertung jetzt komplett auf dem Gelände des Hockenheimrings statt. Vorteil: Ultra-kompakt. Knapp 37 WP-Kilometer standen lediglich rund 10 Kilometern Verbindungsetappe gegenüber. Drei Sonderprüfungen, alle etwas mehr als fünf Kilometer lang, waren abgesteckt. Zwei Prüfungen wurde doppelt gefahren, eine dreifach. Somit standen sieben Wertungsprüfungen auf dem Programm. Insgesamt vier Mal war ein Rundkurs zu absolvieren. 

Highlight bei den Teilnehmern wie bei den Zuschauern war die WP „Motodrom“. Hier wurden jeweils vier Runden auf der Rallyecross-Strecke absolviert, die 2015 bis 2017 schon die WRX-Stars unter die Räder nahmen. Dort sorgten auch gleich die Vorausfahrzeuge für ordentlich Spektakel. Nach Thomas Lorenz mit Tochter Larissa im Škoda Fabia S2000 und mit der Doppel-Null unterwegs, führte Oliver Bliss seinen Škoda Fabia R5 mit der Null zum ersten Rollout aus. 

Bei den beiden anderen Prüfungen wurde viel abseits der eigentlichen Rennstrecke gefahren, auf den Rettungs- und Versorgungswegen, mit zahlreichen Abzweigen, engen Ecken und Durchfahrten. „Die Wertungsprüfungen sind wie ein Labyrinth. Immer wieder geht es quer über die Grand-Prix-Strecke auf die engen Seitengassen und über spitze Kehren durch die Leitplanken, die kaum breiter als das Fahrzeug sind. Das ist alles sehr technisch und erinnert doch mehr an eine Slalom- anstatt an eine Rallye-Veranstaltung“, so Nico Otterbach nach der Streckenbesichtigung. Die größte Schwierigkeit bestand darin, hier einen passenden Rhythmus zu finden. 

Den fanden Rainer Noller und Stefan Kopczyk, unterwegs im Opel Corsa Rallye4, offensichtlich am besten. Auf WP 1, der „Parabolika“, mit der zweitschnellsten Zeit um 0,8 Sekunden noch knapp von Michael Bäder und Achim Hausch geschlagen, setzen sie sich ab WP 2 an die Spitze des Feldes. Auch wenn es auf der WP „Nordkurve“ abermals nur für Rang 2 reichte, dieses Mal hinter Kai und Tim Otterbach im BMW M3 E36. Die Brüder waren glänzend aufgelegt und blieben trotz aufkommenden Reifenschadens auch im Motodrom erste Verfolger und weiter in Schlagdistanz. Allerdings war’s dann für die Obersontheimer auch schon vorbei: Von Beginn an gab es Schaltprobleme, der erste und zweite Gang des neuen Getriebes hakte. „Gerade die beiden Gänge, die auf der engen Strecke am häufigsten benötigt wurden.“ Durch den Reifenwechsel und einen Reparaturversuch vor dem Regrouping fängt man sich eine dreiminütige Zeitstrafe ein und beschließt, das Material zu schonen und den M3 aufzuladen.

Die Kohlen holte dann der dritte Otterbach, Bruder Nico, zusammen mit Co Jannik Wagner im BMW 320 iS E30 aus dem Feuer. Nach drei Wertungsprüfungen mit nur 1,4 Sekunden hinter dem brüderlichen Duo und rückten sie durch deren Aufgabe auf Rang 2. Die Prüfungen 4 und 5 gingen an Noller/Kopczyk, die damit ihren Vorsprung auf über 25 Sekunden mehr als verdoppelten. Otterbach/Wagner ließen sich eine zweit- und eine drittschnellste Zeit notieren und bissen sich damit auf Gesamtrang 2 fest. Auch wenn von hinten Ungemach drohte: Ralf und Leon Stütz hatten sich in ihrem Mitsubishi Evo VIII mit ordentlichen Zeiten herangearbeitet und legten beim zweiten Durchgang über die Rallyecross-Strecke nochmal nach. Mit der zweitbesten Zeit nahmen sie Otterbach/Wagner 7,3 Sekunden ab und lagen damit vor letzten WP nun zeitgleich auf Platz 2. Zum Abschluß ging es ein drittes Mal über die winklige „Parabolika“. Nico Otterbach löste die Ziel-Lichtschranke 1,9 Sekunden früher aus als das Vater-Sohn-Duo Stütz und rettete damit Rang 2 und die Familienehre. Ganz vorne war da längst schon alles klar. Aber statt den Vorsprung zu verwalten und gemütlich ins Ziel zu rollen, holten sich Noller/Kopczyk noch ihre dritte WP-Bestzeit und mit über 33 Sekunden den Gesamtsieg. Nollers 132. in seiner Rallyekarriere.

Als „König des Motodroms“ verließ Daniel Rexhausen mit Co Meike Zettl die badische Rennstrecke. Zwei WP-Siege, beide auf dem Rundkurs mit ordentlichem Schotteranteil, das taugte dem Lancer Evo IX natürlich. Am Ende reichte es nur für den 30. Gesamtrang. „Zu viele Fehler, da war mehr drin“, sagt der Mitsubishi-Pilot selbst. Trotz weiterer guter WP-Zeiten, einmal Zweiter, einmal Vierter, verhinderten zwei durchwachsene Prüfungen ein besseres Ergebnis.

Während es bei den Bestzeitlern am Ende um Sekunden ging, wurde in der Retro-Wertung um Zehntel und Hundertstel gekämpft. Gilt es doch, die vorgegebene Sollzeit im Ziel idealerweise ohne Abweichung zu treffen. Nach sechs Prüfungen – die Retros fuhren die „Parabolika“ nur zweimal – ging der Tagessieg dann mit 11 Hundertstel Vorsprung an das Team Andreas Dick und Luca Kiefer (BMW E30), vor den Gesamtsiegern der Retro-Rallye-Serie (RRS) Süd der Jahre 2020, 2021 und 2022 Wolfgang und Fabian Michalsky (Alfa Romeo Giulia). Das Podium vervollständigten Sven Hoßfeld und Frank Huber (Audi A4 V6 Quattro) auf Rang 3 mit weiteren 31 Hunderstel Rückstand. 

Der Kampf um den Sieg war beim Anwärterlauf zur RRS Süd deutlich enger als bei der R35. Nach zwei Dritteln der Prüfungen waren die Plätze in Top 10 zwar bezogen und blieben bis ins Ziel unverändert, jedoch spitzte sich der Kampf um den Gesamtsieg geradezu dramatisch zu. Lagen die beiden Führenden bei den Zwischenergebnissen nach jeder WP höchstens sieben Hundertstel auseinander, trennte sie vor der letzten Prüfung gerade mal ein einziges Hundertstel. Auf der „Parabolika“ hatten dann Dick/Kiefer mit einem Zehntel Vorsprung das bessere Ende für sich und hielten die badischen Seriensieger auf Rang 2.

Natürlich hatten auch die Oldies – viele der Fahrzeugtypen waren in früheren Zeiten der Nordbaden noch auf Bestzeit unterwegs – auf den Prüfungen ihren Spaß, insbesondere auch auf dem losen Geläuf im Motodrom. Neben der kompletten BMW-Fraktion, sorgten vor allem die Pfälzer Johannes Wagner und Thomas Klamerski im Ford Escort Mk2 mit spektakulären Drifteinlagen für große Begeisterung bei den Zuschauern. Apropos BMW: Sowohl bei der R35 wie bei den Retros setzte ein Drittel des Feldes ein Fahrzeug der bayrischen Marke ein. 

Was auffiel, war eine recht hohe Ausfallquote bei den Bestzeitlern. Sie lag bei rund 39 Prozent. Unfälle gab es bis auf zwei kleinere keine, an einigen Ecken und Zäunen gab es geringfügige Kaltververformungen. Größtenteils waren die Ausfälle technisch bedingt. Nach Aussagen einiger Teilnehmer lag es an den vielen engen und eckigen Passagen, die das Material forderten. Insbesondere auf der WP „Parabolika“, die dreimal gefahren wurde. Hier könne man etwas nachbessern und den Streckenverlauf etwas flüssiger gestalten.

In die lange Ausfallliste reihten sich neben den Gebrüdern Otterbach auch die Gesamtsieger der Nordbaden 1999 und 2000, Fritz Köhler und Petra Hägele, ein, die „Funny“ auf WP 3 vorzeitig abstellen mußten. Am Sonntag nach der Rallye war der Motor bereits zerlegt. Fazit: „Ölpumpenrad defekt, Kurbelwelle und Pleuel im… Eimer.“ Eine Woche später war der Motor wieder komplett und eingebaut.

Auf die Frage, ob ihn die Prüfungen etwas an Monza erinnerten, meinte Nico Meyer, Co-Pilot bei seinem Vater Thomas und mit einem Porsche 911 3.2 im Retro-Feld unterwegs, grinsend: „Schlimmer. Weil enger.“ Dennoch lobten am Ende die allermeisten eben doch auch die Streckenführung. „Mal was anderes“. Auch Rainer Noller war von der Strecke begeistert und gab nach der Siegerehrung zu Protokoll, er freue sich, wenn die Rallye auch im kommenden Jahr wieder stattfinden würde.

Das Fazit zur Veranstaltung

Die Rallye Nordbaden 2.0 darf man als durchaus gelungene Premiere im neuen Kleid bezeichnen. Tricky, technisch, herausfordernd – das sind nun nicht die schlechtesten Attribute für eine Rallye. Dazu das gesamte Geschehen konzentriert auf einen überschaubaren Raum. Rallye der kurzen Wege; das gefällt. Auch den Zuschauern, die den Vorteil, überall schnell und mittendrin zu sein, schätzten und nutzten. Natürlich haben die Nordbadener das Konzept, eine Rallye mit einer permanenten Rennstrecke zu kombinieren, nicht erfunden. Wohl haben sie es aber ansprechend adaptiert und umgesetzt. Gelobt wurde insbesondere die Organisation, aber mehrheitlich ebenso die etwas andere Charakteristik.

Ein durchweg positives Fazit zogen auch die Organisatoren. Natürlich war man über den guten Ablauf erleichtert, war das Neue doch auch ein Sprung ins Unbekannte. Nach der Zieldurchfahrt konnte man einen sichtlich erschöpften, aber glücklichen Marcus Maleck treffen. Der Organisationsleiter, gleichzeitig Vorstandsmitglied des ADAC Nordbaden, berichtet von einem problemlosen Verlauf und zeigt sich rundum zufrieden: „Es war ein gelungenes Rallyeevent und soll keine Einzelveranstaltung bleiben. Wir möchten die Rallye hier in Hockenheim wiederholen und in Zukunft dauerhaft fortführen.“ 

Überhaupt freute man sich über sehr viel positives Feedback von allen Seiten. Ebenso über mehrere hundert Zuschauer, manche Quellen berichten von weit über 1.000, die das Spektakel vom Rand der Strecke und auf den Tribünen verfolgten. Auch der große Zuspruch der Teilnehmer und das riesige Interesse seitens der Medien hat die Organisatoren gefreut. Die Maximalzahl von 100 Teams war schnell erreichte und auch die Warteliste wurde immer länger. Gerne hätte man mehr Fahrzeuge zugelassen. Jedoch schränkten Auflagen und Lärmbestimmungen den Zeitplan ein. In Hockenheim gelten strenge Ruhezeiten, Rennstrecke hin, Privatgelände her. 

Alles in allem wertet man die Rallye Nordbaden als Erfolg und eine rundum gelungene Veranstaltung. Durch den Zuspruch bestätigt, wird seitens der Verantwortlichen eine Neuauflage 2024 angestrebt. Am Samstagabend fiel hier und da auch schon „R70“. Gute Idee. Zunächst gilt es jedoch, die Geschichte der Nordbaden überhaupt fortzuschreiben. Der erste Schritt dazu war schonmal ein guter. Einstimmiger Tenor seitens aller, die die Nordbaden 2.0 erlebt haben: Experiment gelungen, Wiederholung dringend empfohlen. Die Zukunft hat begonnen. 

Ergebnis ADAC Rallye Nordbaden 
1.Noller Rainer / Kopczyk StefanOpel Corsa Rally431:07.8
2.Otterbach Nico / Wagner JannikBMW 320 iS E30+33.1
3.Stütz Ralf / Stütz LeonMitsubishi Lancer Evo VIII+35.0
4.Drüge Markus / Noll LinusFord Fiesta R2T+54.3
5.Sier Christian / Kraft FranziskaBMW M3 E36+1:02.0
6.Braun Karlheinz / Schlicht TanjaBMW M3 E36+1:02.9
7.Schumann Max / Lennartz KevinHonda Civic Type-R EP3+1:10.6
8.Naumann Maurice / Heilemann LenaHonda Civic Type-R EP3+1:12.8
9.Kohler Sven / Hinrichs AnnaBMW 320 iS E30+1:21.1
10.Buchhaus Tim / Oberle VanessaSubaru Impreza WRX STi+1:26.0
Ergebnis ADAC Retro-Rallye Nordbaden 
1.Dick Andreas / Kiefer LucaBMW E3000:00,8
2.Michalsky Wolfgang / Michalsky FabianAlfa Romeo Giulia00:00,9
3.Hoßfeld Sven / Huber FrankAUDI A4 V6 Quattro00:01,2
4.Birnbreier Max / Birnbreier TimoLancia Fulvia00:01,3
5.Dietz Sebastian / Dietz DeniseBMW 323ti00:01,5
6.Dick Dominik / Roeder ChristianBMW E30 320i00:02,2
7.Kreim Achim / Teufel MichaelFiat 13100:02,2
8.Kübler Michael / Kübler MichaelaBMW 318ti00:02,6
9.Andorfer Jürgen / Weber AlexanderSeat Ibiza Cupra 2.0 16 V00:03,0
10.Kannewischer Olaf / Kannewischer FabianOpel Corsa B GSI00:03,6

 

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