Toyota-Motorenentwicklung

Mit der Kraft der vier Kerzen

Der Name an der Tür mag sich geändert haben, aber die besten WRC-Motoren kommen noch nimmer aus Köln. Werkstattbesuch bei der Toyota Motorsport GmbH (TMG) bzw. ab sofort: Toyota Gazoo Racing Europe.

In Deutschland entsteht nicht nur der Hyundai i20 WRC, in Köln wird jenes Triebwerk gebaut, mit dem Ott Tänak im Vorjahr Weltmeister wurde. Norio Aoki, verantwortlicher Kopf des Toyota-WRC-Motors, gewährt uns einen Einblick.

„Im Grunde begann es in den Jahren 2010 bis 2012“, so der Japaner und erinnert an das Ende der eigenen Formel-1-Aktivitäten. Der Umbruch war groß. Zu Beginn des Grand-Prix-Engagements arbeiteten knapp 800 Leute bei TMG, danach wurde der Mitarbeiterstamm auf knapp 200 Personen reduziert. Heute arbeiten bei TMG auf einer Grundfläche von 45.000 Quadratmeter rund 300 festangestellte Fachkräfte.

„Es gab größere Veränderungen, vom reinen Formel-1-Team hin zum Forschungs- und Entwicklungszentrum und seit 2012 das Le Mans-Projekt. In der Motoren-Abteilung hatten wir knapp 25 verschiedene Projekte. Eines davon war die Global Race Engine. Das ‚Downsizing’-Thema eines kleinen direkteinspritzenden Vierzylinder-Turbomotors war nach all den V8-, Zehn- oder Zwölfzylinder-F1-Konzepten neu für uns. Bis dato hatten wir bei TMG so etwas noch nicht gebaut. Aber die Global Race Engine war als Universalmotor für allerlei Serien bis hin zur Formel 1 in Diskussion. Grund genug, uns intensiv damit zu beschäftigen.“

Falk Schulkowoski, der 1999 bei TTE anfing, bis 2009 am Formel-1-Triebwerk und später am Le Mans-Triebwerk arbeitete, ist ein Mann der ersten Stunde. Er war beim erste GRE-Konzeptmotor mit der internen Bezeichnung „AD“ ebenso dabei, wie beim weiterentwickelten „RA“ auf dem das heutige Yaris WRC-Aggregat „RB“ basiert.

Die Wandlung ist beachtlich, gerade zwischen dem „RA“ und RB“. Der Cheftechniker erklärt: „Der ‚RA’ war noch als Kundensportmotor für verschiedene Einsatzzwecke konzipiert. Doch nachdem entschieden wurde, dass wir nur einen Werksmotor machen, gingen wir natürlich an die Grenzen.“

Was das heißt, veranschaulicht Chef Aoki an zwei Zylinderköpfen. „Beim ‚RA’ hatten wir noch deutlich massivere Stege mit breiteren Wasserkanälen zwischen den einzelnen Zylindern, als nun beim ‚RB’. Wie bei jedem Rennmotor wurde fortan nicht nur an der Leistung und dem Drehmoment gearbeitet, sondern auch am Gewicht und an der Größe.“

Der ‚RB’ baut wesentlich kompakter auf und ist nicht nur 12 Millimeter schmaler als der ‚RA’, sondern auch um einiges leichter. Um wie viel? „Das weiß ich jetzt gar nicht“, sagt Aoki und lächelt.

Abgesehen vom von der FIA vorgeschriebenen Garrett-Lader, der nach Ankunft bei TMG den klassischen Weg über die Qualitätssicherung nimmt, in der bei konstanter Raumtemperatur alle Einzelteile gewogen und vermessen werden, sind alle anderen Teile in der Toyota-Allee 7 bei TMG gefertigt. In der CNC-Abteilung stehen unter anderem 18 computergesteuerte Fräs- und Drehmaschinen zur Verfügung. Die Arbeitsliste ist lang. Aufträge für über 100 Projekte, mehrheitlich von Toyota, aber auch von Fremdkunden, werden dort neben den Einzelteilen des WRC-Motors produziert.

Hightech wird bei TMG großgeschrieben, nicht nur bei den gefertigten Komponenten, sondern auch bei der Produktionsstätte. Längst werden dort komplexe Teile mit hohem negativen Anteil vom Auspuffkrümmerknoten über Radträger bis hin zu ganzen Zylinderköpfen in verschiedenen Metalllegierungen im 3D-Druck hergestellt.

1.000 Kilometer am Stück

Die Montage der Triebwerke erfolgt im nur wenige Gänge weiter befindlichen Motorenbau, wo den Motorenspezialisten zehn Arbeitsbuchten zum Aufbau oder der Revision der Hochleistungsmotoren zur Verfügung stehen. Je nachdem folgt ein Einlauf auf einem der hauseigenen sechs statischen oder zwei dynamischen Motorenprüfständen, auf denen ganz unterschiedlichste Situationen und ganze Wertungsprüfungen simuliert werden. Was wäre die ideale Test-WP, Col de Turini, El Condor, Ouninpohja? „Nein, es gibt nicht diese eine ultimative Prüfung für den Prüfstand“, sagt Aoki. „Unsere Simulationen sind vielmehr ein Mix, beispielsweise aus schnellen Passagen aus Finnland und sehr langsamen von Sardinien, und insgesamt viel länger als eine normale WP. Bei einem Belastungstest fahren wir meist über 1.000 Kilometer am Stück“, verrät Aoki.

Ein WRC-Motor spult insgesamt zwischen 6.000 und 8.000 WP-Kilometer auf dem Prüfstand ab. Dabei geht es auch weniger um Asphalt oder Schotter. „Rallye hat viele verschiedene Parameter. Bestes Beispiel ist die Monte. Ist es nun trockener oder nasser Asphalt, Eis, Schnee oder doch schon Schotter, mit welchem Reifen? Hier gibt es nicht einfach Training, Qualifying und Rennen. Die Bedingungen und der Grip ändern sich ständig, früh morgens ist es bitterkalt, nachmittags sonnig warm. Rallyeautos beschleunigen, bremsen, fliegen und driften, dafür braucht es das Fahrwerk, den Antriebstrang und die Aerodynamik. Aber vor allem auch den Motor, denn der Fahrer will alles über das Gaspedal steuern“, so Aoki.

Und weiter: „Unser Job ist es, den Fahrern eine Kraftquelle zu liefern, die sie mit ihrem Gasfuß in allen erdenklichen Situationen präzise nutzen können. Mal wünschen sie sich eine schnelle und wuchtige Reaktion des Motors, mal eine sanfte. Da wir ja nicht mehr, als das maximale Drehmoment liefern können, geht es im Grunde darum, wie lange man möglichst viel Drehmoment zur Verfügung hat und wie es sich kontrollieren lässt.“

Andere Parameter und Details die den Erfolg beeinflussen, können wir bei unserem exklusiven Rundgang nur am Rande ansprechen. Zum Beispiel das optimale Motorenöl. „Sehr wichtig“, so Schulkowoski, schließlich ist es das Lebenselixier des Motors und beeinflusst alle wichtigen Parameter wie Reibung, Verschleiß oder Kühlung.“

Am Ende geht es wohl nur noch um Temperaturen. Oder anders gesagt, Hitze ist der Feind von Leistung. Auch deshalb war wohl schon das komplette World Rally Car bei TMG zu Gast, um im Windkanal Kühlungstests zu absolvieren. Verständlich, „das halbe Kühlungssystem ist im Motor, die andere Hälfte ist im Auto“, bringt es Aoki auf den Punkt. Und verrät: „Zur Rallye Monte Carlo bringen wir Step 7“. Bei der neuesten Ausbaustufe des WRC-Motors wurde vor allem an der Luftführung gearbeitet, am, zum, vom und im Motor. „Schlussendlich geht es hier doch um die Verbrennung“, bleibt der Japaner wage. „Die Wege und Geschwindigkeit der Luft sind entscheidend für den Füllungsgrad und die Effizienz des Motors.“

"Ausfallchance 100%"

Dass diese im Toyota Yaris WRC reibungslos laufen, sind auch immer mehrere TMG-Mitarbeiter vor Ort, ob bei Tests oder den WM-Läufen. Neben Motoren-Cheftechniker Falk Schulkowoski und Torsten Lummerich, Rallyemotoren-Einsatzleiter und Spezialist für Applikationen, die sich bei den WM-Rallyes meist abwechseln, schickt TMG pro Werkswagen je einen Motoreningenieur und Mechaniker in den Servicepark. Fragt man dort rum, gelten beim Rallyeauto gemeinhin das Fahrwerk und der Antriebsstrang als die Königskomponenten.

Deshalb eine abschließende Frage an Norio Aoki: Wie entscheidend ist der Motor für den Erfolg? Aoki überlegt keine Sekunde. „Ganz einfach: Die Chance, dass das Auto stehen bleibt, wenn der Motor stehen bleibt, liegt bei 100 Prozent. Dann ist die Rallye vorbei! Dagegen hat jeder schon mal gesehen, dass ein Wagen mit abgerissenem Dämpfer oder defekter Antriebswelle noch weiterfuhr.“

Quelle: 'rallye - Das Magazin' 01/02 2019

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