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Abschied von Klaus Fritzinger

Der Mann mit dem starken Händedruck und dem sensiblen Gasfuß starb mit 78.

„Drecksack – zum Geburtstag gratuliert man nicht!“ – Diesen Ausspruch werden alle vermissen, die Klaus Fritzinger besser kannten und ihm alljährlich am 8. Januar in Kaiserslautern zum Geburtstag gratulierten. Am 9. Januar 2015, nur einen Tag nach seinem 78. Geburtstag starb einer der großen Allround-Sportler nach schwerer Krankheit.

Den Motorsportlern der jetzigen Epoche wird Klaus Fritzinger als Rallyefahrer in historischen Fahrzeugen in Erinnerung bleiben, doch er war weit mehr als das. Seine Sportkarriere hatte er als Fußballer noch in der Zeit eines Fritz Walter begonnen, als es noch keine Bundesliga gab. Er zählte zu den Besten in der Oberliga und Regionalliga. Nach einem schweren Autounfall musste er seine Karriere aber früh beenden und wechselte in den Automobil-Rennsport. Legendär sind seine Erfolge auf Ford Capri, bevor ihn das Rallyevirus erfasste.

Viele Auslandseinsätze, darunter Weltmeisterschaftsläufe mit der Monte und viele andere Einsätze folgten mit verschiedenen Copiloten, die vorher oder nachher zu den Besten ihrer Zunft zählten. Ein Name ist mit Fritzinger aber fest verbunden: Henning Wünsch. „Er hat mir auf der zehn Tage langen Tour d’Europe die gesamte Geschichte Europas mit allen Völkerwanderungen erklärt“, war Fritzinger vom Geschichtswissen des Psychologen auf dem heißen Sitz begeistert. Mit Henning Wünsch gewann Fritzinger dreimal die damals längste Rallye Europas, die nach Afrika, in den vorderen Orient und hinter den Stacheldrahtzaun des Kalten Kriegs führte.

Klaus Fritzinger war gefürchtet und beliebt zugleich. Sein schwerer und dennoch sensibler Gasfuß, sein taktisches Geschick und die gründliche Vorbereitung von Mensch und Maschine waren Garanten für Erfolge. Die Fahrzeuge bereitete er in der Rallye-Werkstatt in Kaiserlautern abends, oder an Sonntagen akribisch vor, während er tagsüber in seinem Toyota-Autohaus Serienfahrzeuge verkaufte.

Durch sein technisches Verständnis, sein Geschick und den Hang zum Perfektionismus brachte Fritzinger wunderschöne und extrem schnelle Toyotas  hervor. Seine Autos sehen immer aus „wie geleckt“. Celica, Corolla und sogar ein superflacher und ultraleichter MR2 mit 220 PS waren seine Spielmobile bis in die 1980er Jahre. Eine ganz große Bühne hatte Klaus Fritzinger alljährlich bei der Rallye Vorderpfalz, dem Rallye-DM-Lauf vor seiner Haustür. 1982 landete er einen ganz großen Coup: Er mietete einen BMW M1 und trat gegen den vermeintlichen Favoriten Bernard Darniche an. Am Ende gewann Harald Demuth auf Audi Quattro, doch Fritzinger wurde trotz einer spektakulären Drehers auf der Königsprüfung Waldleiningen noch Zweiter, Darniche landete auf Platz 9.

Einen seiner letzten Einsätze im echten Rallyesport fuhr er mit der damaligen TV-Moderatorin Stefanie Tücking: 1989 starteten die beiden bei der Himalaya-Rallye in Indien, fielen aber mit Turboladerschaden am Toyota Celica aus. Nur ein Jahr später gewannen dann Stefan und Michael Uhl die Rallye auf einer von Fritzinger-Motorsport vorbereiteten Gruppe-N-Celica, nachdem Fritzinger und Hans-Dieter Stock mit Technikproblemen am Gruppe-A-Auto aufgeben mussten.

Als eine Koryphäe des Rallyesports wurde Klaus Fritzinger zu seiner aktiven Zeit und auch danach von Nachwuchsfahrern angesehen und geschätzt. Viele Talente wurden mit ihm oder durch ihn bekannter. Vor Stefan Uhl waren es auch Michael Gerber und Rüdiger Hahn, die mit Klaus Fritzinger in den großen Sport kamen.

Der Blick über den Tellerrand zeichnete Klaus Fritzinger auch nach der Semi-Profi Karriere aus. Er entwickelte ein Leitschienen-System für Indoor-Kartbahnen, zu einer Zeit, als Kartsport dank der Schumacher-Erfolge immer beliebter wurden, die Strecken aber lediglich durch Reifenstapel begrenzt waren. Seine „Flexytracks“ vertrieb er weltweit.

Mit Klaus Fritzinger hat ein ganz Großer die (Motorsport-)Bühne verlassen. Fans werden ihn als einen Mann vermissen, der stets eine Anekdote zu erzählen wusste. Seine Freunde werden ihren Klaus vermissen, der einen mit einem unnachahmlichen Händedruck begrüßte und sich eigentlich doch freute wenn man ihm zum Geburtstag gratulierte. Auch die Verabschiedung hatte etwas Rituelles: „Wann gehen wir mal ein Eis essen?“ Klaus machte sich nichts aus Alkohol und verabschiedete sich abends um 21 Uhr ins Bett, wenn Serviceleute oder Copilot sich ein zweites Bier bestellten. Dafür mochte Klaus Fritzinger Eis, viel Eis: nur Vanille und Schokolade. Konsequent – das war er. Bis zu seinem Tod einen Tag nach dem Geburtstag! 

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