Gruppe B trifft WRC

Peugeot 205 Turbo 16 und Peugeot 206 WRC

Der legendäre Peugeot 205 Turbo 16 trifft auf seinen Quasi-Nachfolger, den Peugeot 206 WRC. Eine kleine Erinnerung an die „Heydays“ des Rallyesports.

Heydays, die. Zyklisch wiederkehrenden Zeitabschnitte, die für wahre Highlights in Sachen Spannung, Action, Starterfeldern, Konkurrenz oder Technik-Innovationen sorgten. Die wohl maßloseste Zeit von allen, das war jene der Gruppe-B-Monster, jener 500 PS starken Allradgeräte, die den Rallyesport in den frühen Achtzigerjahren an seine Grenzen führten. Ford RS200, Lancia Delta S4, MG Metro 6R4, Audi S1 oder Peugeot 205 Turbo 16 hatten mit ihren Serienbrüdern ungefähr so viel gemein wie ein Krampuskränzchen der katholischen Jungschar mit einer Party in Hugh Hefners Playboy Mansion.

Mit waschmaschinentrommelgroßen Turboladern, Kompressoren und Wassereinspritzung rückte man den Serienmotoren in immer kürzeren Abständen zu Leibe, immer weitere Eskalationsstufen wurden – dank der Vorgabe, dass nur 20 Serienfahrzeuge zur Homologation von sogenannten Evolutions-Weiterentwicklungen gebaut werden mussten – in immer kürzeren Abständen auf die Rallye-Pisten geschickt. Wie das aussehen konnte, wenn die Rennsport-Ingenieure der großen Werke freie Hand hatten, lässt sich am Beispiel des Peugeot 205 Turbo 16 ganz ausgezeichnet nachempfinden.

Die Franzosen gingen so konsequent wie möglich an die Sache heran, entwickelten zuerst ein Wettbewerbsfahrzeug, und erst danach das Serienfahrzeug. Auf technische Ähnlichkeiten mit dem eigentlichen Peugeot 205 verzichtete man großzügig. So entstand aus dem Brot-und-Butter-Frontmotorkleinwagen ein Gitterrohrrahmen-Prototyp mit turboaufgeladenem Mittelmotor, Allradantrieb und Plastikkarosserie. Peugeot Talbot Sport zeichnete für den Aufbau verantwortlich, der Karosseriebauer Heuliez fertigte die Basis aus direkt dem Fließband entnommenen Serienkarossen an. Im Laufe der Zeit ließ Peugeot auch eine zweite Evolutionsstufe konstruieren und homologieren, die Leistung wuchs von der Geburt des 206 Turbo 16 bis zum Ende der Gruppe B im Jahre 1986 und dem 206 Turbo 16 Evo 2 von ca. 350 auf knackige 530 PS an.

Das zweite Leben des 205

Wobei: Ganz am Ende war man auch da noch nicht angelangt, schließlich modifizierte man den Rallye-205er in den Jahren danach noch für die Rallye Dakar (wo Ari Vatanen und Juha Kankkunen 1987 und 1988 je einen Sieg einfahren konnten), das legendäre Bergrennen am Pikes Peak (wo Ari Vatanen allerdings erst 1989 mit dem Nachfolgemodell namens Peugeot 405 Turbo 16 gewinnen konnte, allerdings mit der bewährten 205er-Technologie unter der Karosse) und bis 1992 für die Rallycross-Europameisterschaft.

Doch zurück zum Rallyesport. Die Gruppe-B wurde und wird ja oft als die Zeit des Audi S1 gepriesen. Um kaum ein Automobil der Rallyegeschichte ranken sich dermaßen viele Legenden, was zu einem guten Teil wohl den nicht minder legendären Chauffeuren der Ingolstädter Allradmonster geschuldet sein dürfte, allen voran Deutschlands Altmeister Walter Röhrl.

In Wahrheit waren die Franzosen mit ihrem 205 Turbo 16 allerdings erfolgreicher als die deutsche Konkurrenz: Zwar konnte Stig Blomqvist als Speerspitze im Jahre 1984 den Fahrer- und Konstrukteurs-WM-Titel sichern, doch die Jahre 1985 und 1986 standen ganz im Zeichen des Peugeot beziehungsweise dessen finnischer Piloten.

Erster Sieg in Finnland

1985 war es Timo Salonen, der seinen einzigen WM-Titel am Steuer des französischen Gruppe-B-Fahrzeugs erzielen konnte, ein Jahr später gewann Juha Kankkunen den ersten seiner insgesamt vier WM-Titel mit dem 205er. In beiden Jahren sicherte sich Peugeot selbstredend auch den Marken-WM-Titel. Den ersten Gesamtsieg eines Peugeot 205 Turbo 16 in der Rallye-Weltmeisterschaft sicherte Ari Vatanen, der mit Co Terry Harryman die 1.000-Seen-Rallye in Finnland gewinnen konnte – mit 31 von 51 möglichen Bestzeiten auf einer damals noch wirklich langen Rallye.

Die Bilanz des aggressivsten aller „Löwen“ liest sich dann auch wie eine einzige, große Erfolgsgeschichte: 1984 gewann man drei von fünf absolvierten WM-Läufen, 1985 sieben von elf und im Jahre 1986 triumphierte man bei sechs von 13 Rallyes. Macht insgesamt 16 WM-Siege – und natürlich unzählige Erfolge auf nationaler Ebene. Womit sich der Kreis zu eben jenem Peugeot 205 Turbo 16 schließt, der in Saalfelden neben seinem Quasi-Nachfolger, dem Peugeot 206 WRC glänzt.

Mouton siegt in Deutschland

Das Auto aus den Beständen von Peugeot Deutschland sicherte 1985 den deutschen Meistertitel für die Franzosen, gesteuert wurde es dabei vom Schweden Kalle Grundel und Co-Pilot Peter Diekmann beziehungsweise Klaus Hopfe. Den erfolgreichen Abschluss in Deutschland schaffte übrigens niemand geringerer als Michèle Mouton, die mit Co Terry Harryman im Jahre 1986 den letzten nationalen Titel vor der Verbannung der Gruppe B aus dem Rallyesport eroberte – und damit auch den letzten vor dem Rückzug von Peugeot aus dem internationalen Rallyesport.

Dreizehn Jahre sollten vergehen, ehe man wieder einen Löwen auf den Prüfungen brüllen hörte. 1999 kehrte Peugeot mit dem Modell 206 WRC in den Rallyesport zurück und hatte in der soeben beginnenden WRC-Ära einen holprigen Start. François Delecour, Gilles Panizzi und Marcus Grönholm traten in wechselnder Zusammensetzung bei insgesamt sechs WM-Läufen, neben vielen Ausfällen zeugte allerdings ein zweiter Platz hinter dem späteren Weltmeister Tommi Mäkinen und dessen Mitsubishi Lancer Evo VI bei der Rallye San Remo vom Potential des Junglöwen. Von den technischen Verrücktheiten der Gruppe-B-Ära und den damals gewonnen Erfahrungen konnte man bei Peugeot indes nicht mehr profitieren. Die strengen Regeln der FIA brachten für alle Hersteller die mehr oder weniger gleichen technischen Voraussetzungen.

Statt grobschlächtigem Leistungsdenken waren in der Rallye-Neuzeit vor allem Motor- und Differenzial-Chirurgen gefragt. Und solche hatte Peugeot offenbar bei der Hand, wie die versammelte Konkurrenz – zu diesem Zeitpunkt durch Mitsubishi (Lancer Evo VI), Subaru (Impreza WRC), Ford (Focus WRC), Seat (Córdoba WRC), Škoda (Octavia WRC) und Hyundai (Accent WRC) zumindest zahlenmäßig eindrucksvoll vertreten – bereits ab der Saison 2000 schmerzlich erfahren musste.

Marcus Grönholm holte nämlich gleich in der ersten vollen Saison mit genau dem von uns fotografierten Fahrzeug den Fahrer-WM-Titel, wenngleich mit hauchdünnen fünf Punkten Vorsprung auf den unvergessenen Richard Burns im Subaru Impreza WRC. Und auch der Konstrukteurs-WM-Titel ging – unter tatkräftiger Mithilfe von François Delecour und Gilles Panizzi – an Peugeot.

Doch nicht nur die zweifellos großartige Ingenieursleistung in Sachen Motor, Getriebe und Differentialen sicherte Peugeot einen Vorsprung auf die Konkurrenz. Den entscheidenden Schachzug vollbrachten die Franzosen wohl erst durch die richtige Wahl des Fahrzeugs. Der Kleinwagen 206 brachte die geradezu idealen Voraussetzungen für den Einsatz in der Rallye-WM mit: Er war dank homologierbaren Stoßfänger-Verlängerungen vorne und hinten samt einem ebensolchen, riesenhaften Heckspoiler aerodynamisch gut genug, aufgrund seiner kompakten Bauweise aber vor allem wesentlich wendiger und agiler als ein Gutteil der Konkurrenz, die mit ihren Limousinen den Zug der Zeit verpasst hatten.

Ein Schelm, der beim Blick auf unsere Fotos der beiden Fahrzeuge Böses denkt. Doch wäre es kein Wunder, hätte sich Peugeot bei der Auswahl des geeigneten Basismodells nicht tatsächlich der eigenen Stärken früherer Zeiten besonnen und zu Recht an die Erfolge des ebenso kompakten wie erfolgreichen 205 Turbo 16 in den Achtzigerjahren zurückgedacht.

Die perfekt funktionierende Kombination aus 206 WRC und Marcus Grönholm war darüber hinaus ein weiterer Grund für die Erfolge, die Peugeot auch 2001 und 2002 feiern durften. In beiden Jahren waren der Finne und sein französisches Arbeitsgerät nicht zu schlagen, somit gab es in drei aufeinanderfolgenden Jahren jeweils beide Titel für den Hersteller aus dem PSA-Konzern.

Doch wie so oft im Motorsport saß der größte Konkurrent von Peugeot im eigenen Boot. Die im französischen Firmengeflecht politisch starke Citroën-Fraktion wollte das mittels Sporterfolgen perfekt funktionierende Marketing für sich genützt wissen und erzielte dank eifrigem Technologietransfer vom Peugeot 206 zu dem in der Saison 2001 erstmals eingesetzten Xsara WRC sehr schnell die ersten Erfolge. Platz zwei bei der Rallye San Remo zum Beispiel, was erinnerte da bloß an das Jahr 1999? Der Name des Zweitplatzierten: Ein gewisser Sébastien Loeb. 2003 verhinderte dann Subaru-Pilot Petter Solberg in einem wahren Herzschlagfinale den ersten WM-Titel von Loeb, bei den Herstellern lag Citroën zu diesem Zeitpunkt aber schon voran.

Ab 2004 gab es für die französische Kombination dann kein Halten mehr (sieht man von den Konstrukteurs-WM-Titeln für Ford in den Jahren 2006 und 2007 einmal ab). Der 2004 eingeführte Peugeot-206-Nachfolger auf Basis des Peugeot 307 CC war leider nicht viel mehr als ein Marketing-Gag, floppte nachhaltig und endete nach dem unrühmlichen Zerwürfnis mit Star-Pilot Marcus Grönholm nur ein Jahr später im Rückzug aus der WM.

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