Anders als in Italien, Spanien oder Skandinavien spielt der Sport mit historischen Rallye-Fahrzeugen – nach FIA-Anhang K – in Deutschland nur eine winzige Nebenrolle. Vor zwölf Jahren gastierte die Europameisterschaft mal im Saarland,vor fünf Jahren fand mit Legends of Speed die letzte reine Histo-Rallye in Deutschland statt. Jetzt ist es der ADMV-Lausitz-Rallye gelungen, einen Lauf zur historischen Europa-Meisterschaft nach Deutschland zu holen. Trotz einer gewissen Skepsis gegenüber den harten Pisten in der Lausitz starten 18 Teams, darunter sogar fünf aus Deutschland. Sie absolvieren die gleiche Strecke wie die „modernen“ Autos, also 12 Wertungsprüfungen über 168 km, davon 138 km auf Sand und Schotter.
Jari Latvala und Kari Mustalahti starten mit Nummer 1 in einer Toyota Celica GT-4 aus dem Jahr 1987. Das ehemalige Werksauto hat Jari-Matti Latvala vor zwei Wochen bei einer kleinen Rallye in Finnland erstmals getestet und dabei Platz 2 erobert – zwischen zwei R5-Rennern. Auch sein 60-jähriger Vater lässt es krachen: Gleich auf der ersten Prüfung, 15 km durch die Arena, fährt er nicht nur die Bestzeit, sondern verbläst den Zweitplatzierten Janne Westlund um 25 Sekunden.
Der schwedische Volvo-242-Pilot Westlund zählt zu den bekanntesten Schotter-Experten in der Histo-Szene, genau wie der Finne Mika Turkki, der im heckgetriebenen Ford Sierra Cosworth weitere zehn Sekunden einbüßt. Beide Verfolger fallen schon in WP 3 mit Schäden an der Hinterachse aus. Heftiger verabschiedet sich der italienische Ex-Europameister Lucio da Zanche, der den Porsche Carrera in der WP 2 mit der Beifahrerseite in den Mulkwitzer Wald feuert und das rechte Hinterrad abreißt. Der zweite Porsche, gefahren vom Finnen Pentti Veikkanen, hat nun die Vize-Europameisterschaft vor Augen; doch ein technischer Defekt stoppt seine Fahrt auf WP 5.
Durch die Ausfälle rutschen die beiden besten deutschen Teams auf die Ränge 2 und 3. Holger Knöbel hat extra für die Lausitz-Rallye den vor 18 Monaten in Sulingen lädierten Volvo 242 gestreckt und gerichtet. Mit Alexander Hagenbuchner wuchtet er das Schweden-Taxi am Freitagabend auf Platz 2, wenn auch mit 2:53 Minuten Rückstand auf Latvala. Als Dritte erreicht das saarländische Ehepaar Thomas und Martina Schulz im Ford Escort RS 1800 das Etappenziel.
Latvala hat freitags alle vier Bestzeiten gesetzt und reiht auch am Samstagmorgen Bestzeit an Bestzeit – seine 60 Jahre merkt ihm niemand an. Bis zur Mittagspause nach WP 8 hat er den Vorsprung auf fast fünf Minuten ausgeweitet. Allerdings ist am Toyota der linke vordere Stoßdämpfer gebrochen, so dass er das Tempo drosseln muss. Vor der letzten Prüfung beträgt der Vorsprung von Jari Latvala und Kari Mustalahti satte 5:20 Minuten. Doch als sie von der Zeitkontrolle zum Start vorziehen wollen, rührt sich nichts. In der Parc-Fermé-Zone dürfen sie nicht am Auto arbeiten. Die Mechaniker stellen später fest, dass ein Kabelbruch zwischen Lichtmaschine und Anlasser den Ausfall verursacht hat.
Holger Knöbel und Alex Hagenbuchner, deren Mechaniker mehrmals die Volvo-Hinterachse „nachbessern“ mussten, fahren einen glücklichen, aber verdienten Sieg nach Hause. Freude auch bei Thomas und Martina Schulz, die eine blitzsaubere Leistung zeigen und nur ein Problem beklagen: Die Soft-MS sind zu schnell wegradiert.
Das ungarische Ehepaar Laszlo und Edit Mekler in 1971er Alfa Romeo verpasst einen Abzweig, erreicht 50 Meter später wieder die Prüfung, lässt aber zwei WP-Kilometer aus; die Sportkommissare verhängen dafür zehn Strafminuten, genau wie für den Vize-Europameister Sverre Norrgard, dem der gleiche Fehler unterläuft. Während viele schnelle Skandinavier ihre Fahrzeuge überfordern, kämpfen die „Kleinen“ tapfer, bleiben manchmal für eine Weile stehen - der 1966er Wartburg 312 nach Plattfuß auf WP 5 für neun Minuten -, rollen aber schließlich durch den Zielbogen.
Die erste Histo-Rallye findet eine halbe Stunde vor dem „modernen“ Feld statt und läuft auf die Minute pünktlich ab. Sie kommt bei den Zuschauern gut an, die Fahrer würden gern bei einer Neuauflage auf eine Runde in der Arena und auf die Mulkwitz-Prüfung verzichten.
Int. ADMV-Lausitz-Rallye Historic
1. | Holger Knöbel / Alex Hagenbuchner | Volvo 242 | D-4 | 2:00:05,6 |
2. | Thomas Schulz / Martina Schulz | Ford Escort RS 1800 | D-3 | +1:25,7 |
3. | Stefan Helin / Annie Seel | Opel Ascona A 1.9 | C-3 | +3:37,7 |
4. | Heikki Viljänen / Antti Pellinen | Audi Quattro A2 | E-6 | +18:38,3 |
5. | Teemu Koivisto / Pasi Kahelin | Mercedes 280 CE | D-4 | +19:08,6 |
6. | Laszlo Mekler / Edit Mekler | Alfa Romeo 1750 GT | C-3 | +20:11,2 |
7. | Sverre Norrgård / Jouni Saarijärvi | BMW 2002 TI | B-4 | +30:39,4 |
8. | Gerd Sonntag / Olaf Rachner | Mitsubishi Lancer 1.6 | D-2 | +30:56,8 |
9. | Villu Mättik / Mait Mättik | Lada VFTS | E-5 | +36:02,3 |
10. | Carlo Fiorito / Ilario Pellegrino | BMW 2002 TI | B-4 | +44:13,2 |
11. | Pekka Anttalainen / Antti Hietaniemi | Skoda Felicia | A-2 | +48:01,9 |
12. | Holger Stracke / Maik Böttger | Wartburg 312 | B-1 | +57:38,8 |