Liebesgeschichte ohne Happy End

Die Rallye-Geschichte von Toyota

Ove Andersson und Toyota schienen sich gesucht und gefunden zu haben. Dank des Schweden wurde Toyota die erste japanische Marke, die flächendeckend mit den Europäern mithalten konnte. Wir blicken zurück auf die Höhen und Tiefen des ungleichen Traumpaares.

<strong>GEBALLTE KRAFT:</strong> Toyota prägte den Rallyesport über viele Jahre, Teamchef Ove Andersson war legendär

Selten ist die Rallyegeschichte eines Herstellers so eng mit einer Person verbunden wie die von Toyota mit Ove Andersson. Im Nachhinein könnte man meinen, der Schwede hätte den japanischen Konzern erst darauf aufmerksam gemacht, dass es so etwas wie den Rallyesport überhaupt gibt. Das entspräche jedoch nicht ganz der Wahrheit. Aber es war zweifelsohne Andersson, der den Japanern beibrachte, dass ihre Produkte auf den Prüfungen dieser Welt eine gute Figur abgeben können, dass sie Rallyes und sogar ganze Weltmeisterschaften gewinnen können. Bis dahin war es jedoch ein langer und steiniger Weg. Aber der Reihe nach.

Es war im Januar 1970, als Toyota erstmals im Rallyesport in Erscheinung trat. Bei der Rallye Monte Carlo startete die Mannschaft mit zwei Corona Mk2, wobei es sich nicht um die Weiterentwicklung eines mexikanischen Bieres sondern um eine zweitürige Limousine mit einem Zweiliter-16V-Motor handelte. Für den Werkseinsatz verpflichtete Toyota sogar den 1968er-Monte-Sieger Vic Elford. Der britische Allrounder kam jedoch nicht weit, ein Differenzialschaden beendete seine Fahrt, und auch Teamkollege Jan Hettema fiel vorzeitig aus. Selbst die für ihre Bescheidenheit bekannten Japaner konnten mit diesem Ergebnis nicht zufrieden sein.

Der nächste erwähnenswerte Auftritt der Marke war die RAC Rallye 1972, und hier begann die Liaison zwischen Toyota und Ove Andersson. Gewiss gab es beim ersten Date einige Anlaufschwierigkeiten, aber letztlich führten die ersten gemeinsamen Stunden zu einem erfreulichen Ergebnis. Andersson brachte die zurückhaltende Toyota Celica TA22 mit ihren gerade einmal 150 PS derart auf Touren, dass am Ende Platz Neun und der Klassensieg heraussprangen. Viel wichtiger war jedoch: Die Chemie zwischen Andersson und Toyota muss gestimmt haben. Der Mann aus Uppsala hatte zunächst zwar noch einige Bindungsängste – 1973 bandelte er parallel noch mit Alpine, Fiat und Peugeot an –, entschied sich letztlich aber für eine Zukunft mit der japanischen Marke. 1974 zog das Paar Andersson/Toyota aus seinem schwedischen Hinterhof im Örtchen Täppudden nach Brüssel in ein größeres und moderneres Domizil. Im selben Jahr ging die junge Liebe auch eine feste Bindung ein und verschmolz zum Toyota Team Europe. 

Familienfoto anno 1983: Zu Beginn der Gruppe B waren in Köln nur 20 Mann beschäftigt

Die gemeinsamen Aktivitäten waren da schon in vollem Gange. 1973 hatte Andersson die Akropolis, die Alpenfahrt und die RAC auf einer Celica TA22 bestritten, Platz Acht in Österreich war dabei das beste Resultat. Ab der RAC 1973 setzte Andersson parallel auch die Corolla Levin ein. Das Kompaktmodell hatte den 1,6-Liter-Motor aus der Celica (ab der RAC 1974 sogar als Vierventiler) und war gleichzeitig leichter und kürzer – damit war die Corolla offensichtlich die bessere Alternative. Das zeigte sich 1975 mit Platz Drei in Portugal 1975 und besonders bei der 1000 Seen Rallye, wo Hannu Mikkola überraschend den Gesamtsieg einfuhr. Für Toyota war dies aber nicht der erste Sieg in der noch jungen Weltmeisterschaft. 1973 hatte der Kanadier Walter Boyce in einem ähnlichen Modell die Press on Regardless gewonnen. Der Finnland-Sieg nimmt jedoch einen ganz anderen Stellenwert ein, denn es war der erste von TTE und der erste gegen die starke Konkurrenz aus Europa.

Anderssons Faible für die Corolla führte jedoch auch zum ersten größeren Zoff in der Ehe mit den Japanern. Während der Blondschopf auf Einsätze mit dem Kompaktmodell drängte, wollte Toyota unbedingt die sportliche Celica in den Wettkampf schicken und setzte sich schließlich auch durch. Mit der RAC 1976 ging die kurze und erfolgreiche Ära der Corolla Levin zu Ende. Die Celica sollte die kommenden 20 Jahre das Gesicht von Toyota in der Rallye-WM prägen. Immerhin hatte es mittlerweile ein Upgrade der Celica gegeben. Die Facelift-Version RA20, die 1976 in Portugal ihr Debüt gefeiert hatte, verfügte über einen Zweilitermotor und später auch über einen Twincam-Zylinderkopf, der die Leistung auf 240 PS hochschraubte. RA20 errang keine Siege, brachte Toyota dafür aber 1976 und 1977 vier Podestplätze.

Das 1979 eingeführte Nachfolgermodell RA40 (erst mit runden, ab 1980 mit eckigen Frontscheinwerfern) hatte sehr ähnliche Eckdaten und war genauso erfolgreich. Von 1979 bis 1982 gab es vier Podestplätze, ein Sieg war jedoch auch RA40 nicht vergönnt. Wer in unserer Ahnengalerie zudem die Celica RA45 entdeckt hat und sich fragt: Was war denn eigentlich mit diesem Modell? RA45 war die Fließheck-Version von RA40 und wurde bei genau einer Rallye eingesetzt: an der Elfenbeinküste 1979, wo Ove Andersson hinter einem Mercedes-Quartett Fünfter wurde. Für die Mannschaft von TTE war dies auch der letzte Einsatz mit belgischem Kennzeichen. Im Frühjahr 1980 bezog das Toyota Team Europe erneut ein neues Zuhause. In Köln-Marsdorf hatte sich das Ehepaar Andersson/Toyota eine hochmoderne und geräumige Residenz bauen lassen, um dort gemeinsam alt zu werden. Zum Jahresende 1980 hängte Andersson zudem seinen Helm an den Nagel, um sich ganz auf die Leitung seiner 20 Mann starken Truppe zu konzentrieren.

1982 kam wieder eine neue Celica auf den Markt, und dazu wurde in der kölschen Werkstatt  auch das passende Rallyeauto mit der Typennummer RA63 gefertigt. Die neue Generation brachte Anderssons Truppe endlich den lang ersehnten ersten Sieg mit der Celica – wenn auch begünstigt durch einen kleinen und nicht ganz regelkonformen Trick. Für die Rallye Neuseeland 1982 hatten die Mechaniker den Frontmotor um ein paar Zentimeter nach hinten verlegt, was das Handling des sonst so kopflastigen Japaners entscheidend verbesserte. Die Celica-Piloten Björn Waldegård und Per Eklund siegten vor Walter Röhrl im Ascona 400, der von den Veranstaltern später einen Pokal mit der Aufschrift „Dem wahren Sieger“ bekam. Platz Zwei und Drei an der Elfenbeinküste rundeten eine aus Toyota-Sicht gute Saison ab.

Gruppe-B light

Dann kam die Gruppe B. Audi hatte den Quattro, Lancia den 037 und Peugeot stand mit dem 205 T16 in den Startlöchern. Und was gab es Neues bei Toyota? „Ich habe um Allradantrieb gebeten, und das hier habe ich bekommen“, wurde Andersson bei der offiziellen Präsentation der Celica Twincam Turbo zitiert, ein glücklicher Ehemann klingt anders. Der Gruppe-B-Toyota hatte das, was der Name versprach – sprich, einen Zweiliter-Twincam-Motor mit Turboaufladung. Mehr nicht. Kein Allrad, kaum Leichtbaumaterialien und auch keine Extras in puncto Kraftübertragung oder Aufhängungen. Eigentlich war die Celica chancenlos – wenn es da nicht einen Kontinent gegeben hätte, wo die Uhren ein wenig anders tickten.

Die Celica war robust, servicefreundlich und dank der 400-Turbo-PS außerordentlich schnell, wenn ihr nicht allzu viele Kurven im Weg waren – so wie in Kenia oder an der Elfenbeinküste. Da die Quattros und 037er regelmäßig zerbröselten und sich Peugeot seine Krallen verbrannte, avancierte Toyota zum unangefochtenen „König von Afrika“. Sechs Starts, sechs Siege – so die Afrika-Bilanz von TTE zum Ende der Gruppe B.

Dabei hatte sich Anderssons Mannschaft gedanklich schon früh von der Gruppe B verabschiedet und der ab 1988 geplanten Gruppe S zugewandt. Statt 200 mussten bei der neuen Formel nur 20 Fahrzeuge gebaut werden. Bei diesen Eckdaten ließen sich sogar die sparsamen Japaner dazu hinreißen, eine Spezialkonstruktion aufzusetzen. Die ersten beiden Prototypen mit der Typenbezeichnung 222D auf Basis des MR-2 waren gerade auf dem Weg von Japan nach Europa, als die Gruppen B und S beerdigt wurden. Ein zweiwöchiger Test in Schottland blieb die erste und letzte Ausfahrt der schwarzen Mittelmotor-Allradlers.

Für die Gruppe A gab es aus Köln zunächst nur eine Notlösung. Die lange und übergewichtige Supra hätte sich sogar mit vier angetriebenen Rädern im wahrsten Sinne des Wortes schwer getan, den Lancia Delta in Gefahr zu bringen. Der Dreiliter-Sechszylinder lieferte seine Kraft jedoch nur an die Hinterachse und konnte selbst mit dem zur Elfenbeinküste 1987 eingeführten Turbo und satten 450 PS (man beachte, dass die 300-PS-Regel gerade eingeführt worden war) keinen Blumentopf gewinnen.

Positive Nachrichten gab es nur hinter verschlossenen Türen, wo TTE an einem richtigen Delta-Gegner arbeitete. Der hörte natürlich auf den Namen Celica, hatte aber sonst wenig mit seinen Vorfahren gemeinsam. Statt einer klobigen Limousine gab es einen flachen Sportwagen mit quer eingebautem Motor und endlich auch mit Allradantrieb. Der von Opel verpflichtete Chefentwickler Karl-Heinz Goldstein sorgte dafür, dass die Celica GT-Four (Typennummer ST165) mit dem revolutionären XTrac-Getriebe mit hydraulischem Zentraldifferenzial ausgestattet wurde. Die Celica brauchte nach dem Debüt auf Korsika 1988 ein Jahr Anlaufzeit, war dann aber das erste Auto, das den Lancisti Sorgenfalten in die Stirn hämmerte. Die Celica ST165 gewann von 1989 bis 1991 insgesamt 13 WM-Läufe (einer davon ging auf das Konto von Armin Schwarz) und verhalf Carlos Sainz 1990 zum Weltmeistertitel – übrigens der erste Titel, der nicht an einen europäischen Hersteller ging.

Celica der Siegertyp

Die Sorgenfalten der Konkurrenz verwandelten sich durch das Nachfolgermodell, die Celica Turbo 4WD (ST185), sogar zu Furchen. Wenn es so etwas wie den ultimativen Siegertyp von Toyota gab, dann war es die zweite Gruppe-A-Celica. Lassen wir die Zahlen für sich sprechen: Von 1992 bis 1994 kam die Celica Turbo 4WD auf 16 Siege bei vollständigen WM-Läufen, zusätzlich stand Toyota bei drei Rallyes zur Zweiliter-WM ganz oben auf dem Siegerpodest. Carlos Sainz, Juha Kankkunen und Didier Auriol wurden in dem Auto je einmal Weltmeister, Toyota räumte als Hersteller zwei Titel ab.

In diesen Jahren erlebte das Ehepaar Andersson/Toyota seine glücklichste Zeit. Die Geldsorgen des Schweden hatten sich mit zunehmendem Erfolg schon lange erübrigt. Aus dem Familienbetrieb war ein Imperium geworden, für das mittlerweile 350 statt ursprünglich 20 Mann arbeiteten. 1993 beispielsweise ging TTE mit vier Rallyeautos, 18 Servicewagen und 100 Mann auf Afrika-Exkursion, um den für Japan so wichtigen Safari-Sieg zu erobern.

Doch mit der Celica GT-Four (ST205) war die sorgenfreie Zeit auf einen Schlag vorbei. Die Schwachstellen war die Größe und die Vorderradaufhängung. Zudem wurde Toyota seines Leistungsvorteils im Motorenbereich beraubt, als die FIA die Restriktorgröße von 38mm auf 34mm beschnitt. Um sich an der Spitze des Feldes zu behaupten, griff Toyota wie 1982 in Neuseeland in die Trickkiste mit den verbotenen Mitteln. Ausgerechnet die harmlose SuperSpecial im australischen Perth wurde TTE zum Verhängnis, wo die Celica im Parallelspurt deutlich schneller beschleunigte als der Impreza, Lancer oder Escort. In Katalonien untersuchte die FIA den Restriktor und entdeckte einen Mechanismus, der den Begrenzer umging und 25 Prozent mehr Luft in den Turbolader ließ als erlaubt. Toyota wurden für 1995 alle Punkte aberkannt und für 1996 in der WM gesperrt. Das Ende von Toyota im Rallyesport?

Nein. Bei der Rallye Finnland 1997 brachte Toyota erstmals sein neues World Rally Car an den Start. Diesmal erfüllte die japanische Marke ihrem Herzbuben Andersson sogar den Wunsch, die kompakte Corolla als Basis nehmen zu dürfen. Das WRC ist fast schon ein bisschen zu klein für den Zweiliter-Turbomotor mit all seinen Zusatzkomponenten, aber immerhin groß genug für einige technische Highlights wie die „Joystick“-Gangschaltung oder aktive Differenziale. Technisch war die Corolla seinen Gegner einen kleinen Schritt voraus und sie hätte 1998 auch beide Titel eingefahren, wenn das Toyota-Triebwerk im Auto von Carlos Sainz bei der RAC Rallye nicht 300 Meter vor dem Ziel der letzten WP in Rauch aufgegangen wäre. Immerhin reichte es ein Jahr später noch zum Markentitel. 

Als Carlos Sainz das neue Weltmeisterauto auf der Zielrampe in Australien mit Champagner besprühte, waren in Köln schon längst die Weichen in Richtung Zukunft gestellt worden. Nach vielen Jahren im Rallyesport hatten Andersson/Toyota auf der Rundstrecke eine neue Herausforderung gefunden. Die Formel 1 war das große Ziel der schwedisch-japanischen Liaison. Vorher gab es einen kleinen Umweg über Le Mans, wo TTE 1998 und 1999 parallel zum WRC-Projekt an den Start ging und den Sieg beide Male knapp verpasste. 

Der Einstieg in die Formel 1 tat der langjährigen Beziehung zwischen Andersson und dem japanischen Hersteller allerdings nicht gut. 2003 – nach zwei Saisons im Grand-Prix-Sport – wurde der Blondschopf aus Uppsala als Chef des Teams abgelöst. Ove blieb der Mannschaft noch vier Jahre als Berater erhalten, ehe er sich komplett von Toyota verabschieden musste. Die Scheidung des früheren Traumpaares brachte für beide Parteien Tränen. Andersson durfte seine ehemalige Firma am Ende nur noch mit einem Besucherausweis betreten, zog nach Südafrika und verunglückte dort 2008 bei einer historischen Rallye tödlich. Toyota verabschiedete sich nach acht erfolglosen Jahren aus der Formel-1. 

Quelle: rallye - Das Magazin, Ausgabe 09/10 2011 

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