Rallye Ba-Wü

Schwäbische Turbulenzen

Meldungen über schwere Unfälle, WP-Abbrüche und -Verkürzungen überschatten die Rallye Baden-Württemberg. Rallye-Mag fragte nach bei Alfred Gorny, der die Veranstaltung als Sprecher und Beobachter erlebte.

<strong>PROBLEME:</strong> Die DRM-Premiere der Rallye Baden-Württemberg verlief alles andere als optimal

Die ADAC-Rallye Baden-Württemberg hat viele Negativ-Schlagzeilen ausgelöst. Herrschte auf der Schwäbischen Alb das Chaos?
Eine Rallye mit so vielen Vorfällen ist natürlich weit davon entfernt, als guter DRM-Lauf dazustehen. Aber sie war keinesfalls chaotisch, die Leitung hat gearbeitet, das Krisenmanagement hat funktioniert.


Wo siehst Du die Gründe für die Schwierigkeiten?
Es gibt drei Gründe. Erstens: Nach mehreren Rückschlägen war die Vorbereitungszeit zu kurz. Zweitens: Die zwei schweren Unfälle mit sieben Verletzten – zwei davon schwer – belasten die Rallye und die Rallyeleitung, sowohl psychologisch als auch bei der Manpower. Drittens: Die Rallyeleitung hat handwerkliche Fehler gemacht.


Was ist im Vorfeld schief gelaufen?
Anfang Mai kam die Absage für das Rallyezentrum in Laichingen, das 2010 viel Lob geerntet hatte. Fast gleichzeitig lehnte der Landkreis Reutlingen die Rallye ab, dort waren neue und sicherlich attraktive Wertungsprüfungen geplant. Der Veranstalter hatte nur sehr kurze Zeit, um überhaupt noch die Rallye auf die Beine zu stellen. Ich ziehe den Hut vor der Entscheidung, unter diesem Druck weiterzumachen, ein neues Rallyezentrum rund 40 km entfernt zu organisieren und mehrere neue Wertungsprüfungen im Alb-Donau-Kreis zu finden, wobei auch hier einige Gemeinden nicht zustimmten. Diese Zeitnot erklärt die Mängel bei Konzept und Strecke, also zum Beispiel die vielen Rundkurse und die hohen Schnitte bis zu 131 km/h auf WP 14. Beim organisatorischen Ablauf wechselten sich Licht und Schatten ab. Zum Beispiel brauchen der Start in Geislingen und das "Paperwork" keinen Vergleich zu scheuen. Die Falscheinstufung des italienischen Mitropa-Cup-Fahrers Zanon hingegen stellt kein Ruhmesblatt dar.


Was verstehst Du unter handwerklichen Fehlern?
Bei mehreren Rundkursen wurden simple Regeln vergessen. Zweimal wurde der Rundenteiler falsch konstruiert. Wer z. B. in die nächste Runde fuhr, war im 5. Gang ausgedreht, wer zum Ziel abbog, musste im 2.Gang durch einen 90-Grad-Abzweig. Da kann es schnell zum Auffahrunfall kommen und natürlich zu Behinderungen. Noch gravierender war die falsch konstruierte Einfahrt im Rundkurs Laichingen. Der Start erfolgte 200 Meter vom Rundkurs entfernt, und nach diesen 200 Meter wäre man direkt auf den Gegenverkehr zugefahren, der die Runde beendete. Eine Bremsschikane am Ende der Runde hätte die Situation weitgehend entschärfen können, eleganter wäre der Start am Zuschauerpunkt 1 gewesen. Die Teilnehmer sind zu Recht auf die Barrikaden gestiegen, der Veranstalter hat den Rundkurs in einen Sprint abgeändert. Das war eine richtige Krisen-Entscheidung, aber die falsche Planung hat unnötigerweise 16 WP-Kilometer auf den WPs 6+9 gekostet.


Ähnliches ist bei der WP 1+3 passiert. Welcher Grund lag hier vor?
Geplant waren bei Gussenstadt zweieinhalb Runden plus Ausfahrt - auf Feldwegen, vom Start bis zum Rundenteiler auf Asphalt, zurück überwiegend auf Schotter. Die Wege waren einspurig, ein Überholen unmöglich; da sind zwei Runden zuviel, weil Behinderungen vorprogrammiert sind. Eine Runde plus Ausfahrt wäre kein Problem gewesen, das hätte eine interessante Wertungsprüfung sein können.


Die WP 1+3 wurde aber überhaupt nicht als Rundkurs, sondern nur als Sprintprüfung gefahren. Warum?
Offiziell wurden Sicherheitsgründe angegeben. Ich sehe es jedoch so, dass dieser Rundkurs wegen der vielen Abzweige die langsamste WP und somit sicherste WP der ganzen Rallye war. Die Schotterwege präsentierten sich, als ich sie nach der Besichtigung angesehen habe, zwar schmierig, aber einwandfrei fahrbar. Natürlich hätten die Allradler hier einen Vorteil gehabt. Nach sicheren Informationen hat ein bekannter Fahrer gedroht, sein Auto, das nicht über Allradantrieb verfügt, aufzuladen und heimzufahren. Die Rallyeleitung ist eingeknickt. Der negative Erfolg: Der schönste Zuschauerpunkt der Rallye fiel ebenso flach wie 18 WP-Kilometer. 90% der Fahrer reagierten mit Kopfschütteln und Ärger über diese Entscheidung.


Kann man solche Fehler angesichts der Zeitnot nicht in milderem Licht sehen?
Der Rallyeleiter ist DMSB-Observer und beurteilt die Qualität anderer Rallyes. Seine Aufgabe wird jetzt nicht leichter.


In WP8 schleuderte ein Mitsubishi gegen ein Streckenposten-Fahrzeug und verletzte drei Streckenposten, einen davon schwer. In WP13 rutschte ein anderer Mitsubishi in eine Wiese und erfasste vier Zuschauer. Gab es Sicherheitsmängel?
Meines Erachtens nicht. Gegen Unfälle – zumal wenn sie atypisch ablaufen - ist der Veranstalter machtlos. Nach allem, was ich in Erfahrung bringen konnte, sehe ich keine Versäumnisse beim Veranstalter. Wichtig ist, dass die Rettungskette sehr gut funktioniert hat und alle Maßnahmen geordnet abgelaufen sind. Ich hoffe, dass die Verletzten bald und vollständig geheilt werden – nicht nur weil ein guter Freund von mir dabei ist, sondern auch und gerade, weil negative Schlagzeilen in der Presse dem Rallyesport abträglich sind. Das gilt ganz besonders für das Land Baden-Württemberg in der gegenwärtigen politischen Situation.


Wie wird es mit der Rallye Baden-Württemberg weiter gehen?
Die Unfälle belasten natürlich die Veranstalter. Erst wenn die Verletzten gesund zu Hause sitzen und wenn in der Öffentlichkeit Ruhe einkehrt, kann sich die Rallyeleitung mit 2012 beschäftigen. Das personelle Potenzial ist in meinen Augen vorhanden. Wenn genügend Zeit ist und wenn anspruchsvollere Strecken gefunden werden, kann die Rallye Baden-Württemberg meines Erachtens eine zweite Chance erhalten.


Auch wir wünschen allen Verletzten eine baldige Genesung.

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