IVG-Gelände: „Die schönste Prüfung des Jahres“

Die Rallye in Sulingen ist untrennbar mit dem IVG-Gelände verbunden. Das Besondere in diesem Jahr: Erstmals du?rfen Zuschauer in den größten Rallye-Irrgarten.

26. April 2017

Michael Heimrich

1939 wurde auf einer Fläche von rund 12 Quadrat-Kilometern im Kreis Nienburg-Weser in einem Waldgebiet unweit der Ortschaften Liebenau und Steyerberg eine Pulverfabrik erbaut. Der flächenmäßig größte Ru?stungsbetrieb Deutschlands beinhaltet rund 400 Gebäude, deren Flachdächer wurden zur Tarnung mit einer Erdschicht bedeckt und bepflanzt. Allein der Kohlebunker zur Versorgung der drei Kraftwerke fasste 30.000 Tonnen. Ein Netz von 42 Kilometern Eisenbahnschienen und 84 Kilometern Betonstraßen durchzieht das Gelände.
Nach 1945 wurde das Gelände als Militärdepot genutzt. Den heutigen Namen als IVG-Gelände hat das Areal von der jetzigen Betreiber- und Verwertungsfirma IVG. Seit dem 23. September 2000 nutzt die MSG Sulinger Land das scheinbar unendliche und vor allem unu?bersichtliche Straßennetz fu?r seine Rallyes, wenn auch zur Premiere gerade mal 18 Teams antraten. 

„Kenne jeden Bordstein mit Vornamen“

Es gibt nur wenige Menschen, die sich ohne Karte und ohne Guide in den Rallye-Irrgarten hineintrauen – und dann auch wieder herausfinden. „Bei den Veranstaltungen fu?hren wir am Eingangstor immer eine Liste der Fahrzeuge, die hineinfahren und kontrollieren abends vor dem Zuschließen ob auch alle wieder raus sind“, erklärt Christian Riedemann zwar schmunzelnd, aber mit ernstem Hintergrund. „Im Laufe der Jahre mussten wir den einen oder anderen dann doch mal suchen und auf dem richtigen Weg zuru?ckfu?hren.“ Schon mit knappen zwölf Jahren war Riedemann zusammen mit seinem Vater Ju?rgen, heute Sportleiter des ADAC Weser Ems, im IVG-Gelände unterwegs. „Wir haben zusammen die WP’s aufgebaut und dann auch wieder abgebaut, inzwischen kenne ich wahrscheinlich jeden Bordstein mit Vornamen.“

Da die Straßen im Rallye-Irrgarten zumeist nur einmal im Jahr benutzt werden, sind vor der Veranstaltung viele Vorarbeiten zu leisten. „Wir schneiden die Wege frei und reinigen die Beton-Strecken mit einer Kehrmaschine, die ist ziemlich genau so breit wie ein R5 – auf der Spur ist dann kein Platz fu?r Fehler. Am besten ist der Straßenzustand direkt nach der Rallye – dann sind die Wege fast komplett freigefahren.“

Einmalig in Deutschland

Dass Riedemann das IVG-Gelände mag, ist gesetzt, aber was sagen die anderen Piloten, die sich dieser einmaligen Herausforderung stellen. „Das IVG Gelände ist eine Pru?fung, die es so in Deutschland nur einmal gibt. Sie ist stellenweise sehr eng und winkelig, dazu gibt es Passagen die recht schnell und breit sind“, sagt Skoda-Pilot Fabian Kreim, der aktuell die DRM anfu?hrt. „Du musst einen sehr guten Rhythmus zu finden und nicht zu aggressiv rangehen. Es gibt kaum bis gar keinen Platz fu?r Fehler. Ich war erst zweimal dort. Einmal mit dem ADAC Opel Rallye Cup 2013 und dann letztes Jahr mit dem Skoda Fabia R5. Dreimal bin ich fehlerfrei durchgekommen und einmal habe ich einen Fehler gemacht, der mich am Ende den Sieg gekostet hat.“ 


Walter Gromöller ist im Opel Ascona 400 aktuell Vierter in der Gesamtwertung des ADAC Rallye Masters und mag den Irrgarten. „Die Strecke hat alles, Schotter-, Gras- und Asphalt-Passagen, dazu alles noch recht eng und unu?bersichtlich. Da muss der Aufschrieb exakt passen, sonst bist du nicht schnell unterwegs, sondern nur ganz schnell neben der Strecke.“
Philipp Knof ist amtierender Titelträger der 2WD-Wertung und stieg in diesem Jahr mit einem Peugeot 207 S2000 in die Allradklasse auf. „Das Gelände ist einfach nur unglaublich groß, man hat keinerlei Überblick mehr, wenn man erst einmal drin ist. Es ist sehr wichtig einen präzisen Aufschrieb zu haben um all die versteckten Ecken und Kanten nicht zu erwischen. Denn dann folgt unweigerlich ein Plattfuß“, sagte Knof, der den verletzten Riedemann im Werks-Peugeot vertreten wird. 

Sauber durchkommen

Peter und Michael Wald sind im BMW M3 Fu?hrende der Division 3 und liegen in der Gesamtwertung des ADAC Rallye Masters auf dem dritten Platz. „Fu?r uns ist das IVG-Gelände die schönste WP des Jahres. Wir haben sie 2015 und 2016 jeweils besichtig, sie aber noch nie im Wettbewerb bestritten, da wir immer eine WP vorher ausgefallen sind.“ Das Vater-Sohn-Gespann ergänzt: „Es ist eine große Herausforderung und wir hoffen, dass wir sie diesmal auch im Wettbewerb unter die Räder nehmen du?rfen.“ 
Fast neu ist die WP fu?r den 24jährigen Max Schumann, der im Suzuki Swift punktgleich mit Carsten Mohe (Renault Clio R3T) die Gesamtwertung des ADAC Rallye Masters anfu?hrt. „In meinem ‚fru?heren Leben‘ war ich schon dreimal als Co-Pilot hier am Start, daher weiß ich, was auf mich zukommt. Und ich freue mich riesig drauf, jetzt endlich selber dort zu fahren.“ Der saarländische Youngster ergänzt: „Wichtig sind ein guter Aufschrieb und ‚sauberes‘ Fahren, alles Dinge, die mir eigentlich liegen. Man muss sich aber immer im Klaren daru?ber sein, dass dort alles passieren kann.“

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