Erstes Kennenlernen

Corsa-e Rally. Blitz. Schnell.

Der Corsa-e Rally ist ein extrem agiles Gerät. Und vielleicht zeigt er die Zukunft des Rallyesports

Wer glaubt, elektrisch zu fahren mache keinen Spaß, muss umdenken. Und womöglich auch jene Zweifler, die allein im Kolben die Krone des Motors sehen. Denn so wie der zweimalige Junior-Europameister Marijan Griebel den Corsa-e Rally durchs nasskalte IVG-Gelände zirkelt, muss einem um die Attraktivität batteriebetriebenen Rallyesports kein bisschen bange sein.

Wie der Akku-Flitzer dank Drehmoment plus Torsen-Sperre aus den Ecken kommt, hat was. Und selten gab es einen Fronttriebler, dessen Hinterräder dank guter Gewichtsverteilung derart schnell auf Temperatur kommen. Dass das Ding anderthalb Tonnen wiegt, ist jedenfalls kaum zu spüren. Und wer weiß: Vielleicht ist Strom gar die alleinige Zukunft des Rallyesports?

Dabei hatten Rallye-Fans nach dem Aus für den Adam schon den sportlichen Rückzug befürchtet. Doch in Rüsselsheim haben sie einen echten Coup gelandet – symbolträchtig im Zeichen des Blitzes. Als erster Hersteller weltweit bietet Opel ein elektrisches Rallye-Auto für den Kundensport an. Mit 136 PS, Brembo-Zangen, Fly-Off-Handbremse – und maximal 150 Sachen schnell. Alles darüber ist auf der Rundstrecke ohnehin besser aufgehoben.

Großes Interesse

Mitten in die Planungen platzte Corona. Doch das Interesse, sagt Opel-Motorsport-Direktor Jörg Schrott, sei enorm. Anfragen gebe es aus ganz Europa. 20 Exemplare lässt Opel in Frankreich auf die Räder stellen, 15 davon für den Wettbewerb. Und die meisten sind verkauft. Im „ADAC Opel e-Rally Cup“ – acht Läufe vorrangig im Rahmen der DRM 2021 plus ein Highlight im Ausland – soll sich Nachwuchs beweisen. Es ist lange her, dass man sich bei Opel derart als Pionier fühlen durfte.

Expertise aber haben sie in Rüsselsheim. Selbstverständlich mussten die Prototypen die bei Rallyes üblichen Qualen erleiden. Und weil man bei Opel allen Bedenkenträgern den Stecker ziehen will, kommt zum ohnehin hohen Sicherheitsstandard des Serienautos gegen Crash und Feuer noch eine Platte gegen Ungemach von unten. Kollateralnutzen des Motorsports: Die FIA-zertifizierte Zelle versteift das Chassis zusätzlich.

Ein Handicap hat der flotte Flitzer natürlich: Der Saft seiner serienmäßigen 50-kWh-Batterie reicht – trotz Rekuperation – nur für etwa 60 Volllast-Kilometer plus Verbindungsetappen. Viel mehr fährt die Kolben-Konkurrenz bei einer üblichen Schleife zwar auch nicht, ist aber halt nach kurzem Tankstopp wieder startklar. Der Corsa-e muss zum Service noch laden.

Wie und wo? Dafür diskutiert man bei Opel zwei Optionen. Die eine: ein Truck mit einer Batterie von 2,1 Megawattstunden. Genug für mindestens drei Ladungen pro Team und Tag. Geladen ausschließlich mit „grünem“ Strom, verspricht Schrott. „Ein Diesel-Aggregat kommt nicht in Frage.“

Variante zwei: spezielle Trafos mit noch speziellerer Software. Vorteil: Weil sich nicht alle Autos um einen Lkw drängeln, geht Laden auch parallel zum Service. Und: Identischer Energiefluss ist für alle Teams zu jeder Zeit gewährleistet. Kein Dilemma also zwischen nicht randvollem Akku und ZK-Strafzeit. Nachteil: ein Netzanschluss. Der Zeitplan einer Rallye scheint hier wie dort nicht in Gefahr. Würden die E-Opels früh vorne starten, mittags im Mittelfeld und zur letzten Schleife am Ende, bliebe auskömmlich Ladezeit.

So oder so lässt sich das Auto von innen wie außen jederzeit stromlos schalten. Im Falle eines Unfalls erledigen Sensoren das automatisch. Doch was ist mit den Fans, die einen Corsa-e Rally vielleicht mal aus dem Graben schieben wollen? Das Auto tut kund, ob man es anfassen darf oder nicht. Bei Rotlicht und Sirene lautet die Botschaft: Finger weg!

Begeistert ist Schrott von der ungeheuren Entwicklung für die Serie. Lenkrad-Legende Volker Strycek hält sie gar für „einmalig in meiner Laufbahn“. Doch während man aus der Extrem-Belastung früher Gussverfahren für Zylinderblöcke ableitete, gewinnt man heute vorrangig Erkenntnisse zu Software und Akku-Management.

Allerdings hat Opel auch in Hardware investiert. Vor allem beim Fahrwerk. Weil nicht verstellbar, suchten sie mit Bilstein akribisch ein „Wohlfühl-Setup“. Schließlich sollen im Cup die unterschiedlichsten Fahrstile auf eine ausgewogene Basis treffen. Obendrein musste ein Sicherheitskonzept her. Samt eigener Rettungskarte, elektrisch nicht leitendem Löschschaum und ausreichend Informationen für Helfer und Zuschauer.

Und der Preis? Exakt 49.900 Euro netto kostet das rallyefertige Auto. Dazu eine Einschreibegebühr für Startgelder, Catering und Serviceplatz, die um 5.500 Euro liegen dürfte. Apropos Kosten: Muss man beim Cup-Adam 20 Euro je Kilometer kalkulieren und um die zwölf beim R4, sind es beim Corsa-e Rally keine sieben. Im Gegenzug lockt sechsstelliges Preisgeld – und dem Cup-Gewinner winkt der Aufstieg in den R4-Corsa, den Opel derzeit präsentiert. Ein Dreizylinder-Turbo mit 208 PS, sequenziellem Fünf-Gang-Getriebe, Sperre und verstellbarem Fahrwerk. Und für Top-Talente muss dank der Konzern-Schwestern Peugeot und Citroën selbst da nicht Schluss sein.

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