Nicht so selbstverständlich sind diese Fakten offenbar für einige Technische Kommissare und Offizielle, denn im virtuellen Aushang der Rallye Stemweder Berg habe ich folgende Entscheidung der Sportkommissare gefunden: „ … kam es nach den Nennungen der beiden Teilnehmer #38 und #49 (beide aus den Niederlanden) zu Unrichtigkeiten bei der Einstufung der Teilnehmer. Im Rahmen der technischen Abnahme konnte dies nicht sofort erkannt werden. Bei einer Kontrolle nach Etappe 1 wurde festgestellt, dass die Teilnehmer nicht in der Klasse NC2 startberechtigt sind und eine Umstufung in die Klasse NC 1 erfolgen muss.“ Diese Meldung wird bekannt gegeben am Samstag um 10.20 Uhr, als 6 von 13 Wertungsprüfungen gefahren sind.
Ich weiß, dass Fehler menschlich sind. Aber die Aussage, dass dieser Fehler bei der technischen Abnahme nicht sofort erkannt werden konnte, ist zum Haareraufen oder zum Totlachen – je nach Gemütsverfassung. Sechs DMSB-lizensierte Technische Kommissare haben beim DRM-Lauf mehr als sechs Stunden Zeit für die Kontrolle von 60 Rallye-Fahrzeugen. Aber sie können diesen Fehler nicht finden! Warum? Haben die Holländer etwa die Motorhaube zugeschweißt? Haben die Oranjes gar den Turbolader im Kat versteckt? Die Wahrheit ist viel simpler: Die Technischen Kommissare haben weder auf das Nennformular, noch auf die Teilnehmerliste (hier war dieser Fehler schon wochenlang zu sehen!) geschaut.
Nochmal: Fehler sind menschlich. Aber dieser Fehler auf höchster Ebene ist peinlich. So peinlich wie der Vorfall bei Rallye ABC, wo ein Fahrer mit einem Gruppe-F-Renault Clio 2000 (Klasse NC 3) erscheint statt mit einem Gruppe-G-VW Golf II, mit dem er in Klasse NC 8 genannt hat. Der Technische Kommissar hat davon nichts bemerkt und den NC3-Clio locker als NC8-Golf abgenommen. Bei Rallye DEF werden in der Gruppe G Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen zugelassen, bei Rallye XYZ wird ein Ford Escort RS 2000 (Baujahr 1979) von Gruppe NC 3 (so seine Nennung) offiziell umgestuft in die FIA-Gruppe RC 4! Ein unglaublicher Vorfall, wahrscheinlich ausgelöst durch die Beschwerde eines NC3-Klassenkonkurrenten, der sich durch den reinrassigen Gruppe-H-Escort bedrängt sah.
Die beiden letzten geschilderten Fälle lassen vermuten, dass Rallyeleitung und Sportkommissare von den Vorgängen Kenntnis hatten. Die Sportkommissare haben die Einhaltung der Regeln zu überwachen – gegenüber den Fahrern ebenso wie gegenüber den Offiziellen. Das hat bei der Rallye Stemweder Berg nicht geklappt, zu viele Offizielle haben tief geschlafen.
Mein persönliches Fazit: Die Online-Nennsysteme ermöglichen eine solide Vorbereitung. Man muss sie nur nutzen. Ich selbst tue das – und empfehle das allen, die Verantwortung tragen.
Alfred Gorny
PS: Bei der Rallye Stemweder Berg habe ich, bevor ich den Zieleinlauf auf dem Marktplatz von Lübbecke moderiert habe, als Beifahrer im Rote-Flagge-Auto die komplette Strecke erlebt – mit sehr schönen Wertungsprüfungen in einer Landschaft mit dichter Streubesiedlung. Rund 1.000 direkte Anlieger und rund 10.000 Menschen, die von den WP-Sperrungen persönlich betroffen sind, haben mir neue „Abenteuer“ beschert: Fahrer, die die Sperrschilder ignorieren, stoppen und zurückschicken. Eine Umleitung für den Paketboten suchen, wenn der Weg zum Empfänger versperrt ist. Einen Rentner mit Fahrrad in die Obhut des nächsten Streckenposten bringen. Zuschauer, die noch längs der Strecke wandern, zur Eile mahnen.
Meine Aufgabe war relativ einfach, aber sie hat mir einen Eindruck vermittelt, was die Rallyeleitung im Vorfeld organisieren muss, wie viele Meldungen und Hilferufe bei den WP-Leitungen zusammenlaufen und wie lang und stressig der Tag (oder auch zwei) für den „einfachen“ Streckenposten sein kann. Der Einsatz der Helfer – von ganz oben bis nach unten – ist nicht weniger eindrucksvoll als der Einsatz der Top-Fahrer, die im Ziel nur um wenige Sekunden getrennt waren. Danke!