Jubiläum für Matthias Kahle

1993 gab Matthias Kahle bei der Pneumant-Rallye sein Debüt auf einem Peugeot 205 GTI und schaffte 1996 den Sprung vom Kohle-Abbau in die Rallyekarriere.

25. April 2003

Michael Heimrich

Zerklüftete Mondlandschaft so weit das Auge reicht: tiefe Gräben und aufgetürmte Erdwälle. Dazwischen bewegt sich ein 600 Tonnen schweres Ungetüm mittels seiner beiden seitlichen Ausleger und zweier kräftiger Hubarme in Halbmeterschritten vorwärts. Dreharbeiten für eine neue ‚Star-Wars‘-Story?

Der tonnenschwere Riese ist ein so genannter Schreitbagger, ein ?Esch 1070?, und steht im Braunkohletagebau Welzow-Süd bei der Firma Laubag unweit von Cottbus. In der Führerkabine agiert der amtierende Deutsche Rallyemeister Matthias Kahle. Mit den Füßen steuert er das Schwenken des 48 Meter langen Baggerauslegers nach links und rechts, und mit den Händen betätigt er die Seilzugsteuerung für den Schürfkübel, der sich bei jedem Arbeitsvorgang zehn Tonnen Abraum einverleibt und nach einem Halbkreis polternd wieder ausspuckt. Kahle ist nicht nur in seinem ?koda Octavia WRC sondern auch auf dem Bagger ganz Profi. Die Gründe dafür liegen in der Vergangenheit. Nach dem Abitur schlug der sympathische Görlitzer zunächst seinen Weg in den Braunkohlentagebau der Lausitz ein. Dort schürfte er sechs Jahre lang Kohle, um sein erstes Rallyeauto finanzieren zu können.

1993 schließlich gab Matthias Kahle bei der Pneumant-Rallye in Wittenberg sein Debüt auf einem Peugeot 205 GTI und schaffte 1996 den Sprung vom Kohle-Abbau in die Rallyekarriere.

Zehn Jahre später, vom 3. bis 5. Mai 2003, fährt er als ?koda-Werksfahrer bei seiner Lieblingsrallye, der Pneumant-Rallye rund um die Lutherstadt, erneut um wichtige Rallyepunkte. „Schotter satt, das liebe ich nun einmal – ein weiterer Grund, warum ich so gerne in Wittenberg an den Start gehe“, erklärt Kahle seine Vorfreude auf die 451 Kilometer lange Rallye mit ihren 17 Wertungsprüfungen. „Außerdem hat diese Veranstaltung traditionell viele Zuschauer, und die Begeisterung überträgt sich auch auf die Fahrer, da macht es noch mehr Spaß als sonst.“

Erste Geländeerfahrungen sammelte er schon auf seinem Arbeitsweg: „Die Anfahrt zu meinem Bagger führte über lange Schotterpisten. Das war immer ein wunderbares Training“, erläutert Kahle schmunzelnd den Zweitnutzen seiner Berufsausbildung. „Vor allem die sumpfigen Stellen waren mit einem Pkw nur passierbar, wenn man sie mit viel Mut und Schwung anging.“

Sieben Jahre und vier Deutsche Meistertitel nach seiner letzten Baggerschicht sitzt der Motorsportler wieder an seinem ehemaligen Arbeitsplatz und meistert die anspruchsvollen Koordinationsübungen für Arm- und Beinbewegungen, an denen schon mancher ?Esch?-Azubi gescheitert ist, noch immer mit Bravour. „Er hat nichts verlernt, er könnte jederzeit wieder anfangen“, lobt Laubag-Betriebsführer Frank Schroeckh. „Durch die ergonomisch nicht gerade vorbildlichen Pedal- und Hebelwege war man nach acht Stunden körperlich fix und fertig“, erinnert sich Matthias Kahle. „Immerhin war die Schulung der Koordination von Pedal- und manuellen Bewegungen für den Umgang mit einem Rallyeauto sehr nützlich.“ Dem nahe liegenden Verdacht, dass schwergängige Baggerpedale besonders hilfreich für den Erwerb des im Motorsport sehr geschätzten ’schweren‘ rechten Fußes seien, widerspricht der Rallyeprofi allerdings: „Ein schwerer rechter Fuß entsteht im Kopf.“

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