Rallye News

Vorschau WM-Saison 2004

So tiefgreifende Änderungen wie mit Beginn dieser Saison erfuhr die Topklasse des Rallye-Sports seit Gründung der WM 1973 nicht mehr. Eine Vorschau...

<strong>Starklar:</strong> Die WM 2004 verspricht Hochspannung

Bei den zahlreichen Änderungen dürfte das neue Veranstaltungs-Modell ?Mille Piste? wohl am meisten umstritten sein. Bislang ? und auch die Rallye Monte Carlo und der WM-Lauf in Schweden werden zu Beginn der Saison dem bewährten Konzept noch folgen ? dürfen die Fahrer die einzelnen Wertungsprüfungen während der so genannten ?Reconaissance? zweimal zur Erkundung abfahren, bevor sie von Freitag bis Sonntag um Zehntelsekunden feilschen.

 

Neu ist: Das Besichtigung der Strecken wird auf einmaliges Überqueren vor der Rallye begrenzt. Dafür sollen die Chef-Drifter fortan jeweils morgens die Prüfungen des aktuellen Tages noch einmal in Augenschein nehmen, bevor es ab Mittag dann ernst wird. So genannte ?Schotter-Spione?, die im Auftrag der einzelnen Teams alle Prüfungen kurz vor Beginn des Wettbewerbs noch einmal kontrollieren, sollen dabei ebenso verboten werden wie spezielle Trainingsautos. Welcher WM-Lauf diesem neuen Reglement ? das voraussichtlich in 2005 schon nicht mehr gültig sein wird ? folgt oder sich davon befreien lässt, ist derzeit noch nicht absehbar.

 

Neu ist aber auch, dass jedes Werksteam fortan nur noch zwei statt drei World Rally Cars pro WM-Lauf für die Konstrukteurs-Wertung nominieren kann ? was zu einschneidenden Veränderungen auf dem Fahrer-Markt geführt hat. So müssen die Fans in der kommenden Saison gleich auf vier ehemalige Weltmeister verzichten: Colin McRae, der Meister von 1995, wechselte als Nissan-Rallye-Raid-Pilot in die Wüste und plant als nächstes einen Start bei den legendären 24 Stunden von Le Mans. Didier Auriol, Titelgewinner 1994, sagte Adieu zu Skoda. Auch Tommi Mäkinen ? Champion von 1996 bis 1999 ? hat sich aufs Altenteil zurückgezogen. Und Richard Burns, Weltmeister von 2001, muss aufgrund einer schweren Erkrankung aussetzen ? alle Fans und auch Michelin wünschen an dieser Stelle schnelle und vor allem vollständige Genesung. Gute Nachricht aus deutscher Sicht: Armin Schwarz bleibt der WM-Szene als Skoda-Werkspilot aller Voraussicht nach erhalten.

 

Radikale Änderungen weist auch der Termin-Kalender auf. So löste die Rallye Australien den britischen WM-Lauf als Saisonfinale ab. Die ?RAC? rückte gut zwei Monate vor in den September ? in der Hoffnung, dass sich die Fans in den walisischen Wäldern erstmals keine kalten Füße mehr holen. Die Rallye Deutschland rückte in den August (20. ? 22.). Der hektische Oktober mit den drei Asphalt-Veranstaltungen in Italien, auf Korsika und in Spanien, die innerhalb von nur vier Wochen aufeinander folgen, bleibt bestehen.

 

Zugleich setzt die Rallye-Königsklasse ihre Expansion weiter fort: Nach dem Wertungslauf in Deutschland (2002) und der Türkei (2003) feiern in diesem Jahr die Rallye Mexiko (12. bis 14 März) und Japan (3. bis 5. September) ihr WM-Debüt. Geht es in Mittelamerika auf Schotter eher rustikal zu, lockt auch der asiatische Neuling mit diesem Straßenbelag ? der sich dort in deutlich besserem Zustand befindet, dafür aber geringere Geschwindigkeiten erlauben soll. Damit erweitert sich der WM-Kalender auf 16 Saisonläufe.

 

Norweger-Jagen wird das Thema des Sommers. Denn Solberg steht als erster Vertreter der jungen Garde ganz oben auf der Favoritenliste für die WM 2004. Auch wenn sein neuer Subaru Impreza erst zur dritten WM-Rallye des Jahres in Mexiko zum Einsatz kommen wird ? und Solberg bis dahin noch mit einem bei der Kraftentfaltung deutlich unterlegenen Motor vorlieb nehmen muss. Der Boxermotor im Impreza ist die einzige Schwachstelle im Weltmeister-Mobil - Der Weltmeister selbst ist der größte Pluspunkt, den man in die Waagschale werfen kann. Solberg ist nicht nur dank seiner Bodenständigkeit, seiner Fan-Nähe und seines einnehmenden Wesens ein Publikumsliebling und ein absoluter Sympathieträger. Er ist in den letzten Jahren auch zum besten Vertreter der Jungen Wilden geworden, die in der WM das Kommando übernommen haben.

 

Mitsubishi beendet sein ?Sabbatical?-Jahr und greift voller Elan wieder an. Als Nummer-1-Fahrer hat Motorsport-Chef Sven Quandt den ehemaligen Peugeot-Asphalt-Star Gilles Panizzi (38) engagiert, der ? gemeinsam mit Bruder Hervé auf dem heißen Sitz ? endlich seine Allround-Qualitäten unter Beweis stellen will. Der komplett neu entwickelte Lancer WRC 04 genoss bereits bei seinem Debüt angesichts der eigenwillig konzeptionierten Aerodynamik großes Aufsehen. Am Steuer des zweiten Stufenheck-Boliden wechseln sich im Laufe der Saison gleich drei aufstrebende Nachwuchs-Piloten ab: Der Finne Kristian Sohlberg (35) gilt als Asphalt-Ass, Gianluigi Galli (31) aus Italien sammelte bereits in der Gruppe N WM-Erfahrung, und Daniel Sola (29) aus Spanien gewann 2002 die Junior-WM.

 

Konstrukteurs-Weltmeister Citroën setzt in puncto Fahrer-Besetzung ebenfalls auf einen Mix aus Erfahrung und Hoffnung: Der zweifache Ex-Weltmeister Carlos Sainz (41) erwies sich bereits im vergangenen Jahr als eifriger und vor allem zuverlässiger Punktesammler, wodurch er bis zum Saisonfinale noch vitale WM-Chancen besaß. Sébastien Loeb (29) ? fälschlicherweise oft zum Asphalt-Spezialisten reduziert ? gilt als eines der größten Nachwuchs-Talente überhaupt. 2003 opferte er seine eigenen Titelambitionen noch zugunsten der Marken-Weltmeisterschaft für Citroën. In diesem Jahr wird mit ihm zu rechnen sein.

 

Peugeot hat sich vom erfolgreichen 206 WRC ? mit dem die Franzosen zwischen 2000 und 2003 drei Marken-Titel errangen ? verabschiedet und schickt schon bei der ?Monte? (23. bis 25.1.) ein neues Rallye-Gerät ins Rennen: das 307 World Rally Car. Interessantes Novum: Es basiert auf dem 307 CC, also einem Cabriolet mit versenkbarem Metalldach. Der zweifache Ex-Weltmeister Marcus Grönholm (35) und sein neuer Teamkollege Freddy Loix (33) werden in der Hitze des Gefechts jedoch keine Gelegenheit haben, das Verdeck zwecks Lüftung zu öffnen. Technikchef Michel Nandon hat es zu Gunsten der Steifigkeit verschweißen lassen. Auch Peugeot vertraut auf Pneus aus Clermont-Ferrand. Und noch ein ungewöhnliches Detail: Experimentierten manche Teams in der Vergangenheit sogar mit Siebengang-Getrieben, so planen die Franzosen für den 307 WRC bei manchen Rallyes nur mit vier Vorwärtsstufen ? dem mächtigen Drehmoment des Zweiliter-Turbomotors sei es gedankt.

 

Keine zweite Marke besitzt in der Rallye-WM eine größere Tradition als Ford, denn die Mannschaft aus England ist praktisch seit Gründung dieses Championats ohne Unterbrechung mit konkurrenzfähigem Material auf Top-Level vertreten. So stellte das Einsatzteam M-Sport bereits im Vorjahr sein neuestes World Rally Car auf Basis des Focus vor, mit dem die Mannschaft um den deutschen Motorsport-Direktor Jost Capito jetzt zum großen Sprung ansetzen möchte: den zweiten Konstrukteurs-Titel in der Geschichte von Ford nach 1979. Als Speerspitze greift der enorm talentierte Este Markko Märtin (28) ins Lenkrad, der sich 2003 schon in Griechenland und Finnland in die Siegerliste eines WM-Laufs eintragen durfte. Den zweiten Focus WRC steuert der ebenso aufstrebende wie junge Belgier François Duval (23).

 

Nur sporadisch lässt sich Skoda in diesem Jahr in der Rallye-WM blicken: Das Werksteam der tschechischen Volkswagen-Tochter konzentriert sich in der ersten Jahreshälfte auf die Fortentwicklung des noch jungen Fabia WRC. Ein erster Auftritt ist bei der Rallye Griechenland geplant, im weiteren Saisonverlauf stehen lediglich europäische Läufe auf dem Programm. Als Test- und Einsatzfahrer vertraut der Rennstall aus Mlada Boleslav dabei auf einen erfahrenen Techniker: Armin Schwarz (40), einziger deutscher Rallye-Pilot auf WM-Niveau, soll nach zwei Jahren in Hyundai-Diensten zu Skoda zurückkehren und übernimmt neben dem Finnen Toni Gardemeister (28) das Steuer des zweiten Turbo-Allradlers.

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