Rallye Portugal 2009

Vor 10 Jahren: Grönholm-Comeback und Latvala-Unfall

Es waren zwei Meter, die der Rallye-WM dringend fehlten. Knapp eineinhalb Jahre nach seinem Rücktritt kam Marcus Grönholm mit dem Subaru-Werksteam auf eine Stippvisite vorbei. Die war zwar nur kurz, aber einprägsam. Rückblick auf die Rallye Portugal 2009.

Da stand er grinsend vor dem blauen Prodrive-Zelt und hielt Hof. Entspannter kann man einen Marcus Grönholm nicht antreffen: plaudernd, gestikulierend und Gesichter schneidend. Auch außerhalb des Cockpits wurde dem Rallye-Zirkus schnell klar, welche Attraktion mehr als alle anderen in den vergangenen 16 Monaten gefehlt hat. Ein bisschen verlegen wirkte er, so als wolle er trotz seines Namenszuges auf dem Impreza sagen, er gehöre eigentlich gar nicht dazu. „Ich bin halt weich geworden, als sie mich gefragt haben“, grinst Grönholm.

Ganz so stark musste man den hoch aufgeschossenen Finnen wohl nicht überzeugen, auf Kosten der Tourismusbehörde in Portugal einen Gastauftritt im ehemaligen Werks-Subaru zu leisten, schließlich verhandelte er noch vor einem halben Jahr ernsthaft mit dem gleichen Team um einen Vertrag über eine komplette Saison. Heftig betonte er, er sei lediglich da, um seinen Spaß zu haben und keine Ambitionen, seinen alten Widersacher Sébastien Loeb anzugreifen. „Machen wir uns nichts vor: Wenn Marcus von Spaß spricht, dann hat er den ganz sicher nur, wenn er vorne mitspielen kann“, meinte David Lapworth.

Neben dem Prodrive-Technikchef hat Besitzer David Richards die Rallye-Abteilung bis auf 20 Leute ausgedünnt, 60 Mitarbeiter wurden freigestellt, der Rest in anderen Abteilungen untergebracht. Lapworth arbeitet mit zwei anderen Ingenieuren an Machbarkeitsstudien und Grundlagen-Entwürfen für ein Super 2000-Auto, im Prinzip arbeitet er um sein Überleben. „Wir verhandeln mit drei Herstellern, zwei davon aus Asien“, verrät Richards.

Der Auftritt mit dem bisherigen World Rally Car sollte dazu dienen, der Welt trotz drei harzigen Jahren mit Subaru und Petter Solberg das Potenzial des Teams aufzuzeigen. Der entlassene Norweger ging der Konfrontation mit dem alten Arbeitgeber schon verbal aus dem Weg: „Der Impreza, den ich gefahren bin, ist mit dem jetzigen gar nicht mehr zu vergleichen. Eigentlich sollte ich gegen Marcus gar keine Chance haben“, meinte Solberg.

Tatsächlich stand der in Weiß und Blau gehaltene Subaru erstmals bei einer Schotter-Rallye auf Öhlins-Dämpfern, zudem war die von Solberg oft kritisierte Lenkung umgebaut worden. Da Prodrive nicht mehr als eingeschriebener Hersteller fungiert, darf das Team keine Homologationen mehr vornehmen, also baute Ingenieur Lapworth mit bekannten Teilen eine Lenkung zusammen, die Gaststarter Grönholm bei seinem zweitägigen Test sofort als tadellos bewertete.

Dass der Finne beim Shakedown am Donnerstag so früh Schluss machte und anschließend den Tourismus-Minister mit auf eine Demo-Runde nahm, hätte der Konkurrenz eine Warnung sein müssen. In seinen besten Zeiten war ein geparktes und geputztes Auto ein sicheres Zeichen, dass sich der zweimalige Weltmeister ausgesprochen wohl in seinem Arbeitsgerät fühlte. Doch die Gegner schauten nur auf die mäßige Zeit, und mancher meinte: „Bei Subaru haben sie wohl ein Problem.“

Hatten sie aber gar nicht, und als Grönholm am Freitagmorgen auf die erste richtige Wertungsprüfung ging, fuhr er mal eben die zweitbeste Zeit. Wer an glücklichen Zufall glaubte, musste nur bis zum Nachmittag warten, immer noch war Grönholm Zweiter hinter Ford-Speerspitze Mikko Hirvonen. Sébastien Loeb hatte 18 Sekunden verloren, weil er als Erster die Piste reinigen musste. Am Ende des Tages rutschte Grönholm nur deshalb auf Rang vier, weil ihm und Beifahrer Timo Rautiainen ein Rechen-Fehler unterlaufen war. „Wir wollten uns hinter Seb zurückfallen lassen, haben aber zu viel Zeit verbummelt. Ich bin diesen Taktik-Mist einfach zu lange nicht mehr gewohnt“, meinte der 41-Jährige.

Nur sechs Sekunden lag er hinter dem in diesem Jahr alles dominierenden Loeb, und im Subaru-Lager wurden breit lächelnde Mienen aufgelegt. Schon am ersten Tag war der Plan aufgegangen: „Es geht uns weniger um ein gutes Resultat, wir wollen lieber ein paar gute Zeiten fahren und zeigen, zu was wir in der Lage sind“, sagte David Lapworth, der seinen Fahrer lieber in Führung liegend hätte ausfallen sehen, als auf dem Podium als Dritter.

Der Wunsch ging leider nur halb in Erfüllung. Grönholm überschlug sich gleich am zweiten Morgen und machte seinen zweiten Fehler. Er übersah die Warnung auf dem Display, die sinkenden Wasserdruck aufgrund eines leck geschlagenen Kühlers anzeigte. Die Temperaturwarnlampe blieb vorerst ausgeschaltet. Wenn kein Wasser mehr im Motor ist, schlägt der Hitzesensor zunächst keinen Alarm. Als Grönholm das Problem bemerkte, war es schon zu spät, der Motor angestochen, die Chance auf ein mögliches Zeitenfeuerwerk am Sonntag dahin.

Das gleiche galt für Finnlands neue Hoffnung Jari-Matti Latvala. Nach seinen Abflügen in Irland und Zypern, warf sich der 23-Jährige auch in Portugal am ersten Morgen von der Straße. In Führung liegend hatte er ein doppeltes „Achtung!“ im Aufschrieb überhört und seinen Ford Focus über eine Leitplanke gerollt, die nicht ohne Grund dort angebracht war. 17 Mal überschlug sich der Ford einen 200 Meter tiefen Abhang hinunter, bis ein Baum den Absturz stoppte.

„Für einen Moment dachte ich, ich würde sterben“, bekannte Latvala angesichts des immer weiter einknickenden Überrollkäfigs. Erstaunlicherweise kamen er und Beifahrer Mikka Anttila mit Prellungen davon. Dennoch könnte es Anttila auf andere Weise erwischen. Bei Ford denkt man darüber nach, den langjährigen Weggefährten Latvalas auszutauschen. „Es scheint, dass er ihm manchmal nicht zuhört. Vielleicht lässt sich das mit einer anderen Stimme neben ihm beheben“, überlegt Manager Timo Jouhki.

Dabei ist Anttila gänzlich unschuldig an Latvalas Fehlern. „Offensichtlich fährt Jari-Matti manchmal einfach auf Sicht, anstatt seinem Aufschrieb zu vertrauen. Das müssen wir abstellen“, sagt Malcolm Wilson. Der Teamchef versichert nicht daran zu denken, Latvala angesichts von 24 Punkten Rückstand in der Marken-Wertung auszutauschen. Zum einen ist die Nennfrist für den nächsten Lauf in Argentinien schon abgelaufen, zweitens sieht er keine Alternative. Den Druck zu reduzieren, und ihn wie 2008 zwischenzeitlich bei Stobart fahren zu lassen, hält Wilson für keine Alternative: „Das kannst du einmal machen, aber nicht ständig. Außerdem müsste ich dann ein weiteres Auto einsetzen und bezahlen, das ist in der gegenwärtigen finanziellen Lage nicht machbar.“ Wilson sieht in einem Gig Galli oder Francois Duval auch keinen besseren Ersatz für Latvala. Den Namen Grönholm nimmt er schon in den Mund, doch er glaubt nicht, dass er sich den Finnen leisten kann.

Der Ford-Konzern operiert wirtschaftlich am Limit, das gilt auch für das Rallyeteam. Extraposten werden nicht genehmigt, auch wenn damit möglicherweise die letzte Chance auf den Titel vergeben wird. „Auf Dauer wissen wir und auch Loeb, dass Jari-Matti der Mann ist, der ihm gefährlich wird, wenn er alles zusammen bringt. Dahin müssen wir ihn kriegen“, sagt Wilson.

Die eigentliche Nummer eins Mikko Hirvonen winkt in der Sieger-Pressekonferenz schon ab, wenn Dauersieger Loeb behauptet, er sei drei Tage am Limit gefahren. Fakt ist: Als Hirvonen am zweiten Tag als Erster auf die Strecke musste, verlor er die Führung und 45 Sekunden. Als Loeb am Sonntag den Straßenfeger spielte, fuhr er Bestzeiten. Auf die Frage, ob er überhaupt ein Problem gehabt habe, meinte der Elsässer lässig: „Nur auf den ersten 300 Metern“, denn in der ersten Kurve des Freitags, rutschte er in den Notausgang und musste zehn Sekunden warten, bis sich der Staub verzogen hatte. Danach fuhr er kontrolliert zum vierten Saisonerfolg. Er hat nun die 51-Grand-Prix-Siege von Frankreichs Motorsport-Legende Alain Prost eingeholt.

Dennoch war Loeb nicht komplett zufrieden. „Ich hätte mir gewünscht, dass Marcus im Rennen bleibt. Ich hatte mich schon darauf gefreut, wie früher an den Zeitkontrollen mit ihm einen Plausch zu halten“, sagte der Franzose, der sich endlich mal wieder einem großen Gegner gegenüber sah. Obwohl man bei Prodrive betont, der Portugal-Einsatz sei nur eine einmalige Angelegenheit, spekuliert man hinter vorgehaltener Hand auf weitere Auftritte. Teambesitzer David Richards hat zwar dank eines Vertrages bis Ende 2009 ein erkleckliches Sümmchen von Subaru erhalten, doch dieses Geld will er nicht für weitere Rallyes einsetzen.

Das Geld müsste überwiegend von Sponsoren kommen, oder von Organisatoren. Der stehende Applaus der Fans in Portugal bewies, dass der Zweimetermann aus Inkoo ein Publikumsmagnet ist. Die Veranstalter in Italien, Griechenland, Wales und vor allem Finnland haben Interesse an einem Grönholm-Besuch bekundet. Der betont zwar, seine Frau sei gar nicht glücklich, wenn er wieder mit mehr als einem Bein im Rallyesport stünde, doch dann sackt er mitten im Gespräch gekünstelt in sich zusammen, als hätten sich seine Knochen schlagartig verflüssigt und meint: „Vielleicht werde ich ja noch mal weich.“

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