Party für Hollywood

Solberg im 100er-Club

Als Petter Solberg mit seinem Subaru Impreza ins Olympia-Stadion von Athen einbog, trat er gleichzeitig einem höchst exklusiven Fahrerclub bei, dem nur noch Marcus Grönholm, Harri Rovanperä und Manfred Stohl angehören. Alle haben eines gemeinsam: Sie sind bereits bei über 100 WM-Rallye gestartet. Ein Rückblick auf die Karriere von Petter Solberg, die mehr als unkonventionell begann.

<strong>JUBEL:</strong> Petter Solberg bestritt seinen 100. WM-Lauf

Der Spitzname „Hollywood“ könnte kaum besser gewählt sein. Keine Chance lässt Petter Solberg verstreichen, um seinen Fans auch außerhalb der Rallyepisten eine gute Show zu bieten. Sei es mit überschwänglichen Jubelfeiern inmitten seiner Fans, oder lässigen Stunts , bei dem er aus dem Seitenfenster seines Autos klettert und vor der Kulissen auf und ab fährt. Kaum zu glauben, dass der ehemalige Tanzlehrer in Griechenland bereits seinen 100. Start in der Rallye-Weltmeisterschaft feierte.

 

Nach einem schweren Unfall wurde der Rallyesport 1970 in Norwegen verboten und erst wieder Anfang der 90er Jahre reanimiert, just im selben Moment, als Petter Solberg mit seiner Karriere im Motorsport begann. Der immer fröhliche Blondschopf versuchte sein Glück zunächst im Rallycross und feierte 1992 sein Debüt in der Norwegischen Autocross Meisterschaft. Auch auf der Rundstrecke probierte sich Solberg aus, doch der Drang zum Rallyesport sollte größer sein. Also lieh sich der gelernte Maler bei einer Bank schlappe 120.000 Euro und investierte die Summe in ein neues Auto, mit dem er 1997 seine erste Rallye bestreiten sollte. Bereits ein Jahr später feierte er seinen ersten nationalen Titel und während der Rallye Schweden sein Debüt auf der großen WM-Bühne. An diesen Auftritt erinnert sich der ehemalige norwegische Meister im Discotanz noch ganz besonders: „Unter diesen ganzen etablierten Fahrern zu sein, das war großartig. Ich kam zur Pressekonferenz und traf dort Didier Auriol, der sich mehr als fünf Minuten mit mir unterhielt. Das war einfach toll! Zu Hause hängt immer noch ein Bild von mir, meinem Bruder und Didier, was wir bei dieser Gelegenheit geschossen haben.“

 

Schweden wird immer eine ganz besondere Bedeutung für Petter haben. Nicht nur, dass es der WM-Lauf ist, der am nahesten zu seiner Heimat Norwegen liegt, seine Frau Pernilla wurde nur 63 Kilometer entfernt vom Rallyehauptquartier in Hagfors geboren. Entsprechend groß war der Jubel, als es Solberg 2005 gelang, den Schneewalzer im hohen Norden zu gewinnen – sein bis dahin elfter WM-Sieg.

 

Im Jahr 2000 wurde der Grundstein für die späteren Erfolge gelegt. Im Ford-Werksteam konnte Solberg zuvor zwar sein Talent beweisen, fiel aber auch durch spektakuläre Unfälle auf. Die Stimmung wurde immer angespannter und der Lockruf von Subaru kam zu rechten Zeit. Dort gaben zwei Ergebnisse den Ausschlag für die endgültige Verpflichtung: Solbergs eindrucksvolles Auftreten in Schweden, gefolgt von einer beeindruckenden Fahrt durch die Steppe Kenias während der Safari-Rallye, als kurzfristiger Ersatzmann für Thomas Radström. „Ich war vorher noch nie in Afrika gewesen“, lacht Solberg. „Ich hatte so große Angst das Flugzeug zu verpassen und damit meine große Chance, dass ich im Auto vor dem Flughafen schlief, um rechtzeitig da zu sein.“

 

Der heutige Teamchef Paul Howarth wusste schon damals, dass da ein künftiger Star heranwachsen würde. „Es war immer unser Ziel junge Fahrer aufzubauen und sie zu Weltmeistern zu machen. Petter war einer der heißesten Talente auf dem Markt, das konnte man leicht an seinen gefahrenen Zeiten erkennen, die er trotz seiner geringen Erfahrung erzielte.“


Aber der erste Start im Januar 2001 war typisch für die Sturm-und-Drang-Phase Solbergs zu Beginn seiner Subaru-Karriere. Petter schlitterte auf einer vereisten Monte-Prüfung gegen eine Mauer, überschlug sich und schied vorzeitig aus. „Subaru war meine Möglichkeit um mich zum Besten der Welt zu entwickeln. Das Team entwickelte eine gute Strategie für mich, aber zu Beginn war es eine sehr schlechte Zeit. Ich hatte fünf oder sechs Unfälle, einen nach den anderen. Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn sie mich rausgeschmissen hätten“, schaudert es Solberg. „Aber das Team schenkte mir weiterhin Vertrauen und wir fingen an, die Probleme zu lösen.“

 

Howarth erkannte die Situation richtig und handelte: “Petter fuhr das gleiche Auto wie Richard Burns. Er wusste, dass sein Platz im Team sicher war, wenn er an die Zeiten von Richard kommen würde. Seine größte Stärke war der Enthusiasmus, aber er wollte jede Prüfung gewinnen. Es dauerte eine Weile, bis wir ihm beibrachten wie man taktisch fährt und einen guten Speed durch die gesamte Rallye hält, anstatt nur zwei sehr schnelle Zeiten zu setzen und dann rauszufliegen. Zu dieser Zeit gab es noch kein Superally und wenn du draußen warst, konntest du keine Erfahrungen sammeln. In den frühen Tagen hat Petter eine Menge verpasst.“

 

Das musste auch Solberg einsehen und er konzentrierte sich darauf, ein konstanter zweiter Fahrer hinter der Nummer-1 zu werden. „Wir setzten ihm Ziele für jede Etappe an die er sich halten sollte“, beschreibt Howarth die Entwicklung. „Es ging nicht darum schneller zu werden, er sollte in der Rallye bleiben. Die Angst, es nicht gut zu machen und kein Weltmeister zu werden, war für ihn Motivation genug um uns zu zuhören.“

 

Von nun an wusste Solberg, dass er Ergebnisse statt Abflüge liefern musste. Schützenhilfe bekam er vom vierfachen Weltmeister Tommi Mäkinen, der 2002 sein neuer Teamkollege wurde. „Wir hatten die beste Freundschaft im Rallyesport die man sich vorstellen kann“, blickt Petter gerne an die Zusammenarbeit zurück. „Er hat mir eine Menge beigebracht und sagte mir, alles ist möglich, man muss nur daran glauben, dass man gewinnen kann.“

 

Der Finne erinnert sich noch genau an den jungen und draufgängerischen Solberg und wie sich der quirlige Blondschopf von einem nervösen Newcomer zu einem kompletten Fahrer entwickelte. „Natürlich versuchte ich alles um ihm zu helfen, obwohl jeder Fahrer ein anderes Setup und einen anderen Fahrstil hat“, so „Big-Mäk“. „Die Verpflichtung durch Subaru war ein großer Schritt für ihn, aber wir schauten uns genau an, wo er sich verbessern konnte. Nach ein paar Rallyes wusste er schon eine ganze Menge mehr und brauchte immer weniger Hilfe. Wir hatten wirklich eine tolle Zeit.“

 

Auch Howarth glaubt, dass die Erfahrungen Mäkinens den entscheidenden Schub für Solberg gaben. „Tommi hatte mit Sicherheit einen großen Einfluss auf Petter. Er lernte eine  Menge von ihm, vor allem wie man taktisch fährt. Tommi verbrachte viel Zeit mit Petter, um die Sachen in Ruhe zu besprechen. Egal wie gut die Beziehung zwischen Fahrer und Ingenieur, Fahrer und Manager ist, es ist einfach nicht das gleiche, wenn man mit einem anderen Fahrer redet, der im gleichen Boot sitzt. Nur sie können verstehen, was wirklich nötig ist.“

 

Die Verbesserungen waren drastisch. 2002 kam Solberg nur in Deutschland nicht ins Ziel und  holte sich den zweiten Platz in der Fahrerwertung. Viel wichtiger war jedoch der Sieg beim Saisonfinale in Wales. Während Marcus Grönholm komfortabel in Führung lag, balgten sich Solberg und Ford-Pilot Markko Märtin – zwei Jahre zuvor noch direkter Konkurrent von Petter im Subaru-Aufbauprogramm - um den zweiten Platz. Der Spitzenreiter patzte am zweiten Tag und nun lag Petter vorn. Mit fünf der noch zu vergebenen sechs Bestzeiten zementierte der Norweger eine Spitzenposition und nahm seinem Kontrahenten auf der letzten Prüfung weitere 20 Sekunden ab.

 

Solbergs Ingenieur Pierre Genon erinnert sich mit Freude an den ersten Sieg seines Schützlings. „Nachdem Grönholm draußen war,  zeigte Petter, dass er das Potenzial hatte, um Rallyes zu gewinnen. Es lastete eine Menge Druck auf seinen Schultern, viele Leute fragten immer wieder, wann er gewinnen würde. Zuvor war er noch nie in so einer Position gewesen und ich dachte nur: Jetzt wird es noch besser oder verdammt schlecht. Doch die Art und Weise wie er damit umging war sehr eindrucksvoll. Er schlug Markko deutlich und die Zeit in Resolfen zeigte klar und deutlich, dass Petter ein neues Level erreicht hatte.“ Den Moment als von seinem Sieg erfuhr, kann Solberg nur schwer beschreiben. „Es ist einfach unmöglich das in Worte zu fassen. Motorsport bestimmt mein ganzes Leben. Es war das Größte für mich zu gewinnen.“

 

Chefmechaniker John McLean ist davon überzeugt, dass der Sieg Petters Sicht der Dinge verändert hat. „Er wusste von nun an, dass er gewinnen kann. Er baute unter diesem Druck keinen Unfall und machte keinen Fehler. Aus einem jungen Star wurde einer der Top-Fahrer.“ – Und Paul Howarth ergänzt: „Als Petter die Wales Rally GB gewann, fiel eine große Last von seinen Schultern. Jetzt konnte er sich weiterentwickeln und er wollte mehr.“

 

Doch auf den zweiten Sieg musste Solberg lange warten. Erst zur Halbzeit der nachfolgenden Saison eroberte „Hollywood“ in Zypern erneut den obersten Podestplatz. Bei dieser Rallye bewies er, dass er nicht nur schnell fahren konnte, sondern auch clever. Auf den rauen Eselpfaden der Mittelmeerinsel teilte sich Solberg die Etappen gut ein, siegte mit vier Minuten Vorsprung und sicherte sich einen entscheidenden Vorteil im Kampf um die WM-Krone.

 

Es folgten Siege in Australien und Korsika und der Titelkampf sollte beim Finale entschieden werden. Die Situation war klar – wenn Petter vor Loeb ins Ziel kommt, war er Weltmeister. Liegt der Franzose vorn, ist er der neue Champion. Howarth beurteilt den Auftritt seines Fahrers noch heute als dessen beste Fahrt überhaupt. „Der wahre Sieger zeigt sich, wenn er mit Druck umgehen kann und trotzdem gewinnt. Die Bedingungen waren wirklich sehr, sehr schwierig. Extrem feucht und rutschig, in schnellen Kurven konnte es dich leicht raustragen. Petter war voll auf den Sieg fokussiert und holte sich 13 von 18 Bestzeiten.“

 

“Ich kann es einfach nicht beschreiben”, blickt Solberg auf den Titelgewinn zurück. „Ich hatte keine Strategie, sondern wollte 110% geben und sehen was passiert. Man kann das Gefühl Weltmeister zu werden nicht überbieten. Das in Worte zu fassen ist unheimlich schwer. Man kann es einfach nicht. Wenn man so lange daraufhin arbeitet, dann ist es einfach das Größte überhaupt.“

 

Der Erfolg machte Petter zu einem großen Star in Norwegen Im Gegensatz zu den Nachbarländern Finnland und Schweden, hatte das Land noch nie einen großen Motorsportler in den eigenen Reihen. Mehr als 7.500 Fans boten Solberg nach dessen Titelgewinn einen entsprechenden Empfang in seiner Heimatstadt Spydeberg, die nur 4.700 Einwohner hat.

 

Sein Fanclub hat mittlerweile über 6.000 Mitglieder. Überall auf der Welt trifft man Solberg-Anhänger, die immer wieder ihren Schlachtruf ‘You are my Solberg, my only Solberg’ anstimmen und obwohl er in diesem Jahr schon längst aus dem Titelrennen ist, kann der Norweger auf die Unterstützung seiner Fans bauen – und nutzt die als eine ungewöhnliche Form der Motivationsspritze. „Ich erhalte über das Gästebuch auf meiner Internetseite viel Support“, verrät er. „Da schaue ich während der Rallye immer wieder drauf – denn es ist eine willkommene moralische Unterstützung für mich. Es tut mir gut zu wissen, dass die Fans treu mitfühlen – in guten wie in schlechten Zeiten. Das gibt mir zusätzlichen Auftrieb.“

 

Der extrovertierte Norweger braucht das Bad in der Menge – und nutzt es deswegen sogar in virtueller Form. Doch nach den extrem enttäuschenden Auftritten 2006 entspannte er sich im kleinen Kreis der Familie: „Wir gingen zusammen mit meinem Bruder Henning in einen Kurzurlaub von einer Woche. Es tat gut, mal wieder außerhalb der Service Area ein bisschen Zeit zusammen verbringen zu können und die Zeit wirklich nur dazu zu nutzen, auszuspannen und uns um unsere Frauen und Kinder zu kümmern.“

 

Trotz der permanenten Rückschläge glaubt Solberg an den Aufschwung – nicht zuletzt wegen der vielen Tests, die Subaru in letzter Zeit abgespult hat. „Es ist schwer zusammenzufassen, was wir bei diesen Tests alles probieren. Vieles davon muss geheim bleiben“, sagt er. „Wir tun uns immer noch schwer, das Auto in eine optimale Verfassung zu bringen. Aber wir arbeiten in viele verschiedene Richtungen, und ich habe im Hinblick auf die Deutschland das Vertrauen ins Auto und ins Team sicher noch nicht verloren.“

 

Die Aufholjagd von Subaru und Solberg wird dadurch verzögert, dass die Impreza sowohl zu langsam als auch zu unzuverlässig sind – und das Team deswegen zwei große Baustellen beackern muss. Solberg gibt zu, dass ihn in dieser krisengeschüttelten Saison schon so manches Mal der Frust gepackt hätte: „Wenn ich in solchen Situationen irgendwas gesagt hätte, dann wären nur Worte dabei rausgekommen, die nicht druckreif gewesen wären. Wenn Donald Duck an meiner Stelle hätte reden sollen, dann hätte er wohl gesagt: ‚ZZ!KUGH!%GXSZ!!!!’“

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