Weltmeister im Doppelpack

Sebastian Vettel trifft Walter Röhrl

Unter Champions: Rallye-Legende Walter Röhrl und der zweifache Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel im Doppelinterview über Rallye-WM und Formel 1.

<strong>WELTMEISTER UNTER SICH:</strong> Walter Röhrl spricht mit Sebastian Vettel über Formel-1 und Rallyesport

Formel-1-Piloten sind Spezialisten, Rallye-Piloten sind Generalisten – ist so eine Klassifizierung zu einfach? Welche Charakterzüge unterscheiden die beiden Rennfahrertypen?

 

Walter Röhrl: "Ganz einfach: Der Formel-1-Fahrer lebt vom Perfektionismus, der Rallye-Fahrer von der Kunst der Improvisation." 

Sebastian Vettel: "Beide Sportarten sind sehr unterschiedlich, obwohl es in vielen Bereichen auf die gleichen Dinge ankommt: Fahrgefühl, die Fähigkeit, alles um einen herum auszublenden, und die Bereitschaft, sich und sein Fahrzeug bis ans Maximum zu pushen. Aber in der Formel 1 stehen 24 am Start und dann heißt es: Auf die Plätze fertig, los! In der Rallye fährst du allein gegen die Uhr, ohne Zweikampf, das ist wie bei uns im Qualifying."

 

Was kann ein Formel-1-Profi von einem Rallye-Piloten lernen?

 

Walter Röhrl: "Fahrzeugbeherrschung." 

Sebastian Vettel: "Neben der Fahrzeugbeherrschung vor allem das schnelle Reagieren, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Da sind Rallye-Fahrer absolute Ausnahmekönner. Bei diesem Umschalten tun sich Formel-1-Fahrer manchmal ein bisschen schwerer, da wir lange im gleichen Rhythmus unterwegs sind."

 

Umgekehrt gefragt: Was kann ein Rallye-Profi vom Formel-1-Piloten lernen?

 

Walter Röhrl: "Perfektion, also die Fähigkeit, eine absolut saubere Linie zu fahren."

 

Zur Abwechslung mal eine Frage über Fahrphysik: In der Formel 1 sollen die Räder in den Kurven nicht rutschen, in der Rallye wird oft gedriftet. Warum ist das so?

 

Walter Röhrl: "Das ist eine Frage des Untergrunds. Auf Asphalt ist der saubere Strich die schnellste Möglichkeit, auf rutschigem Terrain ist es der Drift. Die Front des Fahrzeugs zeigt dabei zur Kurveninnenseite, damit wirkt die Antriebskraft der Fliehkraft etwas entgegen und erlaubt tatsächlich eine höhere Geschwindigkeit als das stabile Fahren." 

Sebastian Vettel: "Bei uns kostet jeder Quersteher Zeit. Aber auch in der Rallye ändert sich der Fahrstil mit dem Untergrund. Gerade auf Asphalt ist es nicht gesund, zu viel zu driften. Natürlich sieht es spektakulärer aus, wenn ein Rallye-Auto dahergerutscht kommt. In der Formel 1 ist es eher selten, dass ein Auto ausbricht, weil die Aerodynamik eine viel größere Rolle spielt."

 

Herr Röhrl, Sie haben mal gesagt "Autofahren beginnt für mich dort, wo ich den Wagen mit dem Gaspedal statt dem Lenkrad steuere. Alles andere heißt nur die Arbeit machen." Sind Formel-1-Piloten für Sie demnach "Autofahrer" oder "Arbeiter"?

 

Walter Röhrl: "Ich sehe das folgendermaßen: In der Rallye ist sauberes Fahren gleichbedeutend mit harter Arbeit. Mit dem Gaspedal zu lenken, ist dagegen ein Spaß. Für mich als Fahrer war es Arbeit, denn ich habe im Rallye-Sport den sauberen Strich eingeführt und war gerade darum erfolgreich."

 

Herr Röhrl, in Ihrer langen und erfolgreichen Motorsport-Karriere sind Sie fast in jeder Kategorie des Automobilsports unterwegs gewesen. Sind Sie mal ein Formel-1-Auto gefahren?

 

Walter Röhrl: "Es gab da mal eine Vergleichsfahrt mit Formel-1-Weltmeister Emerson Fittipaldi. Das war 1980, bei meinem ersten WM-Titel. Meine Größe von 1,96 Metern war das größte Handicap im Formel-1-Auto." 

Anmerkung der Redaktion: Fittipaldi gewann im Formel-1-Wagen mit drei Sekunden Vorsprung, im Rallye-Auto siegte Röhrl mit 28 Sekunden Vorsprung.

 

Sebastian, möchtest Du mal ein Rallye-Fahrzeug testen?

 

Sebastian Vettel: "Dafür könnte ich mich auf jeden Fall begeistern. Ich hatte zwar noch nicht die Gelegenheit, ein Rallye-Auto zu fahren. Aber ich war ab und zu schon mal mit einem Auto auf Eis unterwegs – ein unheimlicher Spaß, wenn man auch mal ein bisschen rutschen darf und kann. Aber eine Rallye-Prüfung im Wald, wo dann links und rechts Bäume stehen, ist dann schon noch mal eine ganz andere Hausnummer. Als Rundstreckenfahrer muss man vermutlich erst mal mit dem Adrenalinstoß klarkommen und sich auf das Wesentliche konzentrieren: auf das Fahren."

 

Die ADAC Rallye Deutschland, der deutsche Lauf zur FIA Rallye Weltmeisterschaft, findet von 23.- 26. August in Trier und Umgebung statt. Formel-1-freie Zeit! Wie wäre es mit einem Besuch?

 

Sebastian Vettel: "Ich war schon mal bei der Rallye Finnland. Sensationell, wie schnell die Autos auf diesem Untergrund waren. Einfach unglaublich, wie präzise die Fahrer durch den Wald steuern, springen und mit einem Schnitt von 140/150 km/h die Prüfungen absolvieren. Die Rallye Deutschland wäre etwas Neues und sehr reizvoll. Mal schauen, ob es dieses Jahr klappt. Ich habe noch eine Frage an Walter: Du bist der Einzige, mit dem ich mal eine Runde auf der Nürburgring-Nordschleife fahren würde. Nimmst du mich mit?" 

Walter Röhrl: "Selbstverständlich, auch wenn du der erste Beifahrer wärst, der mich etwas nervös machen würde."

 

 

Und noch eine Abschlussfrage: Was war die witzigste Geschichte in Ihrer Motorsport-Karriere?

 

Sebastian Vettel: "Boah, die witzigste Geschichte… es kommt immer darauf an, was man als witzig definiert. Vielleicht hat der Walter da ein bisschen mehr zu erzählen, er ist schon länger dabei. Aber eine Sache ist klar: Man lebt den Sport, man ist mit Herz dabei und da muss auch mal gelacht werden. Das gehört absolut dazu, ansonsten wäre das nicht so lebenswert."

Walter Röhrl: "Kürzen wir es ab: Es gab kaum witzige Geschichten, es war immer ernst!"

 

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