Codrive bei Solberg

Schumi im WRC: „Das war ja grausam“

Rallye-Weltmeister Petter Solberg schüchterte Formel 1-Star Michael Schumacher ein. Der Ferrari-Fahrer hielt den Rallyesport nach einer geheimen Probefahrt in Schweden hinterher auf sicherer Distanz – im Gegensatz zu anderen Formel 1-Piloten, die ihre Begeisterung für die ihnen unbekannte Motorsport-Sparte nicht verhehlen.

Lachen vergangen: Michael Schumacher fand die Mitfahrt bei Petter Solberg nicht gerade lustig

Das schwedische Värmland bot ein romantisches Bild. Der Schnee liegt meterhoch, die hohen Tannen sind eingeschneit, und die Sonne bahnt sich ihren Weg durch die Wolken.

Mitten in diesem Winter Wonderland prügelt Petter Solberg das Testauto von Prodrive durch den Wald. Reifentests mit Pirelli als Vorbereitung auf die Schweden-Rallye. Die Italiener haben einen Truck voller neuer Schneereifen rauf vor die Tore von Hagfors geschickt und auf einer Lichtung mitten im Wald ihr Lager aufgeschlagen – mit einem Truck, einem Hänger und einem gelben Zeltdach, unter dem die Räder montiert werden und der Test-Subaru betreut wird. Hier in Likstjötjärn in der Nähe von Likenäs, gar nicht weit weg von der schwedisch-norwegischen Grenze, hat Prodrive eine 18 Kilometer lange Schleife im tiefen Wald als geheimes Testareal für die Subaru Impreza ausgespäht. 

Mitten in diesem unwirklichen Szenario bahnt sich die größte Sensation des Motorsport-Winters an. Auf einmal kommt Michael Schumacher samt Gattin Corinna und den beiden Kindern Gina-Maria und Mick über die Grenze. Es ist der letzte Tag eines dreiwöchigen Winterurlaubs für den Schumi-Clan. Am Abend wird man mit dem Privatflugzeug des Familienoberhaupts vom norwegischen Flughafen Gardemoens wieder gen Heimat düsen.

Schumacher will einen Plan umsetzen, den er und Solberg bei der offiziellen FIA-Meistergala in Monaco im Dezember ausgeheckt haben. Der gerade 35 Jahre alt gewordene Formel 1-Star klettert als Beifahrer neben Solberg, um zum ersten Mal in seinem Leben in einem Rallyeauto zu sitzen. „Es war komplett seine Idee“, betont Solberg. „Wir haben uns während des Abendessens über alles Mögliche unterhalten – hauptsächlich über Motorsport und Regeln. Es war sehr nett.“ - Der Ferrari-Fahrer gibt offen zu: „Früher habe ich mich sehr für die Rallye interessiert. Ich fand den Sport immer faszinierend. Aber ich würde nie selbst Rallye fahren wollen. Das wäre mir zu gefährlich.“

McRae fordert Schumacher heraus

Bereits vor Jahren hat Colin McRae Schumacher das Interesse an der Rallye verhagelt. Denn der Schotte war dreist genug, ihm über die Medien ein „Duell der Giganten“ vorzuschlagen. McRae wusste, wovon er sprach: Bei einem Test mit dem Jordan-Peugeot von Martin Brundle 1996 in Silverstone war der damals amtierende Rallye-Weltmeister auf Anhieb nur um etwa zwei Sekunden langsamer gewesen als der Engländer. Daraufhin sah sich wenig später der damalige Ford-Sportchef Martin Whitaker, der Vorgänger vom heutigen Amtsinhaber Jost Capito aus dem Siegerland, befleißigt, McRae einen weiteren Test im Stewart-Ford anzubieten – 1999, im letzten Jahr des Stewart-Teams, bevor der Rennstall des Schotten Jackie Stewart in Jaguar umfirmiert wurde.

„Colin befindet sich auf dem gleichen Niveau wie Michael Schumacher“, charakterisierter Whitaker damals. „Sie sind beide von einer gewissen Aura umgeben und bei allen äußeren Bedingungen glänzende Autofahrer. Ich würde sogar sagen, dass Colin den Formel 1-Piloten als rundum kompletter Fahrer meilenweit überlegen ist. Den könnte man in jedes Auto setzen, und er wäre schnell.“

Mit diesem Lob und der Formel 1-Erfahrung im Rücken, fühlte McRae sich bereit, den Rundstrecken-Fahrer Nummer 1 aufs Korn zu nehmen. Aber der wehrte das ihm angetragene Duell damals rundweg ab: „Vielleicht mache ich das irgendwann mal. Aber dann nur auf einer sicheren Strecke. Ich will mich nicht der Gefahr aussetzen, im Wald in die Bäume abzufliegen.“

An der Seite von Solberg findet „Schumi“ sich in diesem Winter zunächst bestätigt. Er hängt im Impreza auf dem Beifahrersitz. Sein Kopf wird hin und her gewirbelt. Meist blickt er nach unten, schaut nicht durch die Windschutzscheibe. Die Körpersprache des Rekord-Weltmeisters hat plötzlich so gar nichts mehr mit dem stets souveränen, kontrollierten und kühlen Auftreten gemein, das er in der Formel 1 an den Tag legt. Nur Passagier zu sein, sich in die Abhängigkeit eines Fahrers zu begeben – das ist nichts für Schumacher. Erst recht nicht, weil der Impreza nicht so ruhig liegt wie sein Ferrari, sondern im wilden Drift und mit vielen Richtungs- und Lastwechseln durch den Wald geschleudert wird.

„Ich glaube, er hat einen leichten Schock davongetragen“, grinst Solberg, nachdem er den Megastar chauffiert hat. „Er sagte: ´Das war ja grausam´. Es hat wirklich nichts mit dem zu tun, was er gewohnt ist. Der Unterschied kam ihm sehr extrem vor.“ Der ehemalige Norwegische Meister im Disco-Tanzen staunt: „Mir war klar, dass er beeindruckt sein würde. Aber dass er so beeindruckt sein würde – damit hatte ich nicht gerechnet.“ Dabei ist das wahrlich kein Wunder – zumal Solberg bei einem etwas zu weit angesetzten Schlenker auch noch die hintere Stoßstange an der Beifahrerseite zerdeppert. „Schumi“ muss Armageddon kommen sehen haben.

"Eine völlig neue Erfahrung"

Wenn auch nur für einen kurzen Moment der Schrecksekunde. Denn Schumi kann natürlich sofort einschätzen, ob der Mann, in dessen Hände er sich begeben hat, weiß, was er tut und das Auto beherrscht – oder ob er vom Wagen beherrscht wird. Entsprechend fasst er ratzfatz Vertrauen in die Fahrzeugbeherrschung von Solberg. Der Norweger vermittelt ihm ein Gefühl der Sicherheit – und der Kerpener verdaut den ersten Schreck schnell.

Schon auf der zweiten Runde fasst er sich wieder – und genießt den wilden Ritt im tiefen Schnee. Die Körperspannung kehrt zurück, Schumacher ist wieder Herr seiner selbst. „Das hat richtig Spaß gemacht“, schwärmt er anschließend. „Eine völlig neue Erfahrung.“ Gegenüber der schwedischen Fachzeitschrift „Sportbladet“, dem einzigen Print-Medium vor Ort, rekapituliert Solberg Schumachers Äußerungen: „Er sagte, es sei für einen Rallyefahrer einfacher, ein Formel 1-Auto zu fahren, als andersrum.“ Schumacher selbst sagte zu „Sportbladet“: „Es war eine unbeschreibliche Erfahrung, mit einem so hohen Tempo so dicht an Bäumen und Felsen vorbei zu fahren.“

Maximum Attack von Solberg

Solberg fasst zusammen: „Er hat für etwa drei Stunden bei uns vorbei geschaut. Es hat ihm wirklich Spaß gemacht. Er wollte auch gleich alles über die Abstimmung und meine Fahrtechnik wissen.“ Verschmitzt schiebt der Blondschopf hinterher: „Leider denke ich nie über meinen Fahrstil nach. Ich fahr' immer einfach los.“

Auch vom Weltmeister auf dem heißen Sitz lässt „Hollywood“ sich nicht weiter einschüchtern. „Ich habe mich nicht weiter zurückgehalten“, rapportiert der Norweger standesgemäß. „Meine Füße haben die Pedale bearbeitet wie Trommelstäbe. Es war 'ne ziemlich wilde Fahrt – gute 26 Kilometer ohne Aufschrieb und mit einigen ziemlich weiten Sprüngen, alles nur in Maximum Attack.“

Nach dem Trip an der Seite von Solberg verschwindet der Schumacher-Clan, wie er gekommen ist: Eilig und bemüht, weitgehend inkognito zu bleiben. Er wäre gern den ganzen Tag über geblieben. Doch als immer mehr Leute die Lichtung bevölkern, flüchtet er. Der Kerpener mit Wahl-Wohnsitz Schweiz will eigentlich nicht, dass sein Rallye-Abenteuer überhaupt bekannt wird. „Das ist meine Privatsache, deswegen möchte ich nicht viel darüber reden. Eigentlich möchte ich gar nicht groß mit dem Thema Rallye in Verbindung gebracht werden.“

Petter Solberg bekam von Schumacher noch keinen Ferrari-Test offeriert. „Ich würde liebend gern mal einen Formel 1 ausprobieren“, räumt der Norweger ein. „Aber ich muss zugeben, dass ich keine Ahnung habe, wie man einen Monoposto fährt. Ich habe 1996 mal ein Angebot von Renault erhalten. Aber damals ging's mit meiner Rallye-Karriere gerade so richtig ab. Ehrlich gesagt, gefällt mit der Rallyesport auch besser. Die Formel 1 ist nicht so mein Ding.“

Der deutlich publikumsnähere Solberg mag nicht nur wegen des kühleren, distanzierteren Umfelds nicht an einen Spartenwechsel denken: „Wenn ich die Chance hätte, in die Formel 1 zu wechseln – das würde ich niemals machen. So großartig finde ich unseren Sport.“

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