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"Reifen sind am wichtigsten"

Ford-Technikchef Christian Loriaux erläutert, warum die Rennreifen aus Sicht von Fahrern und Ingenieuren eine so bedeutende Rolle spielen.

<strong>Bodenhaftung:</strong> Den Reifen kommt eine besondere Bedeutung zu

Verschärfte Bedingungen: Ein strengeres Reifenreglement stellt die Teilnehmer in der Rallye-WM seit Saisonbeginn vor neue Herausforderungen. Kernpunkt der Änderungen: Bereits am Montag vor Beginn eines jeden WM-Laufs müssen Teams und Fahrer exakt jene 80 Rallye-Pneus nominieren, von denen sie im Verlaufe der Veranstaltung maximal 40 einsetzen dürfen. Bereits in der Vergangenheit waren nur zwei unterschiedliche Reifenprofile erlaubt, zum Beispiel für trockene und nasse Streckenbedingungen. Die neue Regel schränkt nun auch die Vielfalt der Laufflächen-Mischungen ein, mit denen Fahrer und Teams bislang zum Beispiel auf Temperaturschwankungen reagieren konnten.

 

Dies erschwert die Wahl des richtigen Reifentyps für die bevorstehende Gruppe von Wertungsprüfungen zusätzlich. ?Hier stets die richtige Entscheidung zu treffen, gehört für alle Teilnehmer zu den entscheidenden Faktoren?, erläutert Aimé Chatard, bei Michelin zuständig für den Rallye-Sport. ?Speziell auf der ersten Etappe der Rallye Deutschland müssen sich Teams und Fahrer auf Pneus festlegen, die vier Stunden später immer noch zum Einsatz kommen. So einen immensen Zeitabstand haben wir noch nie erlebt, erst Recht nicht angesichts des wechselhaften Wetters entlang der Mosel.?

 

Christian Loriaux ? Technischer Direktor des Ford World Rally Teams ? erläutert, warum die Rennreifen aus Sicht von Fahrern und Ingenieuren eine so bedeutende Rolle spielen.

 

Christian, was verlangen die Ingenieure eines World Rally Cars von den Pneus ihrer Allrad-Boliden?

Loriaux: ?Einfach gesagt ? sie wünschen sich natürlich die bestmögliche Performance! Die Reifen wirken sich auch in der Rallye-Weltmeisterschaft so stark auf die Konkurrenzfähigkeit eines Fahrzeugs aus wie kein zweites für sich betrachtetes Bauteil sonst. Dies trifft auf Asphalt-Rallyes vielleicht noch mehr zu als auf WM-Läufe, die auf Schotter ausgetragen werden.

 

Was müssen Rallye-Pneus leisten?

Loriaux: Sie sollen so viel Grip entwickeln wie nur irgend möglich, in Längsrichtung ? also beim Beschleunigen und Verzögern ? ebenso wie in Kurven. Diesen Grip müssen sie bei unterschiedlichsten Bedingungen zur Verfügung stellen, bei wechselhaften Asphalt- und Außentemperaturen etwa, um nur ein Beispiel zu nennen. Ihr Leistungsvermögen sollte auch über längere Distanzen möglichst konstant bleiben.

 

Wie sehen das die Rallye-Piloten?

Loriaux: Der Fahrer erwartet progressive Rückmeldungen, denn nur mit einem berechenbaren Handling kann er schnell unterwegs sein. Ich denke, genau in diesen Punkten wartet Michelin mit besonderen Stärken auf.

 

Was können Sie als Fahrzeug-Ingenieur unternehmen, um das volle Potenzial der Pneus ihrer Ford Focus WRC04 auszuschöpfen?

Loriaux: Unsere Aufgabe besteht darin, unter möglichst allen Bedingungen sicherzustellen, dass der Reifen stets mit maximaler Aufstandsfläche Kontakt zum Fahrbahnuntergrund findet. Dies beginnt bei der Konstruktion und Abstimmung der Fahrwerks-Geometrie, damit sich zum Beispiel in Kurven die unvermeidliche Rollbewegung um die Längsachse nicht negativ auf den Sturz auswirken kann oder zu massiven dynamischen Radlastveränderungen führt. Aus diesem Grunde versuchen wir auch, den Schwerpunkt unseres Focus WRC04 so niedrig wie möglich zu halten.

 

Wie gut müssen Sie dafür die Rallye-Pneus von Michelin kennen?

Loriaux: Nur wenn wir die spezielle Charakteristik der Reifen verstanden haben, können wir dafür sorgen, dass sie optimal mit dem Fahrwerk zusammenarbeiten. Dazu gehört auch das Know-how, wie sich etwa der Reifendruck auf den Prüfungen verändert, wenn sich der Pneu immer weiter erwärmt.

 

Was unterscheidet die bevorstehende Rallye Deutschland von anderen Asphalt-Veranstaltungen im WM-Kalender?

Loriaux: Mit diesem einzigartigen Mix aus wechselhaften Witterungsbedingungen und unterschiedlichsten Straßenverhältnissen stellt uns die Rallye Deutschland vor eine viel schwierigere Aufgabe als zum Beispiel die gleichförmigeren WM-Rallyes auf Korsika oder in Spanien, die sich ohnehin sehr ähneln.

 

Das heißt?

Loriaux: Einige Wertungsprüfungen gleichen typischen Asphalt-Rallyes, andere wiederum sind deutlich härter. Von der einen zur anderen Etappe werden sich zum Beispiel die Einstellungen der Dämpfer maßgeblich ändern, dies trifft insbesondere natürlich für den Samstag zu, der uns vornehmlich über die Betonstraßen des Truppenübungsgebiets Baumholder führt.

 

Wie sieht es mit den Weinberg-Prüfungen an der Mosel aus, die am Freitag auf dem Programm stehen?

Loriaux: Die Mosel-Prüfungen sind natürlich speziell, verlangen in puncto Fahrwerksabstimmung aber nicht nach außergewöhnlichen Lösungen. Für die raueren Baumholder-Pisten jedoch werden wir die Fahrzeughöhe anpassen, also die Bodenfreiheit erhöhen, denn manche Abschnitte dort erinnern eher an Schotter-Strecken denn an Asphalt.

 

Was erwarten Sie vom Wetter?

Loriaux (lacht): Wenn sich die Witterungsbedingungen bei der Rallye Deutschland genauso wechselhaft präsentieren wie in den vergangenen beiden Jahren, dann dürften im Service-Park vor jeder einzelnen Reifen-Entscheidung die Diskussionen zwischen Fahrern, Meteorologen, Ford- und Michelin-Ingenieuren mit der gleichen Intensität geführt werden wie die Duelle auf den Wertungsprüfungen...

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