WM 2014

Polen: Kein gutes Pflaster für VW-Piloten

Mit gemischten Gefühlen werden Sebastien Ogier, Jari-Matti Latvala und Andreas Mikkelsen in der kommenden Woche nach Polen reisen. Beim WM-Lauf vor fünf Jahren gab es für die drei VW-Piloten wenig Erfreuliches.

<strong>BITTERER MOMENT:</strong> Jari-Matti Latvala setzt den Ford Focus auf der letzten Prüfung der Rallye Polen 2009 in die Leitplanke

An den WM-Lauf in Polen erinnert sich Jari-Matti Latvala nicht gerne zurück. Damals vor fünf Jahren hielt Ford-Teamchef Malcolm Wilson die Champagner-Flasche in der Hand und begoss die Windschutzscheibe des Siegers Mikko Hirvonen, doch seinen Gesten fehlte jede Begeisterung, und seine Augen blickten über das Dach des Focus hinweg. 30 Meter weiter stand ein rauchendes Wrack, und es war das seines zweiten Fahrers Jari-Matti Latvala.

Es war um nichts mehr gegangen, nur noch darum, in der Mitte der Straße zu bleiben und ins Ziel zu kommen, nur ging dabei irgendwas schief im Kopf von Jari-Matti Latvala. Vielleicht lieferten die Augen falsche Bilder, vielleicht war das Gehirn nicht richtig kalibriert, vielleicht fehlte es schlicht an Konzentration, jedenfalls schnitt Latvala die lange Rechtskurve vor der letzten Zieldurchfahrt zu sehr. Das rechte Vorderrad des Ford traf die mit Beton ausgegossene Tonne gerade eben so hart, dass die Lenkung brach. Sofort bog das Auto nach außen in die Doppelleitplanke ab und blieb dort stecken. Latvalas Verzweiflung konnte man durch die getönten Scheiben wittern, wütend heulte der Motor auf wie ein angeschossenes Raubtier, das weiß, dass es mit gebrochenem Bein dem Tod geweiht ist. Ein paar Mal ruckte das Auto vor und zurück, aber das Vorderrad wollte einfach nicht mehr mitlenken, dann verbrannte die Kupplung und alles versank in weißem Löschpulver.

Einige schlugen die Hände vor den Mund, andere weinten. „Es war völlig surreal“, meinte Teamchef Malcolm Wilson Stunden später. Kurz danach fauchte er unaussprechliche Schimpfwörter in sein Telefon. Dann schwieg er wieder mit Tränen in den Augen. Latvala konnte das Geschehen noch weniger begreifen. Er, der schon jede fahrerische Peinlichkeit erlebt zu haben schien, wollte nicht akzeptieren, dass er gerade den absoluten Supergau abgeliefert hatte, nämlich die Chance auf die für seinen damaligen Arbeitgeber so wichtige Marken-Weltmeisterschaft zu vernichten und die große Jubelfeier über das Comeback des Jahres zu zerstören - auf den letzten eineinhalb Kilometern einer Mickymaus-Prüfung, völlig ohne Druck. Um das Unfassbare nicht fassen zu müssen, brach Latvala in Aktionismus aus. Er begann mit Beifahrer Miikka Anttila, den Focus zu schieben, nicht etwa in den nächsten Notausgang, nein, über die Strecke inklusive einer ordentlich bergauf führenden Brücke.

Ein paar Minuten später schien wieder Normalität Einzug zu halten. Angesichts der immer noch blockierten Piste begann der Veranstalter mit der Siegerehrung. Der Holländer Kevin Abbring stand auf dem Podium, strahlte über seinen ersten Sieg in der Junioren-WM und erhielt verdienten Beifall, doch plötzlich schrien die 8.000 Zuschauer auf den Tribünen mit einer Stimme: „Jari-Matti! Jari-Matti!“

Da kam er angelaufen, sich immer wieder wütend gegen die Fahrer-Tür werfend, um den 1,4 Tonnen schweren Focus bergauf zu schieben. Anttila stemmt sich gegen den Kofferraum-Deckel wie der tragische Sisyphus, der vergeblich immer und immer wieder denselben Felsbrocken den Berg herauf schiebt, bis er ihm dann doch wieder vor dem Gipfel entgleitet und ins Tal zurück poltert. Latvala hat die irrige Vorstellung, er könnte wenigstens noch einen Gnadenpunkt in der Marken-Wertung erreichen, wenn er es bis ins Ziel schafft. Zuschauer springen über die Absperrung und helfen ihm schieben. Die ansonsten äußerst rigiden Streckenposten hindern sie nicht.

Und so bog die traurige Prozession um die nächste Kurve, doch ein zweites Mal über die Brücke, dazu reichen die Kräfte nicht. Mit hochrotem Kopf, die Karbon-Halskrause immer noch im Genick, gibt er genau an der Zeitkontrolle auf. Aus der Distanz schaut Malcolm Wilson zu, Ehefrau Elaine behielt ihren Mann halb besorgt, halb wachsam im Auge, damit er nicht etwas Dummes tut.

Ein Offizieller holt alle in die Gegenwart zurück. Das ganze Team darf sich nun für ein Foto vor dem Siegerauto aufbauen. Die Mundwinkel wollen nicht. Wilson hockt vor dem Auto und reckt trotzig die Faust, bei den Meisten gerät das Lächeln zur Grimasse. Es wird das Siegerfoto sein, das sich von den Abgelichteten nie wieder jemand anschauen wird. Wie geht das, dass man gewonnen und eigentlich doch so bitter verloren hat?

Auch Latvalas heutige Teamkollegen haben keine guten Erinnerungen an die Rallye Polen 2009. Sebastien Ogier fiel auf Platz vier liegend wegen eines Motorschadens seines Citroën C4 WRC aus. Andreas Mikkelsen musste seinen Skoda Fabia WRC ebenfalls mit einem defekten Triebwerk am Ende des ersten Tages abstellen.

Vielleicht ist es ein gutes Omen: Die mehrtägigen Testfahrten vor Ort sind optimal verlaufen und in Polen werden die VW-Piloten ihre Argentinien-Autos einsetzen. In Südamerika landeten sie auf den Plätzen 1, 2 und 4.

VIDEO: Test Jari-Matti Latvala - Rallye Polen 2014

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