Kommentar

Nerven behalten!

Die Lage ist zweifellos ernst, aber nach dem Ausstieg der Japaner gleich die ganze Weltmeisterschaft lebendig zu begraben, ist völlig unberechtigt.

<strong>GEHT WEITER:</strong> Trotz des Subaru-Ausstiegs wird die Rallye-WM fortgesetzt

Wer hätte das gedacht? Die sonst immer so uninteressante und unbedeutende Rallye-Weltmeisterschaft ist plötzlich in aller Munde. Mütter rufen besorgt ihre Söhne an und fragen, wie diese den Ausstieg von Subaru aus der WM verkraften. Das Phänomen kennen wir schon: Kommt jemand ums Leben, und sei es scheinbar eine ganze Weltmeisterschaft, kümmern sich sogar die Tageszeitungen um unsere hübsche, kleine Randsportart. Manch große Tageszeitung widmete der Nachricht eine halbe Seite, neben der Fußball-Bundesliga. Einer der Grundsätze der angelsächsischen Medientradition lautet eben: Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten.

 

Doch unter den Rallyefans selbst wird täglich ein noch düstereres Szenario an die Wand gemalt. Nun stehe die komplette WM vor dem Aus, denn eine FIA-Regel besagt, dass es mindestens drei Hersteller geben muss, um eine Weltmeisterschaft auszutragen. Der Weltmotorsportverband hat sich offenbar bereits weitgehend in die Weihnachtsferien verabschiedet. Man hält es in Paris nicht für nötig, eine Liste mit den Herstellern zu veröffentlichen, die sich tatsächlich bis zum Meldeschluss am 15. Dezember eingeschrieben haben.

 

Sollten sich die Funktionäre tatsächlich anstatt ihrer unsinnigen Regel lieber der ganzen WM entledigen, wäre das ein schwerer Fehler. Während sich das nahezu rallyefreie Frühstücksfernsehen über die Tränen des obersten Subaru-Chefs angesichts des Ausstiegs lustig macht, wäre die Nachricht, jetzt auch noch Ford und Citroën vom Hof getrieben zu haben und allen Veranstaltern sowie den TV-Vermarktern den Teppich unter den Füßen wegzuziehen, fatal. Wenn man in Paris noch alle Latten am Zaun hat, versucht man nun, die Lage zu stabilisieren, anstatt die Krise anzufachen.  

 

Markus Stier: "Anstatt sich jammernd an die angeblich so goldenen alten Zeiten zu klammern, heißt es jetzt, vorwärts zu blicken und auf das Licht am Ende des Tunnels zuzugehen."

Ein Sprichwort sagt: Die Krise nährt die Krise. Während angesichts der eigentlichen Krise von Hochfinanz und Wirtschaft eine finstere Prognose die nächste jagt, verstärken sich die Sorgen der Menschen und führen zu noch mehr Absatzrückgängen und weiter versiegenden Kreditquellen. Genau das gleiche passiert gerade in der Rallye-WM. Die erste Reaktion vieler Schwarzseher war: Nun steigt auch Ford aus. Denen steht doch in Amerika das Wasser eh bis zum Hals. Doch Ford hat glücklicherweise noch am gleichen Tag des Subaru-Rückzuges verkündet, dass man weitermache.

 

Nehmen wir an, es käme tatsächlich zu dem Fall, dass nur noch Ford und Citroën als echte Werksteams um den Titel fahren, wäre das tatsächlich der Anfang vom Ende? Erinnern wir uns einmal der angeblich so seligen Zeiten, als Audi in die WM einstieg. Natürlich war das ein echtes Werksteam, aber 1981 bestritt man lediglich die halbe Saison. Frisch ausgestiegen waren gerade die eigentlichen Topteams Fiat und Ford. Fahrer-Weltmeister wurde damals ein gewisser Ari Vatanen in einem Semi-Werks-Escort. Den Marken-Titel holte sich Talbot mit einem einzigen Sieg durch Guy Fréquelin in einem eigentlich völlig unterlegenen Gruppe-2-Auto. Mercedes hatte sich vor der Saison zurückgezogen, der amtierende Weltmeister Walter Röhrl stand auf der Straße. War das das Ende der Rallye-WM?

 

Nehmen wir die Tage in den Neunzigern, als Bernie Ecclestone die Vermarktung übernahm, die daraus bestand, die Hersteller, die selbst TV-Bilder produzierten und kostenlos an die Sender verteilten, dazu zu zwingen, dieselben Bilder bei ihm abzuliefern und für teures Geld zurückzukaufen. Die Werke zeigten Big Bernie den Vogel und ein Jahr lang gab es in Deutschland keinerlei TV-Bilder von der WM – der Supergau der Marketing-Gurus. War das das Ende? Nein. Der letzte Weltuntergang wurde 2005 mit dem Ausstieg von Citroën und Peugeot prognostiziert. Er blieb aus.

 

Es geht nicht darum, die zahlreichen Missstände, schön zu reden. Kein ernst zu nehmender Mensch zweifelt daran, dass 2009 ein schweres Jahr wird. Man sollte nur bei allen Sorgen die Selbstheilungskräfte der Rallyeszene nicht unterschätzen. So lange es Verrückte gibt, die Spaß daran haben, mit Autos über seifige Pisten zu rutschen und so lange sich andere Verrückte in den Wald stellen, um das anzuschauen, wird es Rallyesport geben.

 

Verlieren wir zum Schluss noch ein Wort auf die angeblich so viel bessere Intercontinental Rally Challenge. Die IRC hat einen besseren TV-Deal als die WRC, aber nicht etwa weil sie so viel attraktiver ist, sondern weil der Vermarkter der Serie und der Besitzer von Eurosport  der gleiche ist. Klar, es stehen 30 Super 2000-Autos auf der Starterliste der Monte, aber sitzen in diesen Autos die besten Fahrer der Welt? Sind Luca Rosetti und Nicolas Vouilloz ein Ersatz für Sébastien Loeb und Jari-Matti Latvala? Haben 2008 Hunderttausende die Pisten der IRC gesäumt, anstatt zur Rallye-WM zu gehen? Die Situation erinnert ein bisschen an den Fußball. Kein Zweifel, dass in er italienischen Serie A ein Haufen Clubs unverantwortlich hoch verschuldet sind, aber die erste Liga abzuschaffen und darauf hinzuweisen, wie wirtschaftlich gesund die zweite ist, bringt uns keinen attraktiveren Sport.

 

Die FIA hat endlich die Tür für ein neues und hoffentlich kostengünstigeres Regelwerk geöffnet. Anstatt sich jammernd an die angeblich so goldenen alten Zeiten zu klammern, heißt es jetzt, vorwärts zu blicken und auf das Licht am Ende des Tunnels zuzugehen. Wer sagt, da vorn sei alles dunkel, dem ist nicht zu helfen, nicht in der Rallye-WM und nicht im täglichen Leben.

 

Ihr Markus Stier

 

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