HISTO

Markku Alen: Weltmeister für elf Tage!

Er ist einer der großen Superstars in der Geschichte des Rallyesports. Er war Gewinner des FIA-Cups 1978, dem Vorläufer der heutigen Fahrer-WM. Er gewann zwischen 1975 und 1988 insgesamt 20 WM-Läufe. Er startete für Fiat und Lancia, ehe er seine Karriere bei Subaru und Toyota 1993 beendete. Während der 1980er Jahre erlebte er den Umbruch des Rallyesports aktiv mit, bändigte die spektakulären Gruppe-B und fuhr deren Nachfolger bis hin zu den World Rally Cars. Und er holte einen der ungewöhnlichsten Titel: Markku Alen - Weltmeister für elf Tage.

Es ist knapp 35 Jahre her, da herrschten schwierige Zeiten im Rallyesport. Die Sicherheit der Zuschauer konnte mit der Geschwindigkeit des technischen Fortschritts nicht mehr mithalten. Beide Seiten drifteten sprichwörtlich auseinander. Die Gruppe-B-Autos waren das Wildeste und Dramatischste was der Sport jemals gesehen hatte. Aber sie hatten auch tragische Unfälle zur Folge. Die FIA zog die Notbremse und verkündete das Aus der Fahrzeuggattung mitten in der Saison, auch auf die Gefahr hin, dass die beteiligten Hersteller auf die Barrikaden gingen.

Als der Druck am größten war, wurde bei der Rally Sanremo der Peugeot von Juha Kankkunen auf Grund von angeblichen technischen Unregelmäßigkeiten auch noch disqualifiziert. Die Offiziellen monierten die Seitenschürzen gleich aller drei 205 Turbos, die nach ihrer Meinung einen unzulässigen Ground-Effect erzielten. Alen gewann, doch Peugeot legte bei der FISA umgehend Protest ein. Die Sportbehörde gab diesem später statt und der Titel ging doch noch an Kankkunen. Alen hatte sein großes Ziel erneut verpasst. "Zurückblickend kann ich feststellen, dass ich mit Sicherheit der am kürzesten amtierende Weltmeister in der Geschichte war", zwingt sich der Finne zu einem Schmunzeln. Obwohl er noch immer den Rekord für die meisten Bestzeiten hält und seinen Spitznamen "Maximum Attack" stolz wie einen Orden an der Brust trägt, Weltmeister wurde Alen nie.  

Der Kampf zwischen Peugeot und Lancia in den 80er Jahren war einzigartig. Obwohl Lancia später unglaublich erfolgreich werden würde, in den Gruppe-B-Tagen schien es, als hätten ihre Fahrzeuge immer irgendeinen Nachteil. Alle Entwicklungen kamen zu spät. Eines der Probleme war, dass der 037 und der Stratos bereits sehr gut waren. Das machte die Italiener selbstsicher und lenkte von den notwendigen Arbeiten am neuen S4 ab. Aber die 1986er Saison hat sich auch aus anderen Gründen tief in das Gedächtnis von Alen eingebrannt. Teamkollege Henri Toivonen gewann die Rallye Monte Carlo, nachdem er bereits im Herbst zuvor die RAC für sich entscheiden konnte. Doch dann kam es zum dramatischen Unfall in Portugal, der drei Zuschauern das Leben kostete. Bei der vierten Rallye des Jahres verunglückten auch Toivonen und sein Beifahrer Sergio Cresto tödlich.

Inzwischen war der bockige S4 von Lancia systematisch verbessert worden. Bei der Akropolis, der ersten Rallye des Teams nach dem Tod von Toivonen, holte Alen die meisten Bestzeiten und lag knapp hinter Spitzenreiter Juha Kankkunen, ehe sein Motor kollabierte. "Der S4 war zu Beginn kein einfach zu fahrendes Auto. Der Motor, welcher einen Kompressor und einen Turbo besaß, war sehr kompliziert", erinnert sich der Finne. "Doch dann bekam ich ein immer besseres Gefühl. In Neuseeland lief alles prima, bis plötzlich ein Forstauto die Strecke blockierte und ich das Vertrauen verlor."

Politik in Italien

Doch nicht nur schusslige Waldarbeiter kosteten Alen wertvolle Punkte im Titelkampf. Auch die Politik bremste ihn aus. Lancias-Sportchef Cesare Fiorio wollte unbedingt, dass sein Teamkollege Miki Biasion in Argentinien gewinnt. Der ausgebuffte Italiener stieg extra mit dem Helikopter auf und flog direkt vor Alen, um diesen wenn nötig einzubremsen.

Waren es zu Beginn des Jahres noch sechs verschiedene Hersteller, die um den Titel kämpften, konzentrierte sich am Ende alles auf das Duell zwischen Peugeot und Lancia. Der erste Höhepunkt im emotionsgeladenen Wettkampf erfolgte bei der eingangs erwähnten Sanremo-Rallye. "Zurückblickend war es dämlich, die Peugeots während des WM-Laufs zu disqualifizieren", so Alen. "Aber es passierte und wir bei Lancia mussten das Beste daraus machen.  Es ist keine schöne Erinnerung, nicht zuletzt weil ich im dritten Jahr in Folge mit Reifenschäden kämpfen musste und zu tun hatte, dass ich meinen Rückstand wieder aufholte. Drei Lancias lagen vorn. Biasion, Dario Cerrato und ich. Ausgerechnet vor den Fernsehkameras warteten die beiden so lange auf mich, dass ich die Rallye noch gewinnen konnte. Das war nicht gerade die feine Art, aber so konnte ich Kankkunen in der Weltmeisterschaft abfangen. Nach der Rallye lag ich nur noch zwei Punkte hinter ihm."

Einsatz in Amerika

Zwei Rallyes stehen anschließend noch aus, die RAC in Großbritannien und der neue WM-Lauf in Amerika. Bei der RAC wurde Alen Zweiter und Kankkunen kam als Dritter ins Ziel. Lancia traf sofort die Entscheidung ein Werksauto nach Amerika zu senden und Peugeot zog umgehend nach. "Wir testeten vier Tage in Großbritannien und in Italien. Das Team brachte einen stärkeren Motor für den S4 und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass wir endlich ein Triebwerk besaßen, das dem der Peugeots ebenbürtig war", erinnert sich Alen weiter.

Körperlich war es keine gute Zeit für ihn. "Ich hatte viel Stress und war durch eine Grippe geschwächt. Ich verbrachte sogar einen Tag im Krankenhaus, um Kraft für den Transatlantikflug zu tanken. So sehr hatte ich mich noch nie zuvor auf einen Einsatz konzentriert", erklärt der Finne. "Ich wusste, dass es nach 13 Jahren meine Chance auf den Titel war. Jeder im Team stand zu 110 Prozent hinter mir. Aber Peugeot steckte ebenso viel Energie in diese letzte Rallye, bei der ich die meiste Zeit vor Juha liegen würde. Am letzten Tag wurde ich immer nervöser. Aber wir erreichten das Ziel und lagen drei Minuten vor Juha. Die Lancia-Jungs waren so glücklich. 18 Monate zuvor hatten sie Attilio Bettega bei einem Unfall mit dem 037 verloren. Dann kam es zum fürchterlichen Unglück mit Henri Toivonen und Sergio Cresto im S4. Die Mannschaft nach diesen Tragödien wieder aufzurichten, war nicht einfach."

Am Ende des Jahres 1986 bereitete sich Lancia auf die folgende Saison vor. Der neue Gruppe-A-Delta musste sich am Polarkreis in Finnland beweisen. Peugeot rollte stattdessen noch einmal das Sanremo-Desaster auf. "Wir hatten seit zwei Tagen getestet, als Testchef Giorgio Pianta kam um mit mir zu sprechen", erinnert sich Alen. Das Gespräch dauerte nicht lange. "Du hast verloren", erklärte Pianta knapp den Ausgang der Berufungsverhandlung. Alen nahm das Urteil schweigend zur Kenntnis, setzte sich in den Flieger und flog heim zu seiner Familie nach Helsinki. Er brauchte ein paar Tage Abstand, um das Urteil zu verdauen. "Aber nachdem die Enttäuschung über den Titelverlust verflogen war, ist mir klar geworden, dass ich nicht einen Tag in meinem Leben ändern würde. Ich wöllte alles genauso noch einmal erleben", meine Markku. Peugeot zwar beide Titel gewonnen, stieg aber anschließend aus der Weltmeisterschaft aus. Für Lancia begann jedoch die erfolgreichste Epoche in der Firmengeschichte.  

Ein weitere Ironie in der Geschichte vom Kurzzeit-Titel: Beinahe hätte nämlich Alen 1986 im Peugeot gesessen und wäre nicht für Lancia gefahren. "Es ist schon irgendwie lustig, dass ich knapp davor stand, für die andere Seite zu fahren", sinniert Alen. "Ich hatte ein Angebot von Peugeot bekommen. Die Gründe lagen in den Problemen mit dem S4. Dessen Entwicklung lief so schlecht, dass niemand genau wusste, was passieren würde. Erst als Henri zu siegen begann, beruhigte sich die Lage."

Unangenehmer Anruf bei Jean Todt

Die Verhandlungen mit Peugeot waren geheim. "Es ist keine Geschichte, die ich gerne erzähle", windet sich Alen. "Zu jener Zeit war ich nicht gut auf Lancia zu sprechen. Alles sollte immer erst morgen passieren, niemals jetzt. Während des Trainings für die Sanremo-Rallye 1985 teilte ich meinem Beifahrer Ilkka Kivimaki mit, dass ich am nächsten Tag zu einem geheimen Treffen nach Paris reise. Dort teilte mir der damaligen Motorsportchef von Peugeot Jean Todt mit, dass er in der kommenden Saison ein Auto für mich haben wird, wenn ich denn wöllte. Ich hatte aber noch einen gültigen Lancia-Vertrag. Die Peugeot-Leute ließen nicht locker. Sie fragten mich, wie viel ich haben will, um für sie zu fahren. Wir sahen uns schweigend an. Nach 45 Minuten schrieb Jean ein paar Zahlen auf ein weißes Blatt Papier und fragte mich, ob ich damit glücklich wäre. Ich war es und unterzeichnete. In diesem Moment war mir klar, dass ich zu Peugeot wechseln würde. Ich versuchte meine Frau anzurufen, ich versuchte Ilkka zu erreichen. Doch ich erwischte niemanden und fühlte mich plötzlich sehr einsam. Eine Woche späte rief ich in Turin an, weil die Lancia-Leute ein Treffen wollten. Ich sagte ihnen, dass es zu spät sei, ich würde sie verlassen. Es ist niemals zu spät, erhielt ich als Antwort. Als ich Jean Todt nochmals anrief, um ihm mitzuteilen, dass ich meine Meinung geändert hatte, war dies der schwierigste Anruf meines Lebens. Ich hatte immer eine gute Beziehung zu ihm. Er hat mir so viel über den Sport beigebracht und war immer sehr korrekt, ich war es in dem Moment nicht."

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