WM Australien 2015

Loeb im Aus, Sensation von McRae und und und ...

Vor zehn Jahren lieferte die Rallye Australien jede Menge Schlagzeilen. Ein Rückblick auf ein denkwürdiges Saisonfinale, bei dem große Namen für eine große Show sorgten.

Von weitem wirkten die Ford-Servicezelte als seien sie mit besonders dichten Moskitonetzen verhangen. Aber Ford hatte keine Angst vor der australischen Fauna – sondern nur vor spionierenden Blicken, die nach dem neuen Focus suchten, der „down under“ seine erste Rallye bestritt – als Test im Ernstfall. Dabei hatte das unwürdige Schauspiel überhaupt keinen Zweck. Sobald die Focus aus dem Servicepark fuhren, machten kundige Augen die entscheidenden Unterschiede sofort aus: Die Wagen verfügen über einen deutlich stärkeren Motor vom französischen Tuner Pipo. Deswegen kann Ford jetzt auch ein Fünfgang-Getriebe fahren. Die vorderen Radkästen sind ähnlich wie bei Mitsubishi größer ausgeschnitten. Sie bieten Platz für eine andere Aufhängungsgeometrie – die an neu geformten Querlenkern festgemacht ist. Die sind nun nicht mehr röhrenförmig rund, sondern flach und eckig wie zwei zusammengeschweißte Platten. Toni Gardemeister befand nach den ersten Kilometern im neuen Ford: „Man hat hinten deutlich mehr Grip.“ 

Peugeots zwangsweiser Abschied aus der Rallye-WM geriet zu einer traurigen Veranstaltung. Zuerst schmiss Daniel Carlsson seinen 307 im Shakedown weg. Dann zündete er das Auto auf der ersten echten Wertungsprüfung nach einer Rolle kliffabwärts an. Marcus Grönholm, am Morgen von zwei Reifenschäden angefasst und dennoch Dritter, fing sich auf der siebten Prüfung einen Aufhängungsschaden ein. Die eigenhändige Reparatur scheiterte und das Rad stand weiterhin so schief im Radkasten, dass es sich auf dem Asphalt der Verbindungsetappe förmlich aufrieb. Die Polizei beendete das alltagsverkehrsgefährliche Treiben.

Petter Solberg hatte das Geschehen dagegen fest im Griff. Zumindest nachdem sich zwei weitere Gegner des Norwegers in Probleme manövriert hatten. Am Morgen der ersten Etappe gehörte die Rallye nämlich dem Lokalmatadoren Chris Atkinson. Der 26-jährige aus dem australischen Bundesstaat Neusüdwales setzte sich mit zwei Bestzeiten in Führung. Doch kaum in Führung, wurde Atkinson von Problemen heimgesucht: Die Spurstange einer Vorderradaufhängung bog sich durch. „Nach fünf Kilometern der sechsten Prüfung drehte sich das Lenkrad plötzlich um 180 Grad – und es passierte überhaupt nichts“, grummelte er nach dem Absturz auf Platz 13.

Solberg holte sich zwar die Führung zurück, dennoch langte „Hollywood“ auf der letzten Schleife bei der Reifenwahl daneben und ließ sich zu harte Pneus aufziehen. Verfolger Sébastien Loeb witterte Morgenluft, holte sich gleich die erste Prüfung der Schleife und damit auch die Führung – obwohl er auf der Prüfung in bester australischer „Road Train“-Manier ein Känguruh überfuhr und zu „Road Kill“ verarbeitete. „Danach wollte er sich wohl möglichst weit absetzen, weil er gewusst hat, dass ich die falschen Reifen draufhatte“, mutmaßte Solberg.

Das Vorhaben führte zu einem frontalen Baumeinschlag von Loeb. „Ich kam aus einer langen Sechste-Gang-Passage und musste das Auto für eine Linkskurve brutal zusammenbremsen. Dabei war ich einen Tick zu spät auf der Bremse“, ärgerte sich der Weltmeister. Damit lag Solberg souverän in Führung. Hinter ihm sorgte Colin McRae bei seiner erst zweiten Rallye im Skoda für Furore: Er duellierte sich mit François Duval munter um Platz 2. McRae staunte: „Mit Platz 5 oder 6 nach dem ersten Tag hatte ich gerechnet – aber dass ich um die zweite Stelle kämpfen würde, hat mich selbst überrascht.“

Seinen Teamkollegen Armin Schwarz stellte er dabei klar in den Schatten. Der 42-jährige Franke kam bei seiner letzten WM-Veranstaltung zunächst nicht über Platz 13 hinaus. „Wir brauchen nicht lang drumherumreden: Bei meiner letzten Rallye fahre ich mich mit Sicherheit nicht mehr sonst wohin, nur weil ich versuche, unbedingt mit einem Fahrer wie Colin mitzuhalten“, gab Schwarz zu.

Antony Warmbold war hingegen noch voll motiviert, denn er arbeitete noch an seinem Beschäftigungsplan fürs nächste Jahr. Der 27-Jährige startete mit Platz 6 stark, fiel dann auf die neunte Stelle zurück – und überschlug sich auf der zweiten Schleife kapital. Lag Warmbold am Morgen sogar noch vor Manfred Stohl, so übernahm der Österreicher am der vierten Prüfung die Ehre des besten Vertreters aus deutschsprachigen Landen und landete am Ende der ersten Etappe auf Platz fünf.

Dass Loeb mit seinen Begegnungen mit australischen Flora und Fauna erst das Präludium für einen spektakulären zweiten Tag gelegt hatte, konnte am Freitagabend in Perth noch keiner ahnen. Doch samstags übernahmen die Tiere die Regie. Gleich auf der ersten Prüfung hoppelte eine Känguru in die Tür des viertplatzierten Harri Rovanperä. „Das war so groß wie ein Pferd“, staunte der Finne. „Durch den Aufprall ging das Türschloss kaputt, und die Tür sprang auf.“

Rovanperä musste teilweise einhändig fahren, um die Tür zuzuhalten. Trotz des tierischen Zwischenfalls blies Rovanperä weiter zur Attacke. Und dank weiterer Eingriffe der Fauna sollte daraus sogar der Fight um Platz 2 werden. Denn als nächster nahm Spitzenreiter Solberg ein Känguru aufs Korn. „Zum Glück kauerte es wenigstens noch auf der Strecke. Wenn es gerade bei einem Sprung in der Luft gewesen wäre – daran mag ich gar nicht denken“, erschauerte es Solberg. Weil der Kühler durch ein Einschlag platzt und sofort Wasser verlor, ging der Motor kaputt. „Alles lief perfekt, wir hatten den Speed – und dann passiert irgendwas völlig Unvorhersehbares. Das haben wir alle nicht verdient.“ 

Duval übernahm so ohne Bestzeit die Führung und den Skoda von McRae verlor er schon bald aus den Rückspiegeln. Der Belgier, der noch nie einen WM-Lauf gewonnen hat und dessen Karriere bei Citroën fast zertrümmert worden wäre, lag auf einmal in Front. „Das kommt ziemlich überraschend“, gestand Sportchef Frequelin.

Stohl verstrickte sich in ein Duell mit Galli. Der Italiener passierte ihn vor dem Service. „Dann haben wir etwas mit dem vorderen Stabi experimentiert und ihn weicher eingestellt“, so Stohl. „Danach bekam ich deutlich mehr Feedback vom Auto.“ Mit dem Resultat, dass er sich Galli wieder schnappte – und der auf der folgenden Prüfung nach einer heftigen Auseinandersetzung mit Beifahrer Guido d´Amore kurz über die Richtigkeit von dessen Ansagen bei hoher Geschwindigkeit in einen Notausgang segelte. „Wir hatten Glück, dass wir danach weitermachen konnten“, bekannte Galli. „Das muss die einzige Kurve in ganz Australien gewesen sein, in der außen kein Baum steht…“

Auf der letzten Etappe fand die Sensation Colin McRaes ein jähes Ende. Der Schotte verlor auf der ersten Schleife Platz 2 an Rovanperä. Dabei beschlich ihn das Gefühl, die Kupplung rutsche zu arg. Weil die Ingenieure fürchteten, sie würde die letzten drei Prüfungen nicht überstehen, planten sie einen Wechsel beim einzigen Service. Der dauert beim Fabia normalerweise gut 20 Minuten. Doch bei McRae verwurschtelten sich die Mechaniker. „Irgendwas ist beim Wechsel fürchterlich schiefgegangen. Ich habe am Ende gar nicht mehr genau wissen wollen was“, knurrte McRae. Der Schotte musste hilflos mit ansehen, wie die Uhr runtertickte – und er wegen Zeitüberschreitens aus der Wertung genommen wurde.

Nach dem peinlichen Aus von McRae war Duvals Sieg endgültig ungefährdet. Rovanperä blieb Zweiter – und hinter ihm tobte das Duell zwischen Stohl und dem wieder erstarkten Atkinson um Platz 3. Der 33-jährige Österreicher blieb vorn. „Ich bin zweimal kurz ausgerutscht, weil ich Abzweigungen verpasst habe – schließlich musste ich im Kampf mit Atkinson alles geben. Ansonsten lief alles normal.“ - Schwarz beendete seine letzte WM-Rallye als Achter – sein bestes Saisonergebnis.

Die Geheimniskrämer von Ford hatten dagegen unter den üblichen Kinderkrankheiten zu leiden. Zuerst fingen sie sich je 30 Strafsekunden, weil sie nicht mit jenen Motoren fuhren, die in Japan zum Einsatz kamen. Hätten sie die Japan-Triebwerke eingesetzt, wären sie ebenfalls gesühnt worden – wegen der Verwendung eines für das Fahrzeug nicht homologierten Triebwerks. Sportchef Jost Capito trug es mit Fassung, schließlich sollte Australien eh nur als Test dienen. Gardemeister, wurde zunächst durch eine defekt Zündkerze eingebremst, freute sich wenig später über mehr Leistung, nachdem das Team auch ein Leck in einem Schlauch vom Lader gefunden hatte – fiel dann aber wegen eines defekten Antriebsriemens der Wasserpumpe aus. Besser lief es für Teamkollege Roman Kresta. Der Tscheche brachte das neue Auto auf einem sicheren sechsten Rang ins Ziel.

Auch die finnischen Ford-Piloten hatte ihre besondere Begegnung mit der einheimischen Tierwelt. „Eine Biene und eine Spinne haben sich vor unseren Augen auf dem Armaturenbrett einen Kampf geliefert“, staunte Co Jakke Honkanen. „Das muss eine giftige Spinne gewesen sein – denn sie hat die Biene glatt umgebracht. Danach hat sie sich irgendwo ins Auto verzogen – und wir wussten bis zum Ende der Etappe nicht wo. Das war ein bisschen Furcht einflößend.“

Ergebnis Rallye Australien 2015

1.Duval / SmeetsCitroën Xsara WRC3:19:55.0
2.Rovanperä / PietiläinenMitsubishi Lancer WRC 05+52.9
3.Stohl / MinorCitroën Xsara WRC +1:33.0
4.Atkinson / MacNeallSubaru Impreza S11 WRC '05+1:39.0
5.Galli / D'AmoreMitsubishi Lancer WRC 05+3:04.4
6.Kresta / TománekFord Focus RS WRC '06+3:09.0
7.Solà / AmigòFord Focus RS WRC '04+6:17.4
8.Schwarz / WichaŠkoda Fabia WRC +8:04.3
9.Arai / SircombeSubaru Impreza STi N11+15:43.2
10.Higgins / BarrittSubaru Impreza STi N11+17:29.8
« zurück