Latvala auf Nordschleife

"Das ist eigenartig"

Eine ganze neue Erfahrung machte Jari-Matti Latvala am Wochenende. Zum ersten Mal startete er auf der Rundstrecke. Wir fragen nach.

<strong>PREMIERE:</strong> Jari-Matti Latvala startete auf der Nordschleife

Für viele Dinge im Leben gibt es ein erstes Mal – Jari-Matti Latvala, sonst als Werkspilot des Teams BP Ford Abu Dhabi in der Rallye-Weltmeisterschaft eine feste Größe, absolvierte am Samstag auf der Nordschleife des Nürburgrings sein erstes Rundstreckenrennen. Der 25-jährige Finne nutzte den zweiten Lauf zur Langstreckenmeisterschaft als Vorbereitung auf den 24-Stunden-Klassiker, den er an gleicher Stelle mit dem Ford Focus RS des Teams „FH Köln Motorsport powered by Ford“ in Angriff nehmen wird.

 

Wie hat Dir als Rallye-Profi der erste Kontakt mit der Nürburgring-Nordschleife gefallen?

"Sehr gut, die Nordschleife ist wirklich sehr aufregend und interessant. Ich habe acht Runden gebraucht, bis ich mich halbwegs zurechtgefunden habe."


Wie steht es generell mit Deinen Rundstreckenerfahrungen?
"Als Kind bin ich etwas Kart gefahren, und wir haben mit dem Rallye-Team auch schon auf Rennstrecken getestet. Aber im Wettbewerb war es für mich eine neue Erfahrung."


Denkst Du, dass Dir der Ausflug in die „Grüne Hölle“ bei WM-Rallyes helfen wird?
"(Lacht) Nicht bei Schotterveranstaltungen! Für Asphalt-Rallyes aber auf jeden Fall. Die Nordschleife ist aus meiner Sicht dafür geradezu perfekt, sie erinnert mich etwas an eine lange, kurvenreiche Landstraße."


Hast Du schon eine Lieblingspassage für Dich entdeckt?
"(Überlegt kurz) Der Bereich „Pflanzgarten“ mit dem Sprung und den schnellen Wechselkurven im Anschluss, aber auch die schnelle Passage zwischen „Antoniusbuche“, der anschließende Senke und dem Anbremsen der „Hohenrain“-Schikane kurz vor der Start-Ziel-Geraden ist aufregend – ebenso wie das lange Bergaufstück zwischen „Bergwerk“ und „Steilstrecke“."


Wie bist Du mit dem dichten Rennverkehr klargekommen, der während der Langstreckenmeisterschaft auf dem Nürburgring herrscht – während einer Rallye bist Du immer alleine auf der Piste …
"Ja, das ist eine ganz neue Erfahrung. Du musst stets den Rückspiegel im Blick haben, wenn von hinten die schnellen Sportwagen angeflogen kommen. Aber ich selbst habe auch viele Teilnehmer überholt. Eigentlich war in jeder einzelnen Sekunde irgendwas los."


Und wie benehmen sich die Mitbewerber auf der Strecke so?
"Eigentlich sehr gut. Okay, den Autos, die um den Gesamtsieg kämpfen, überlässt du besser die Ideallinie. Aber auch bei eigenen Positionskämpfen läuft alles überraschend gesittet ab – wenn blaue Flaggen geschwenkt werden, machen die Vorderleute in der Regel sofort Platz. Ich war sehr beeindruckt, wie gut das System funktioniert."


Das ist ja auch ein Novum für Dich: Blaue Flaggen sind im Rallye-Sport nicht bekannt …
"Stimmt. Dafür würde ich mir bei Rallye-Veranstaltungen eine rote Flagge wünschen."


Wozu?
"Sie könnten signalisieren, dass die Wertungsprüfung aus irgendeinem Grund abgebrochen worden ist. Heute bekommen wir nur Gelb gezeigt und wissen nicht, was genau gemeint ist."

 


NEUE ERFAHRUNG: Jari-Matti Latvala wird das 24h-Rennen in Angriff nehmen


Ist die vergleichsweise lange Fahrtzeit, bis zu 80 Minuten am Stück, ein Problem für Dich?
"Nein, das war völlig ok. Der Wettbewerbs-Kilometer auf Wertungsprüfungen ist vor allem bei Schotter-Rallyes wesentlich anstrengender. Dennoch habe ich im Ford Focus RS-Rennwagen deutlich stärker geschwitzt. Aber das lag an den geringeren Kühlmöglichkeiten. Unser World Rally Car besitzt mehr Belüftungsöffnungen."


Wie wirst Du dich auf das 24-Stunden-Rennen vorbereiten?
"Indem ich vor allem ausgeruht und gut ausgeschlafen anreise. Denn das Fahren bei Nacht verlangt eine höhere Konzentration, und die ist auch eine Frage der persönlichen Fitness."


Anders als früher geht Ihr in der Rallye-Weltmeisterschaft heute nur noch selten im Dunkeln an den Start. Vermisst Du diese zusätzliche Herausforderung?
"Nicht bei jeder Rallye. Bei der Rallye Schweden gab es eine Nachtprüfung, das ist toll. Auch auf Schotter macht es im Dunkeln viel Spaß."


Wie oft und was trainierst Du?
"Drei bis vier Trainingseinheiten pro Woche. Dabei lege ich großen Wert darauf, viele unterschiedliche Sportarten auszuüben. Ich könnte auch nur laufen, aber das hilft zum Beispiel der Oberkörpermuskulatur – die für uns sehr wichtig ist – nur wenig."


Was machst Du stattdessen?
"Im Winter viel Ski-Langlauf, ansonsten Badminton, Boxtraining, Joggen und Orientierungsläufe, die bei uns in Finnland sehr populär sind. Dabei musst du mit Kompass und Karte in der Hand unterschiedliche Markierungen im Wald finden und legst dabei bis zu zehn Kilometer zurück."


Hast Du dich im Cockpit nicht etwas einsam gefühlt – so ganz ohne Beifahrer …
"Stimmt, das ist irgendwie eigenartig. (Lacht) Zu Beginn hätte ich mir tatsächlich jemanden gewünscht, der mir einen Aufschrieb vorliest. Aber im Ernst: Ich konnte am Freitagmorgen einige Besichtigungsrunden mit Paul Wijgaerts drehen …"


… dem Fahrwerksingenieur von Ford, der den Ford Focus RS auf der Nordschleife abgestimmt hat …
"… genau. Er hat mir die Linie gezeigt – und gleich auch noch erzählt, wer an welcher Stelle schon mal abgeflogen ist (lacht). Aber das hat mir insgesamt viel gebracht."


Mit anderen Worten: Du hast dich auf den Beifahrersitz gesetzt?
"Genau. Das war ganz schön komisch, denn auch Paul steigt vor Kurven sehr spät auf die Bremse. Genau genommen sitze ich doch lieber links."


Wie sehr musst Du deinen Fahrstil umstellen? Der Rundstrecken-Ford Focus besitzt Frontantrieb, dein World Rally Car einen technisch sehr ausgefeilten Allradantrieb …
"Der größte Unterschied macht sich beim Bremsen bemerkbar. Im Ford Focus RS WRC bremse ich mit dem linken Fuß, das geht im Nordschleifen-Auto aufgrund seines praktisch serienmäßigen Getriebes nicht. Lediglich in schnellen Passagen kann ich den Wagen mit Linksbremsen etwas ausbalancieren. Aber auch dabei sollte ich aufpassen, nicht die Bremsen zu überhitzen."


Musst Du dich sehr zurückhalten, nicht einfach über die Kerbs abzukürzen – so wie ihr bei Rallyes in den Kurven „cuttet“, also auf der Innenseite räubert?
"Ja, das ist schwierig. Die hohen Randsteine müssen wir unbedingt vermeiden. Dabei haben wir auch bei den Rallyes festgestellt, dass nicht jedes „Cutten“ sinnvoll ist – wenn dabei zum Beispiel der Ölwannenschutz aufsetzt, kann dies unter Umständen zu viel Schwung kosten."


Dann kann nach dem 24-Stunden-Rennen auf der Nordschleife aus Deiner Sicht die Rallye Deutschland ja kommen, oder?
"Ja, ich hoffe sehr, dass mir diese neue Erfahrung viel bringt. Denn bei der Rallye Deutschland habe ich noch etwas Luft nach oben, was meine Performance betrifft."


Welche Strecken liegen Dir dort besonders – die Wege in den Weinbergen, die Prüfungen im Truppenübungsgebiet Baumholder oder die schnellen Landstraßen im Saarland?
"Baumholder finde ich absolut ok. Es geht rauf und runter, es ist flott und die Straßenoberfläche bietet guten Gripp. Wäre es reiner Schotter, würde es glatt an Finnland erinnern. Auch die engen und unebenen Weinbergpfade mag ich – auch wenn es sehr einfach ist, dort viel Zeit zu verlieren."

 

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