WM 2015

Das Finale: Eine Frage der Ehre

Die wichtigsten Entscheidungen sind alle gefallen, doch beim letzten Kräftemessen der Saison wird keine Langeweile aufkommen. Dafür sorgt allein schon der außergewöhnliche Zeitplan der Rallye Großbritannien.

Sie ist ein absoluter Klassiker im Kalender der Rallye-Weltmeisterschaft und ein Schmaus für jeden echten Fan dieses faszinierenden Sports: Die Wales-Rallye Großbritannien – Insidern noch immer unter ihrem früheren Namen „RAC“ geläufig – setzt mit ihren ebenso geliebten wie gefürchteten Schotterprüfungen erneut den Schlusspunkt der WM-Saison. 

Auch wenn alle WM-Titel in der Topklasse bereits vergeben sind: Langeweile müssen die Zuschauer entlang der Wertungsprüfungen nicht befürchten – ebenso wie ein Sieg bei der Rallye Monte Carlo oder der „1000-Seen“ in Finnland wiegt der Erfolg in Großbritannien aus Sicht der Fahrer besonders schwer. 

Der neue und alte Champion Sebastien Ogier zum Beispiel will im Land der Kelten sein jähes Aus bei der Rallye Spanien vergessen machen, als er seinen Volkswagen Polo R WRC auf der letzten Wertungsprüfung nach einem Fahrfehler abstellen musste. Da werden aber Andreas Mikkelsen und Jari-Matti Latvala, seine Kollegen im Team des Markenweltmeisters, etwas dagegen haben: Der Norweger, der in Katalonien seinen ersten WM-Lauf gewonnen hat, und der zweifache Großbritannien-Sieger aus Finnland streiten noch um den Vizemeisterschaft. Mit 26 Punkten Vorsprung ist Latvala allerdings so gut wie durch. 

Meeke und Evans im Mittelpunkt

Besonderes Augenmerk liegt natürlich auf den Heimfavoriten – und da dürfen sich die Briten exakt zwei Jahrzehnte nach dem „RAC“-Sieg und ersten WM-Titel des legendären Colin McRae endlich wieder auf zwei vielversprechende Starter freuen. Mit seinem Citroën DS3 WRC würde der frühere McRae-Schützling Kris Meeke nach seinem Premierensieg in dieser Saison liebend gerne einen zweiten WM-Lauf gewinnen. Den möchte allerdings auch sein Teamkollege Mads Östberg der französischen Marke schenken. Lokalmatador Elfyn Evans und Ott Tänak – sein estnischer Teamkollege bei M-Sport Ford – wissen, dass sie sich mit einer starken Leistung für ein 2016er-Cockpit empfehlen müssen. Derweil will Thierry Neuville seine und die Saison von Hyundai mit einem Glanzlicht beenden. Auch Dani Sordo und Hayden Paddon wollen das gestiegene Vertrauen des koreanischen Herstellers rechtfertigen und die erste Generation des i20 WRC mit einem weiteren Topergebnis in den Ruhestand verabschieden.

Kevin Abbring (Hyundai) und Stephane Lefebvre (Citroën) setzen ihre Gesellenzeit in der Topliga fort und werden sich mit starken Privatiers wie Fiesta RS WRC-Fahrer Robert Kubica auseinandersetzen müssen – der Ex-Formel 1-Pilot aus Polen startet am kommenden Wochenende unter Umständen vorerst zum letzten Mal in einem World Rally Car. Dasselbe gilt für Ford-Fahrer Martin Prokop, der im Januar zunächst zur Dakar reist und anschließend kürzer treten will. 

Nur eine Prüfung ist anders

Dabei gastiert das Saisonfinale zum zehnten Mal in Folge in Wales. Der Service-Park befindet sich auch in diesem Jahr wieder im Gewerbegebiet von Deeside, einem 50.000-Einwohner-Städtchen am Ufer des Flusses Dee unweit der Grenze zu England und kaum 20 Kilometer unterhalb von Liverpool gelegen. Gegenüber dem Vorjahr blieb nur eine einzige Prüfung unverändert, alle übrigen wurden so oder in ähnlicher Form aber bereits in der Vergangenheit genutzt. Manche wie etwa „Hafren“ – mit 32,14 Kilometern die längste WP der Veranstaltung – oder auch „Sweet Lamb“, „Dyfi“ und die besonders pittoreske „Great Orme“ entlang der felsigen Westküste von Llandudno gehören zu den Ikonen des Rallye-Sports.

Extrem langer Samstag

Die Freitagsetappe umfasst zwei identische 65,70-Kilometer-Schleifen über je drei WP, dazwischen liegt eine Reifenwechselzone im etwas weiter südlich gelegenen Newtown. Insgesamt kommen in Wales pro World Rally Car maximal 30 Reifen zum Einsatz, so wenig wie noch nie bei diesem WM-Lauf zuvor. 

Rallye – das hatte einst immer auch eine Ausdauerkomponente. Beispiel RAC-Rallye 1975: Sie dauerte fünf Tage und führte über 72 (!) Wertungsprüfungen durch ganz Großbritannien. Eine immense Belastung für Mensch und Material. Heute besitzen die Läufe zur Rallye-Weltmeisterschaft ausgeprägten Sprint-Charakter: Es zählt in erster Linie Vollgas vom ersten bis zum letzten Meter, über Stock und Stein, Sand und Asphalt. Doch auf der zweiten Etappe der diesjährigen Rallye Wales feiert der Marathon-Gedanke ein Comeback.

Der für moderne Maßstäbe extrem lange Samstag beginnt bereits um fünf Uhr morgens, erst nach zwei WP im Dunkeln kehrt der WM-Tross gegen 21 Uhr nach Deeside zurück. Am Sonntag folgen vier weitere Wertungsprüfungen mit der 10,64 Kilometer langen „Brenig 2“ als sogenannte Power Stage zum Schluss: Hier teilen sich die drei WP-Schnellsten insgesamt sechs WM-Zusatzpunkte. Mit 310,15 WP-Kilometern fällt die Wales-Rallye Großbritannien vergleichsweise kurz aus.

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