Jänner-Rallye

Wagner: "H wie Heldenepos"

Was sich bei der Jubiläumsausgabe der Jänner-Rallye ereignet hatte, kann man – speziell aus der Sicht von Simon Wagner nur mit einem Satz charakterisieren: Zu gut, um wahr zu sein!

<strong>STARKER AUFTRITT:</strong> Simon Wagner mischte im betagten Evo die EM-Spitze auf

Simon Wagner hatte zugeschlagen, ausgerechnet bei diesem großen Kult-Event, mit dem die Rallye-Europameisterschaft 2013 eröffnet wurde. Auf WP3 „St. Oswald“  hatte seine große Stunde geschlagen: Mit einem Auto, das beinahe so alt ist wie er selbst, schaffte der erst 19jährige eine Gesamtbestzeit. Und das vor Stars wie Ex-Weltmeister Stig Blomqvist, Skoda-Werkspilot Jan Kopecky oder Francois Delecour, seines Zeichens ehemaliger Gewinner der Rallye Monte Carlo. Und selbstverständlich auch vor der österreichischen Elite, wie Raimund Baumschlager oder Beppo Harrach. So etwas hat die Rallye-Welt schon lange nicht mehr gesehen, schon gar nicht in Österreich.

 

Die erste Prüfung begann mit Platz 23 gesamt noch relativ „normal“. Aber dann kam WP 2 („Liebenau“) und dort ging’s los: Plötzlich klopften Simon Wagner und Michael Gallistl als Drittschnellste gesamt bei den ganz Großen an – inmitten einer Armada von Super 2000-Fahrzeugen und ähnlichen modernen Top-Fahrzeugen. Mit dieser Sensation gelang ihnen nebenbei der Sprung auf Platz 14 in der Zwischenwertung – natürlich wiederum gesamt. Hier hatte sich auch zum ersten Mal die Reifenwahl richtig bezahlt gemacht. Noch idealer waren die schmalen, vollbespikten Pirelli-Räder auf der WP 3 („St. Oswald“) und der Umstand dass diese Prüfung für alle Piloten vollkommen neu war! Und man ahnt, was nun kommt: Der bereits angesprochene WP-Sieg bei schlechter Sicht und Nebel, auf Schnee und Eis war fällig, über sechs Sekunden vor dem Zweitschnellsten. Das große Wunder der 30. Jänner-Rallye.

 

Damit waren Simon Wagner und Michael Gallistl bis auf den fünften Platz der Gesamtwertung vorgestoßen. So konnte es natürlich nicht weitergehen, ohne sich selbst und den Mitsubishi Lancer Evo III zu überfordern. Man begnügte sich in der Folge damit, Top-Zeiten in der Gruppe H zu fahren – immer noch eine hervorragende Leistung gegen diverse Mitsubishi Lancer Evo V oder VI.

 

Doch nach der sechsten Prüfung hatte sich Simon bei einer Zeitkontrolle in Freistadt vom Auto entfernt, um die Toilette aufzusuchen – unerlaubterweise, wie sich herausstellte. Zwei Stewarts hatten das beobachtet, und flugs war er seine überlegene Gruppe H-Führung los: Drei Minuten Strafzeit. Damit hatte das Desaster seinen Lauf genommen, denn so etwas kann das innere Gleichgewicht schon gewaltig stören. Der übersteigerte Ehrgeiz, die verlorene Zeit so gut als möglich wieder aufzuholen, verschärfte die Gangart, und schließlich war das Tempo dann doch eine Schuhnummer zu groß – auch für Wagner’sche Verhältnisse. Auf der siebenten Prüfung war man extrem schnell unterwegs ist dann auf den Vordermann aufgelaufen, musste überholen und berührte kurz vor dem Ziel mit dem Vorderrad einen Randstein, die Felge brach und auch der Reifen war sofort kaputt. Unlenkbar  rammte der Mitsubishi mit der rechten Seite eine Hausmauer. Nach kurzer Schadensbesichtigung wechselten Wagner/Gallistl den vorderen Reifen und beendeten die WP 7 mit 10 Minuten Zeitverlust.

 

Auf dem Weg zur WP 8 traten erneut Schwierigkeiten auf, diesmal an der Kühlung. Ein Folgeschaden der beschädigten Stoßstange. Vater Friedrich hatte zwar noch rechtzeitig Wasser zum Nachfüllen beschafft, doch dann wurde der Copilot von Übelkeit und Kreislauf-Schwierigkeiten befallen, das Aufgeben war unvermeidbar. Zumindest für die Freitags-Etappe.

 

Über Nacht hatten sich sowohl Michael Gallistl als auch der Mitsubishi Lancer Evo III auf wundersame Weise erholt und so konnte der Samstag unter der Anwendung der SupeRally-Regelung zu Reifen- und Fahrwerkstest genützt werden. Denn: Die nächste Jänner-Rallye kommt bestimmt! Die ganze Sache wurde jetzt ohne Druck angegangen, aber auf der letzten Prüfung – „zufällig“ die besonders lange und schwierige Aisttal – wollte Simon es doch noch einmal wissen und fuhr wieder einmal eine Bestzeit in der Gruppe H und 20. Gesamtzeit in der EM!

 

Dies war das Ende einer mehr als abenteuerlichen Jänner-Rallye, bei der die Höhen die Tiefen aber eindeutig überragten. Mit seinen Top-Zeiten auf den Prüfungen 2 und 3 mit unterlegenem Fahrzeug hat Simon Wagner sein unglaubliches Talent bewiesen und hofft jetzt auf Unterstützung, denn jetzt hätte eine volle Rallye-Saison allererste Priorität. Und auch wenn das Fahrzeug mit Fragezeichen „dekoriert“ war (wohl wegen des derzeit noch akuten Sponsorenmangels), so können doch alle Beteiligten sagen: „Wir kommen wieder – keine Frage!“

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