Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Mitsubishi Lancer Evo

Die Zeit als reinrassige Rallyerakete ist vorbei. Der neue Lancer Evolution verliert nicht nur die Zahl aus den Namen, sondern soll sich auch ziviler benehmen und neue Zielgruppen erobern.

 

Ein gewagter Schritt von Mitsubishi, das raubeinige Image des legendären Nippon-Racer zu verwässern. Doch wie bei der berühmten Romanfigur von Robert Louis Stevenson lauert tief im Inneren des Evos immer noch das Tier und wehe wenn es los gelassen wird.

 

Die Zeiten von „The Fast and the Furious“ sind vorbei. Die Hauptrollen in künftigen Filmstreifen über tuningwütige Jugendendliche gibt Mitsubishi kampflos an die Konkurrenz ab. Mit dem neuen Lancer Evolution streben die Japaner in Richtung BMW und Audi. Den Subaru Impreza STI als Rivalen der Rennbahn? Schnee von gestern. Die neuen Rivalen heißen M3 und S4. Um gegen die deutsche Elite bestehen zu können, packten die Japaner alles was gut und teuer ist in ihre neueste Kreation. Besonders beim Fahrwerk wurde nicht gespart. Hinter dem Zungenbrecher S-AWC (Super All Wheel Control) verbirgt sich feinste Antriebstechnik. Um eine optimale Traktion zu gewährleisten, wertet das System gleich eine ganze Reihe von Quellen in Bruchteilen einer Sekunde aus. 

 

Das aktive Mittendifferenzial ACD  verteilt das Antriebsmoment mittels einer elektronisch geregelten Lamellenkupplung situationsgerecht zwischen Vorder- und Hinterachse. Die „Active Yaw Control“ (AYC) erkennt ein eventuelles Unter- beziehungsweise Übersteuern des Fahrzeuges und beeinflusst passend den Kraftfluss an der Hinterachse. Um ein Untersteuern in der Kurve zu vermeiden, wird dabei mehr Kraft auf das kurvenäußere Rad geleitet. Zum Rund-um-Sorglos-Paket kommt die elektronische Stabilitätskontrolle und ein Sport-ABS, welches den Lenkradeinschlag als zusätzliche Infoquelle nutzt.

 

 

GEDOPT: Der neuentwickelte Evo-Motor leistet nun 295 PS

 

Auch beim Motor hat Mitsubishi drauf gepackt. Satte 295 Pferdchen schlummern unter der zerklüfteten Motorhaube, bei Bedarf wuchtet der Zweiliter-Turbo 366 Newtonmeter auf die Kurbelwelle. Die Mehrleistung ist auch bitter nötig. Zusätzliche Ausstattungen und Sicherheitsmerkmale schlagen mit  60 Kilo Zusatzgewicht gegenüber dem Vorgänger zu Waage.

 

Besonders stolz sind die Mitsubishi-Ingenieure auf das neu entwickelte Doppelkupplungsgetriebe mit der Bezeichnung Sport Shift Transmission (SST). Gerieten früher die Gangwechsel in einem Evo zum ungewollten Kopfnickkommando, so geht nun alles wie von Geisterhand und ohne merkliche Zugkraftunterbrechung. Wenn man möchte, dann kann man mit kleinen Paddles hinter dem Lenkrad die Gänge wechseln - wahlweise im Normal- oder Sportmodus, bei letzterem dreht der Evo höher und schaltet noch schneller in den nächsten Gang. Für richtig viel Spaß sorgt der Modus „Super Sport“. Jetzt geht es im Drehzahlband noch höher hinaus, der Motor spricht giftiger an. Es arbeitet auf einem höheren Drehzahlniveau und lässt durch seine dynamische Charakteristik eine noch sportlichere Fahrweise zu. Profi Uwe Nittel fiebert einer möglichen Homologation des SST für den Rallyesport bereits entgegen. „Das wäre mein Traum. Es ist zwar 20 Kilo schwerer, aber dann hast du echtes WRC-Feeling“, schwärmt der Schwabe.

 

NEU: Das neue SST-Getriebe hätte Uwe Nittel gerne in seinem Rallye-Evo


Optisch präsentiert sich der neue Lancer Evolution deutlich sportlicher als sein Vorgänger. Knackig und scharf sind die Linien. Die Front mit dem gefräßigen Kühlermaul und den spitzen Scheinwerfern sorgen für das nötige Überholprestige im Rückspiegel des Vordermanns. Der riesige Heckflügel auf dem Kofferraum für den nötigen Anpressdruck. Hier darf der Evo noch Evo sein. Im Innenraum fallen die Blicke sofort auf die die Recaro-Sportsitze vom Typ Schraubzwinge. Sie passen perfekt, bieten ungeahnten Seitenhalt, aber auch den nötigen Komfort, damit lange Etappen nicht zur Tortur geraten. Das Lenkrad liegt wunderbar in der Hand, jedoch muss Mitsubishi erneut Kritik einstecken, dass es zwar in der Höhe, aber nicht in der Länge verstellbar ist. Das Armaturenbrett wirkt nicht überfrachtet und ist sehr übersichtlich, die verwendeten Materialien könnten jedoch hochwertiger sein. Zur MR-Ausstattung gehört auch das umfangreiche Navigationssystem mit Touchscreenmonitor und 20 GB Festplatte, auf der man Bedarf seine Musiksammlung ablegen kann.

 

Kurzer Dreh am Zündschlüssel, der Evo erwacht zum Leben. Nur ein entferntes Grummeln lässt die Kraft erahnen, die sich gerade warm läuft. Die Fahrt durch den dichten Startverkehr absolvieren wir gemütlich im Automatik-Modus, kaum geht es auf die lange Serpentinenstrecken, ist aber Schluss mit Lustig. Nun darf sich unser schwarzer Dr. Jekyll in den ungezähmten Mr. Hyde verwandeln. Rein in den manuellen Modus des SST, drauf auf das Gaspedal. Doch was ist das? Der erhoffte Tritt ins Kreuz bleibt aus. Kein wilder Ritt auf der Kanonenkugel. Stattdessen gleichmäßiger Schub. In 6,3 Sekunden sprintet der Neue mit dem SST-Getriebe von 0 auf 100 km/h. Der Evo9 war sechs Zehntel schneller. Macht sich Enttäuschung breit? Nur kurz, denn einmal in Fahrt, weiß der Mitsubishi wie er seinen Besitzer verzaubern kann.

 

SCHARFE OPTIK: Der neue Evo tritt deutlich sportlicher als sein Vorgänger auf

 

Das Fahrwerk ist einfach eine Wucht und versetzt den Seelenfrieden des aufgeschreckten Evo-Jüngers wieder ins Gleichgewicht. Wank- und Nickbewegungen wurden auf ein absolutes Minimum reduziert. Der Lancer liegt in Kurven wie das sprichwörtliche Brett und macht die Punkte wieder gut, die er nach dem enttäuschten Antritt und Sound eingebüßt hatte. Sportliche Naturen schalten naturgemäß schnell die überflüssige Elektronikhilfen ab. Jetzt wedelt der Lancer noch leichtfüßiger um die Kurven und lässt sich manchmal zu einem kleinen Übersteuern zwingen. Doch wirklich aus der Ruhe bringen lässt sich der Evo nicht. Gelassen zieht er seine Bahnen und hilft auch weniger talentierten Lenkradakrobaten Bereiche der Fahrphysik zu erobern, die man zuvor nicht für möglich gehalten hatte. Jetzt ergreift der Lancer die Macht über deine Sinne und verpasst dir den ersten Schuss der Evo-Droge, von der man nur schwer wieder los kommt. 

 

Was der Spaß kostet? Den „einfachen“ Lancer Evolution gibt es ab Juli für 45.950 Euro. Die „einmal alles komplett“ Variante MR rollt für 53.850 Euro über den Händlerhof. Wir wünschen viel Spaß beim Kontoplündern.


Technische Daten
Mitsubishi Lancer Evolution MR

Motor und Antrieb: Otto-Reihenmotor mit Turboaufladung, 4 Zylinder, 4 Ventile pro Zylinder, Hubraum: 1.998 ccm, max. Leistung: 217 kW (295 PS) bei 6.500 U/min, max. Drehmoment: 366 Nm bei 3.500 U/min, permanenter Allradantrieb, 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe

Fahrwerk: Spurweite vorn 1.545 mm, Spurweite hinten 1.545 mm, Radaufhängung vorn: McPherson-Federbeine, Radaufhängung hinten Multilink-Einzelradaufhängung, Bremsen vorn zweiteilige, innenbelüftete Sport-Scheibenbremsen mit 350 Millimeter Durchmesser
Bremsen hinten innenbelüftete Scheibenbremsen mit 330 Millimeter Durchmesser, Räder und Reifen 18-Zoll-Leichtmetallfelgen mit Reifen der Größe 245/40

Maße und Gewichte: Länge 4.505 mm, Breite 1.810 mm, Höhe 1.480 mm, Radstand 2.650 mm, Leergewicht 1.600 kg, Zuladung 440 kg, Kofferraumvolumen 323 Liter, Tankinhalt 55 Liter

Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 242 km/h, Beschleunigung 0-100 km/h 6,3 sec., Gesamtverbrauch 10,5 Liter auf 100 km, CO2-Emission: 250 g/km

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