Kolumne

Ideenlos. Anstandslos. Schamlos.

Das „österreichische System“ rennt auch im Rallyesport, meint Manfred Wolf.

<strong>PLÄNE:</strong> In Österreich gibt es echte Live-Ergebnisse bald nur noch gegen Geld

Der österreichische Journalist, oder besser gesagt der Österreicher, ist ja einiges gewöhnt. Das liegt zum einen sicher daran, dass man es in unserem schönen Alpenland nicht immer ganz genau nimmt, in vielerlei Hinsicht. Ob mit der Wahrheit, dem Anstand, dem gesunden Hausverstand, dem guten Benehmen, oder der Gesetzeskonformität. Oft hat man halt das ABGB nicht bei der Hand, mein Gott. Die Politik geht da mit bestem Beispiel voran und in den Etagen darunter wird nur zu gern nachgehüpft, was „die da oben“ längst salonfähig gemacht haben. Womit sich vielleicht erklären lässt, warum es nun auch im österreichischen Rallyesport mit dem Anstand langsam aber sicher vorbei zu sein scheint.

 

Man verzeihe dem Autor diesen auf den ersten Blick waghalsigen Vergleich. Aber das, was Aktive, Fans und Journalisten im Moment von den Veranstaltern mit blumigen Worten unter die Nase gerieben bekommen, darf man gelinde gesagt als bodenlose Frechheit bezeichnen – und als offensichtlichen Versuch, jeden halbwegs mündigen Menschen im erweiterten Rallye-Umfeld in aller Offenheit für vollkommen dämlich zu verkaufen.

 

„Live am Rallyegeschehen, 45 Minuten vor allen anderen“ prangt in stylish-fetten Lettern auf der Homepage www.oerm-timing.at. Und weiter: „Noch aktueller, noch schneller und immer bestens informiert“. Für eine Jahresgebühr von nur 10,- Euro könne man sich damit „immer vor allen anderen“ die Livezeiten auf sein Handy, sein iPad oder seinen Laptop holen. Na Bumm. Es wäre ja nicht so, dass das bislang noch nicht funktioniert hätte. Zuerst per SMS (damals auf Initiative der Internetplattform www.drive-in.at), dann per WAP und schließlich per Internet kann man sich seit mittlerweile zehn Jahren auf dem aktuellsten Stand halten, was die Zeiten der einzelnen Sonderprüfungen aller Meisterschaftsläufe betrifft. Aber GRATIS, bitteschön, so wie es in der Rallye-WM, der IRC und überall anders eben auch ist und bleibt.

 

Die einzige Neuerung also, die dieses ach-so-tolle Zeitenservice für uns bietet: Es ist kostenpflichtig! Frei nach dem Motto „und bist du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt“ wird einem auf der Homepage auch gleich die Rute ins Fenster gestellt: „Sollte Ihnen die Kaufvariante nicht zusagen, gibt es noch immer die Free-Version, welche dieselben Inhalte zur Verfügung stellt, jedoch um 45min zeitversetzt die Daten anzeigt.“ Womit die glorreichen Erfinder von www.oerm-timing.at endgültig ihre Maske fallen lassen, um ihr wahres Gesicht zeigen: Weder geht es hier um ein verbessertes Service für den Rallyefan oder eine neue Art der Vermarktung, nein, es geht vielmehr darum, mit aller Gewalt auch an dieser Ecke noch ein paar Euros lukrieren zu können. Da passt es ins Bild, dass man den Teilnehmern selbst – die mit ihren Nenngeldern Blödheiten wie diese immerhin maßgeblich mitfinanzieren – brühwarm die Auskunft erteilt, dass sie „selbstverständlich“ ebenfalls zahlen müssten, um aktuelle Zeiten zu bekommen.

 

Inwieweit dies nun Rückschlüsse auf den Zustand der österreichischen Rallye Staatsmeisterschaft oder auf den Geisteszustand der handelnden Personen zulässt, wollen wir großzügig offen lassen. Fakt ist allerdings, dass man sich zum einen sogar die Ausgaben für ein anständiges Bezahlsystem per Kreditkarte oder PayPal zu neidig war – offensichtlich rechnet man nicht einmal selbst damit, dass auch nur irgendjemand dieser nicht besonders subtilen Form der Erpressung anheim fallen wird. Zum anderen hat man auch galant „vergessen“, ein anständiges Impressum auf der Homepage zu integrieren. Was nicht nur höchst unanständig, sondern, so ganz nebenbei, laut §3 ECG auch verwaltungsstrafrechtlich relevant ist.

 

Es steht zu hoffen, dass die Veranstalter – Jänner-Rallye und ARBÖ Admont Steiermark Rallye ausgenommen, denn weder Ferdinand Staber noch Kurt Gutternigg beteiligen sich an dieser Abzocke – vielleicht doch noch zur Vernunft kommen und ihre Energie statt in solch sinnlose Aktionen in eine bessere Vermarktung der österreichischen Rallye Staatsmeisterschaft investieren. Dort steht mit dem Thema TV-Rechte nämlich die nächste große Baustelle an, und auch da gibt es wohl schon sehr bald von höchst wunderlichen Vorgängen zu berichten…

 

Manfred Wolf

 

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