FRISS DIE STRASSE!

Ford Focus RS

Rallyefans aufgepasst! Es gibt sie wieder. Die sportlich kernige Rakete, mit echtem Hang zu unserem geliebten Sport. Vergesst alle verweichlichten Lancer Evolutions und Imprezas dieser Welt, ab sofort übernimmt Ford die Sache und hat ein extra heißes Eisen im Feuer geschmiedet. Der Focus RS ist zurück und mit 305 PS stärker denn je.

 

Plötzlich herrscht helle Aufregung in der kleinen Reifenwerkstatt mitten im Zentrum der französischen Stadt Grasse. Grund für die ungewohnte Hektik ist nicht etwa maulende Kundschaft, sondern vielmehr der giftgrüne Ford Focus RS, der sich dumpf röchelnd durch den lähmenden Straßenverkehr quält. Pierre und seine zwei Kollegen sind völlig aus dem Häuschen, der Daumen wird gereckt, ihre kleine Digitalkamera erlebt den Höhepunkt ihres Daseins. „Magnifique“, rufen sie dem Auto noch laut hinterher, in der Hochburg des Sebastien-Loeb-Fanclubs ist damit das Urteil  über den neuen Focus schon nach dem bloßem Vorbeirollen äußerst positiv ausgefallen. Nur schwer vorstellbar, was es für Steigerungen des Wortes gegeben hätte, wären die Jungs in der glücklichen Lage gewesen, den neuen Superstar im Ford-Lager an diesem Tag selbst auszuprobieren. Was sie erlebt hätten, hört sich fast so unglaublich an, wie es sich in Wirklichkeit anfühlt: Ford zeigt, wie man es schafft, über 300 PS mit einem Vorderradantrieb sauber auf die Straße zu bringen. 

 

VOM RS SCHWER BEGEISTERT: Die Jungs aus der Reifenwerkstatt und Werkspilot Mikko Hirvonen

Für dieses Kunststück hat man tief in die Trickkiste gegriffen und begann bereits im Jahr 2001 mit der Entwicklung der sogenannten „Revo“-Achse. Das Team rund um Projektleiter Marc Simon konnte dabei besondere Erfahrungen nutzen. Vor vier Jahren entwickelten sie die Radaufhängung des Ford Focus WRC, das anschließend zwei Mal den Titel in der Konstrukteurs-Weltmeisterschafte holte. „Zwischen dem, was wir für die Rallye-WM-Einsätze entwickelt haben, und dem neuen Ford Focus RS besteht in der Tat ein unmittelbarer Zusammenhang“, bestätigt Simon.

 

Die Vorderachse basiert auf  der klassischen McPherson-Federbein-Konstruktion der übrigen Focus-Modelle. Allerdings wird bei der „Revo“-Version der sonst aus einem Stück bestehende Achsschenkel in zwei Teile aufgeteilt – eines fixiert Federbein und unteren Querlenker, das andere rotiert um die Lenkachse des Autos. Ähnlich einer Doppelquerlenker-Konstruktion erlaubt sie es zum Beispiel, den kritische Abstand zwischen Radmittelpunkt und Lenkachse – den sogenannten Störkrafthebelarm– auf weniger als die Hälfte dessen zu minimieren, was bei einem konventionellen McPherson-Layout mit Breitspur-Fahrwerk möglich wäre. Zusätzlich wurden Federn und Stabilisatoren angepasst, die Spur um vier Zentimeter verbreitert und zur weiteren Verbesserung der Traktion kommt noch ein Sperrdifferenzial mit 35 Prozent Sperrwirkung zum Einsatz. Was sich kompliziert liest, macht beim Fahren umso mehr Freude.


Druckvoll katapultiert sich der RS aus dem Stand in nur 5,9 Sekunden auf Tempo 100. Antriebseinflüsse sind im Lenkrad kaum spürbar, die Fuhre schiebt an, als gäbe es kein Morgen mehr. Selbst in engen Haarnadelkurven und bei voller Beschleunigung geht die Kraft nicht in qualmenden Reifenrauch auf. Wenn überhaupt einmal nötig, dann greift das serienmäßige ESP erst sehr spät ein. Auf Wunsch lässt es sich auch komplett deaktivieren, aber einen wirklichen Zeitgewinn würde man damit nicht erreichen. Ford-Versuchsfahrer haben die Nordschleife mit ESP genauso schnell umrundet, wie ohne, erklärt man stolz. Natürlich habe man zu Beginn der Entwicklung auch über eine Allradversion nachgedacht und einen  Versuchsträger gebaut. Doch das Ergebnis war ernüchternd, erklärte Jost Capito, Chef des RS-Entwicklungsteams. Zu schwer und nicht mehr agil genug sei das Auto damit gewesen, die Geheimwaffe „Revo“-Achse gab jeglichen Allrad-Gedanken den letzten Rest.

 

MODELL SCHRAUBZWINGE: Die speziellen Sportsitze des RS bieten einen perfekten Seitenhalt und noch genügend Restkomfort

Tüchtig Gehirnschmalz investierten die Ford-Techniker aber nicht nur in das Fahrwerk. Für die Verpflanzung in den RS musste der 2,5-Liter-Fünfzylinder ebenfalls noch einmal auf die Hantelbank. Geänderte Steuerzeiten, verstärkte Kolben und ein größerer Turbolader mit mehr Ladedruck (bis zu 1,4 bar) sind ebenso klassische Tuningmaßnahmen, wie Modifizierungen im Ansaug- und Abgastrakt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: 305 PS bei 6.500 Umdrehungen feuert der Motor bei Bedarf ab, sein Drehmoment erreicht zwischen 2.300 und 4.500 Touren einen konstanten Spitzenwert von 440 Newtonmetern. Schon aus dem Leerlauf dreht der Fünfzylinder willig hoch und verwöhnt dabei mit einer Kulisse, die an alte Rallye-Klassiker mit vier Ringen im Kühlergrill erinnert. Soundtechnisch hat Ford alles richtig gemacht, was es richtig zu machen gab. „Wir haben auch eine Menge Arbeit reingesteckt“, zeigt sich Capito mit dem Ergebnis zufrieden. Das gierige Luftschnappen im unteren Drehzahlbereich geht nahtlos in einen röchelnden Abgassound  über. Höhepunkt ist das Ablassgeräusch des Turboladers. Gänsehautfeeling pur. Immer wieder ertappt man sich selbst dabei, voll auf das Gaspedal zu steigen, um kurz danach zu lupfen und wieder das herrliche „Pffffrrrr“ zu genießen.


Äußerlich schindet der RS mächtig Eindruck. Mit riesigem Maul wartet er gierig darauf, die nächsten Meter Asphalt zu fressen. Üppige Schweller, dicke Kotflügel und die verdammt schicken 19 Zoll Räder prägen die Seitenansicht, am Heck thront der mächtige Heckflügel oben und unten zeugen dicke Auspuffrohre und der Diffusor von der direkten Verwandtschaft zum World Rally Car. Ohne Zweifel, der RS fällt auf und versteckt seine Sportlichkeit nicht unterm zahmen Blechkleid. Die rigorose Optik ist dabei durchaus Mittel zum Zweck, denn bei einer Höchstgeschwindigkeit von 263 km/h ist aerodynamische Stabilität gefragt. „Auch das haben wir auf der Nordschleife erprobt“, berichtet Capito nicht ohne einen gewissen Stolz.

 

MACHT EINDRUCK: Auch der optische Eindruck des Focus stimmt. Der auffällige grüne Farbton bleibt dem RS-Modell vorbehalten

Im Innenraum sorgen Alu-Pedale, Karbon-Einlagen und zusätzliche Rundinstrumente für Sportlichkeit. Höhepunkt sind die passgenauen Recaro-Sportsitze, die nicht nur ausreichend Seitenhalt bieten, sondern auch noch genügend Rest-Komfort. Damit erfüllt der Neue ein wichtiges Entwicklungsziel: Hohe Alltagstauglichkeit. Untersuchungen vom Ford haben ergeben, dass der RS von seinen Besitzern in den meisten Fällen als Erstfahrzeug benutzt wird. Entsprechend viel Wert legte man darauf, dass auch ein Auto der 300 PS-Klasse von jedermann problemlos bewegt werden kann. Verweichlicht ist der RS deswegen noch lange nicht. Sein sportliche Härte ist zwar jederzeit spürbar, doch kann man mit ihm auch gelassen durch den Großstadtdschungel cruisen. In seinem Element ist der Focus aber in freier Wildbahn. Ein besseres Terrain als die alten Monte-Prüfungen in den Seealpen hätte sich Ford für die Präsentation des RS gar nicht aussuchen können. Kurz und knackig wird zwischen den sechs Gängen mit Hilfe eines verkürzten Schalthebels gewechselt, die Pizza-großen Bremsen (336 mm) verzögern ohne die geringste Unlust und der Motor hängt jederzeit prächtig am Gas. Präzise folgt der RS den Lenkbewegungen seines Besitzers und schiebt dessen Grenzbereich in völlig neue Dimensionen.


Wie heiß ersehnt der RS in der Fangemeinde ist, zeigt der Auftragseingang. Allein in Großbritannien wurden 2.000 Kaufverträge vorab geschlossen, ohne dass irgendwo ein Testbericht, geschweige denn Vorführwagen zu finden war. Den Weg nach Deutschland finden nur 1.000 RS-Modelle, dann ist das gute Stück ausverkauft. Angesichts eines Preises von 33.900 Euro, dürfte das sicherlich schnell passiert sein.

 

Technische Daten
Karosserie: Viersitzige Limousine, Länge x Breite x Höhe 4402 x 1842 x 1497 mm, Radstand 2640 mm, Leergewicht 1468 kg
Motor: Fünfzylinder-Reihenmotor, Abgasturbolader und Ladeluftkühler, Hubraum 2522 cm³, Leistung 305 PS (224 kW) bei 6.500 U/min, max. Drehmoment 440 Nm bei 2.300 U/min
Fahrwerk: Vorn Einzelradaufhängung an McPherson-Federbeinen, versetze Schraubenfeder-/Gasdruckstoßdämpfer-Kombination, untere Dreiecksquerlenker; Stabilisator (24 mm Durchmesser); patentierte Ford Revo-Vorderachsschenkel mit starrer Anbindung des Querstabilisators, hinten Multilink-Einzelradaufhängung als Schwertlenker-Hinterachse auf verstärktem Hilfsrahmen, Gasruckstoßdämpfer und Stabilisator (24 mm Durchmesser), Bremsscheiben vorn 336 mm innenbelüftet, hinten 302 mm
Fahrleistungen: 0 – 100 km/h 5,9 s, 50 – 100 km/h (4. Gang) 5,3 s, Höchstgeschwindigkeit   263 km/h, Verbrauch    9,4 l/100 km

 

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