Nationale Szene

NAVC: „Dem DMSB nicht bedingungslos unterwerfen“

Am Rande des sogenannten Ringberg-Wochenendes des „Neuen Automobil- und Verkehrs-Club“ – (NAVC) hatten wir Gelegenheit mit Sportpräsident Joseph Limmer zu sprechen. Dabei ging es auch um das Verhältnis zum DMSB.

Der NAVC zählt inzwischen knapp 900 aktive Sportfahrerlizenznehmer – so viele wie nie zuvor. Einige Motorsportler stellen den NAVC dabei immer noch gerne in die Schmuddelecke und sagen, er sei gar nicht berechtigt, Motorsportveranstaltungen im öffentlichen Straßengrund ausrichten und genehmigen zu dürfen, was entgegnen Sie dieser Aussage?
Als erstes muss ich mal klarstellen, dass nicht der NAVC, sondern die DAM diese Veranstaltungen genehmigt und durchführt. Die DAM ist dabei das Pendant zum DMSB, während der NAVC Trägerverein der DAM ist, ähnlich wie es AvD, DMV und ADAC beim DMSB sind. Der Gesetzgeber stellt dabei unsere DAM rechtlich mit dem DMSB auf eine Stufe und erwähnt deshalb DAM und DMSB namentlich in der Verwaltungsvorschrift zu § 29 StVO, welche die gesetzliche Grundlage von Ausnahmegenehmigung für Motorsportveranstaltungen im öffentlichen Straßengrund ist. Somit sind unsere Veranstaltungen vollkommen legal, nach den gesetzlichen Vorgaben versichert und jeder aktive Motorsportler in Deutschland kann daran teilnehmen, denn es sind keine illegalen Autorennen, wie so mancher Mitbewerber dies gerne propagiert.

Aber es gibt dann doch einige grundsätzliche Unterschiede zwischen dem NAVC bzw. der DAM auf der einen und dem DMSB auf der anderen Seite?
Also einen markanten Unterschied sehe ich im Aufbau. Wir haben in der ganzen DAM keinen hauptamtlich Angestellten, alle Mitarbeiter sind ehrenamtlich aktiv. Nur in der Verwaltung der NAVC-Sportabteilung gibt es hauptamtlich Beschäftigte, die nur mit der Abarbeitung von Verwaltungsaufgaben betraut sind. Der Rest der Mitarbeiter sind von unseren Sportfahrern gewählte Personen im Ehrenamt. Nur ich als NAVC-Sportpräsident werde von den Delegierten des NAVC-Kongresses gewählt. Selbst die weiteren vier Mitglieder unserer Amateur Sportkommission und unser Sportgericht werden von den Sportfahrern, also von unseren Lizenznehmern, demokratisch gewählt. Niemand wird von außen und ohne Zustimmung der Sportfahrer bestimmt. Den größten Unterschied sehe ich jedoch in der allgemeinen Finanzierung unseres Verbandes. Bei uns hat keine Industrie oder ähnliches etwas zu sagen. Das hat natürlich für uns finanziell keine Vorteile, doch ist es für die Offenheit und Transparenz unseren Mitglieder gegenüber doch sehr förderlich und fördert die Akzeptanz unserer Entscheidung deutlich. Ohne jetzt dabei der Konkurrenz etwas Böses nachsagen zu wollen, aber es hat sich für mich schon oft der Eindruck erweckt, dass der Grundvater manches Gedanken nicht in Frankfurt sitzt, obwohl es nach außen den Anschein haben soll. 

Mir ist heute aufgefallen, dass das Spitzengremium der DAM, die Amateur Motorsportkommission – ASK, schon klare und ganz konkrete Vorstellungen hat, wohin es gehen soll, jedoch nur einen Leitfaden vorgibt. Die detaillierte Ausgestaltung dieses Leitfadens überlassen Sie dann einer Diskussion zwischen den Aktiven und Veranstaltern. Soll sich dadurch jeder einbezogen fühlen, damit keiner denkt, es wird über seinen Kopf hinweg entschieden?
Ja, das kann man durchaus so sagen. Es ist aber natürlich trotzdem erforderlich, dass ein Verbandsgremium oberhalb dieser Sportfahrertagung das letzte Wort hat, um alles in geordnete Bahnen zu lenken. So könnte bei dieser Tagung beispielsweise beschlossen werden, dass jeder unserer Deutschen Meister eine Prämie von 10.000 Euro bekommt.  Solch ein Beschluss kann natürlich für unsere Amateur Motorsportkommission nicht bindend sein. Daher muss es ein Kontrollgremien geben, das sagt: Liebe Freunde, das habt ihr zwar so beschlossen, aber so geht es leider nicht. Ansonsten sind wir über jeden qualifizierten Beitrag und jede rege Diskussion an unserer Sportfahrertagung zu den angesprochenen Themen dankbar.

Joseph Limmer ist seit 1998 NAVC-Sportpräsident

Wo wir dann wieder beim Leitfaden wären, der die ungefähre Richtung, in die es gehen soll, klar vorgibt und beschreibt?
Genau, jeder Sportfahrer darf einen Antrag zu dieser Tagung stellen, ob das jetzt die technischen Reglements oder die sportlichen Bestimmungen betrifft, spielt dabei keine Rolle. Wird ein Antrag positiv von der Versammlung beschieden, sind wir natürlich stark bemüht, diesen umzusetzen, auch wenn mancher Antrag mal gegen der Meinung unserer Motorsportkommission geht – aber so funktioniert nun mal Demokratie, da läuft auch nicht immer alles so, wie es sich der Chef vorstellt. Da geht es uns wie so manchem Politiker in München, Berlin oder Brüssel auch.

Ist also diese Sportfahrertagung für Sie das ideale Mittel, um die Entscheidungen des Verbandes bekannt zu geben, diese zu diskutieren und dabei die Meinung und die Resonanz dazu gleich zu spüren und zu hören, wie auch Fragen und Missverständnisse gleich auszuräumen oder Probleme und Nöte der Sportfahrer offen und auf Augenhöhe miteinander zu besprechen?
Ja, so wollen wir auch, dass diese Tagung abläuft und wir möchten das auch ganz bewusst so beibehalten. Natürlich kann man nicht alles durch diese Tagung absegnen lassen und zu manchen Punkten ist diese Sportfahrertagung auch nicht ganz repräsentativ, da die Regionen unterschiedlich stark vertreten sind. Hätten wir eine Delegiertenversammlung wäre das anders, aber das wollen wir nicht. Wir möchten, dass jeder einen Antrag stellen, Vorschläge machen und frei seine Meinung zu allem sagen kann. Die Sportfahrertagung fasst aber keinerlei bindende Beschlüsse für die DAM, sondern wir nutzen diese Veranstaltung um genau zu spüren und zu hören, was „unser Volk“ will, damit wir nicht an diesem vorbei agieren.

Im letzten Jahr haben wir hier an diesem Ort unser KNR-System – was bei uns für Kopf- und Nackenrückhaltesystem steht – den DMSB-Fahrern wohl besser bekannt als HANS, eingeführt. Dieser Beschluss wurde innerhalb unserer Amateur Motorsportkommission gefasst und den Fahrern bei der Sportfahrertagung mitgeteilt und dessen Einführungsgründe hier erörtert. Solche Entscheidungen kann man nicht den Aktiven im Grundsatz überlassen, aber man muss es den Aktiven offen und transparent begründen können. Wir haben uns bei Neuerungen wie dem KNR-System schon immer ganz bewusst etwas länger Zeit gelassen, weil wir nicht immer gleich drauflos springen, wenn es irgendwo etwas Neues gibt. Hat es sich dann entwickelt und ist ausgereift, bringt es uns zudem etwas in Sachen Sicherheit, im Veranstaltungsablauf oder wir glauben einfach, dass es für uns von Vorteil ist, werden wir es auch einführen. Nur treffen wir eben, im Vergleich zu anderen, diese Entscheidungen nicht hinter verschlossenen Türen, sondern stellen uns bewusst auch einer nicht immer ganz einfachen Diskussion mit den Sportfahrern und Veranstaltern, schließlich machen wir ja für sie diese Arbeit und nicht gegen sie. Außerdem wissen wir als verantwortliche Verbandsfunktionäre bei weitem nicht alles und wir bauen ganz fest, auf die Meinung und das Fachwissen unserer Basis.

Schauen wir nun speziell zu den Rallyeveranstaltungen des NAVC. Diese Veranstaltungen hatten im Schnitt in diesem Jahr knapp 100 Teilnehmer, während die DMSB-Rallyes bei weniger als 50 im Schnitt lagen. Diese Wanderung vom DMSB hin zum NAVC hat schon vor einigen Jahren eingesetzt, aber verstärkte sich durch das Ende der DMSB-Gruppe H und die Einführung des DMSB-Kraftfahrzeugpasses nochmals stark in diesem Jahr. Sehen Sie und der NAVC hier neue Chancen, oder liegen darin auch Risiken für den Verband?
Es ist natürlich nicht alles Gold, was glänzt, und wir forcieren oder bewerben diese Abwanderung vom DMSB auch nicht, aber wir wollen und werden auch keinen aufhalten, der zu uns kommen möchte. Wenn es jemanden bei uns gefällt und er kommt, um bei uns zu bleiben, werden wir ihn sicher nicht aufhalten. Aber wir machen keine aggressive Werbung für uns, wir wollen keinem ADAC und keinem DMSB einen Teilnehmer abwerben. Und das können wir auch gar nicht. Auch unser Verband kennt seine Probleme. So haben wir zu wenige Clubs und zu wenige Leute, die sich in die Organisation einbringen. Bei uns kommt noch hinzu, dass wir alle ehrenamtlich tätig sind, was die Sache eher noch erschwert. Oft können wir schon heute unsere Teilnehmer nicht mehr befriedigen, da es zu wenige Veranstaltungen gibt und die, die es gibt, oftmals restlos überfüllt sind und nicht jeder starten kann, der das auch möchte.

Der enorme Startzuwachs der letzten Jahre ist für uns eine große Herausforderung geworden, wir fragen uns, wie wir das in Zukunft stemmen können. Als wir früher mit 20 Teams fuhren, war das noch Feierabendspaß, aber heute ist das eine Vollzeitbeschäftigung geworden für uns, denn wir wollen den Leuten auch etwas bieten und natürlich auch uns stetig steigern und verbessern, um attraktiv zu bleiben. Ich bringe an dieser Stelle gerne das Beispiel mit dem evangelischen und dem römisch-katholischen Glauben. Viele Leute sind der Meinung, dass die evangelische Kirche besser und offener ist, als der katholische Glaube. Das mag vielleicht auch so sein. Laufen aber alle Katholiken zu den Evangelischen, dann ist das für sie auch nicht zu bewältigen, da es an Personal und Infrastruktur fehlt. Und so ginge es uns auch, wenn nun Massen von DMSB-Fahrern zu uns kämen.

Womit wir nun bei dem Verhältnis zwischen dem DMSB auf der einen und dem NAVC mit der DAM auf der anderen Seite wären. Es ist ja kein Geheimnis, dass der DMSB schon lange und immer wieder gerne gegen Leute vorgehen möchte, die sich bei Ihnen und bei ihm engagieren. Da soll es auch häufiger mal die offene Drohung des Lizenzentzugs geben aus Richtung Frankfurt am Main. Es war ja auch hier ein Thema unter den Aktiven. Wie stehen Sie und ihr Verband zu diesen Drohungen?
Ich glaube nicht, dass der DMSB etwas großartig unternehmen wird. Aber wissen Sie, der DMSB hat viele Mitarbeiter in seinen Trägervereinen und seiner eigenen Geschäftsstelle, die wollen ja auch jeden Tag beschäftigt sein und müssen eine Daseinsberechtigung nachweisen. Da ist es natürlich ganz praktisch, wenn man solche Dinge betreiben kann. Das stört mich eigentlich eher weniger, manchmal kostet es mich ein müdes Lächeln, aber sonst ist das kein Problem für uns. Was mich allerdings mehr stört, sind die Aggressionen mit denen der DMSB auf Genehmigungsbehörden losgeht, die unsere Veranstaltungen genehmigt haben, um die zuständigen Verwaltungsangestellten und die Behörden einzuschüchtern. Sie wollen damit einfach nur erreichen, dass diese Behörden unsere Veranstaltungen nicht mehr genehmigen, wir haben dazu auch schon einige Beispiele und Fälle gesammelt. Dieses unsägliche Verhalten sollte von Seiten des DMSB bald mal aufhören, sonst sind wir leider gezwungen etwas dagegen unternehmen zu müssen.

Planen Sie aktuell schon die Einleitung rechtlicher Schritte gegen den DMSB?
Wir gehen davon aus, dass solche Schritte niemals erforderlich sein werden und spielen in dem Part gerne die passive und zurückhaltende Rolle. Wir werden abwarten, was passiert, und uns dazu einstweilen nicht in der Öffentlichkeit äußern.

Meinen Sie, dass es aufgrund der momentanen Situation – der NAVC ist überfüllt, viele Aktiven sind aber mit dem DMSB und seiner Sportpolitik völlig unzufrieden und möchten abwandern – in den nächsten Jahren weitere und neue Motorsportverbände geben wird in Deutschland?
Ich kann mir durchaus gut vorstellen, dass es in Zukunft weiter Verbände geben könnte, aus einem ganz einfachen Grund, sowas gibt es in anderen Sportarten auch, im Boxen, Tanzen oder Sportschießen ist das schon lange Gang und Gebe. Wenn es weitere Leute gibt, die unseren Sport ihren Dienst erweisen und für den Sport arbeiten möchten, vielleicht auch neue Wege bestreiten, kann das durchaus funktionieren. Festlegen mag ich mich da aber nicht, aber dagegen einzuwenden gibt es natürlich nichts. Und an dieser Stelle fällt mir ein alter Spruch ein: „Konkurrenz belebt das Geschäft“. Davon könnten wir alle profitieren. Außerdem glaube ich, dass diese Monopolgeschichten, auch im Sport, bald Geschichte sein werden, denn eigentlich sind diese sogar gesetzlich verboten oder dürfen zumindest nicht gefördert werden. Gerade im modernen Europarecht gibt es einige Passagen dazu, die einigen Leuten in Deutschland überhaupt nicht gefallen, auch und gerade in den führenden Sportverbänden nicht.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des NAVC und der DAM?
Ich wünsche mir neue Veranstalter und Vereine, aber vor allem neue und junge Mitglieder für den NAVC. Dynamische, motivierte und kreative Köpfe, die die Zukunft unseres Vereins gestalten möchten mit ihren Ideen und bereit sind sich ehrenamtlich im Motorsport zu engagieren und in unseren Ortsclubs und dem Verband mitzuarbeiten. Wenn ich keine engagierten Mitglieder mehr habe, erübrigt sich auch alles andere. Den Motorsport allgemein plagen natürlich auch Nachwuchssorgen und die aktuellen politischen Diskussionen werden das sicher nicht verbessern.

Für die DAM speziell hoffe ich, dass es so weitergeht wie bisher, dass wir möglichst unfallfrei unseren Sport betreiben können und weiterhin auf das nötige Verständnis unserer Sportfahrer und Veranstalter sowie natürlich auch der Behörden und Anwohner unserer Veranstaltungen stoßen. Den Verantwortlichen wünsche ich das nötige Durchhaltevermögen, eine Motorsportveranstaltung ist nun mal nicht im Vorübergehen auf die Beine gestellt. Ich wünsche uns eine schöne Zukunft, genügend Nachwuchs, der nicht nur auf die subtotale Bespaßungsgesellschaft abfährt, sondern in die Vereine geht, um sich dort einzubringen und ganz besonders wünsche ich mir, dass die Anzahl der eingetragenen Vereine im Bereich des Motorsports erhalten bleibt, so gut, wie es eben geht.

Ein wichtiges Anliegen hätte ich dann noch zum Schluss!

Welches wäre das?

Wir haben nichts gegen eine Annäherung an den DMSB oder den DMSB selbst, im Gegenteil. Um das hier mal unmissverständlich klar zu stellen. Aber nur, wenn man uns unsere Freiheiten lässt, unseren Sport so auszuüben, wie wir es wollen, und unsere Entscheidungen zu treffen, wie wir sie für richtig halten, so wie bisher. Wir haben auch keine Probleme den DMSB als internationaltätigen deutschen Spitzenverband anzuerkennen und eine Art Kooperationspartnerschaft anzustreben. Aber wir werden uns dem DMSB nicht bedingungslos unterwerfen. Jedoch war in den bisherigen Gesprächen zwischen uns und dem DMSB diese bedingungslose Unterwerfung aber die Grundvoraussetzung von Seiten des DMSB für weitere Gespräche und jeglicher Form einer Zusammenarbeit. Es können sich aber alle Sportfahrer des NAVC und Veranstalter der DAM sicher sein, dass wir uns keinem DMSB und auch keiner anderen Organisation jemals unterwerfen werden, sondern nur und ausschließlich dem Gesetzgeber.

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