MOTOR

Tracktest Renault Clio Rally5

Ein Start beim EM-Lauf auf den Azoren sollte zeigen, ob man mit einem Einstiegsmodell der kleinsten FIA-Kategorie auf der großen Bühne mitmischen kann. Also rein in den Renault Clio Rally5 und rauf auf die kernigen Schotterpisten.

Ein kurzer Test im Vorfeld und zwei Durchgänge über die vier Kilometer lange und von der EM-Elite mit ihren Turboallradlern ebenfalls zerpflügte „Shakedown“-Piste brachte noch vor dem Rallye-Start wichtige Erkenntnisse. Allen voran jene, dass ein Fronttriebler der kleinsten FIA-Kategorie nicht nur für lokale Asphaltrallyes taugt, sondern auch härtesten Schotterpisten gewachsen ist.

Das liegt vor allem an der gelungenen, im Prinzip sogar überdimensionierten Basis: So setzt der von einem seriennahen, 180 PS starken und 300 Newtonmeter leistenden 1,4l-Turbo-Vierzylinder angetriebenen Renault Clio Rally5 auf das gleiche Chassis, wie der rund 50 PS stärkere Clio Rally4, in dem der aktuelle Junioren-Europameister den Titel holte.

Auch die Bedienung ist nahezu gleich. So sind die direkte Lenkung und das sequentielle Fünfgang-Getriebe im für faire 43.000 Euro netto angebotenen Einstiegsmodell identisch mit denen des knapp 30.000 Euro teureren Rally4-Hightech-Fronttrieblers. Wieviel Hirnschmalz im Thema Ökonomie steckt, zeigt sich beim Antrieb: Aufgrund der höheren Kräfte ist im größeren Bruder auf der rechten Seite eine stabilere Antriebswelle verbaut, auf der linken Seite sind dagegen die beiden Autos identisch. Gleiche Teile bedeuten dank höherer Stückzahlen geringere Kosten. Meist sind die Bauteile, wie die linke Antriebswelle exemplarisch zeigt, für höherer Kräfte ausgelegt und damit deutlich belastbarer.

Nur gut also, dass wir beim flotten Kurvenschneiden in den Spuren der EM-Asse uns vorne links und nicht rechts einen Reifenschaden einhandelten. Die Fahrt auf der Felge bis ins Ziel der Wertungsprüfung steckte unser Gefährt ohne Murren weg. Ein kurzer Check der Mechaniker und die Antriebswelle bleibt – Laufzeit bis zum Wechsel satte 1500 WP-Kilometer! Ähnliches gilt für den kleinen, im Gegensatz zum 17.300 Euro teuren Rally4 Triebwerk mit 6.370 Euro fair zu Buche schlagenden Turbomotor. Besser noch: Eine Revision beim Rally5-Aggregat steht erst nach 3.300 Wettbewerbskilometer, also selbst für Vielfahrer erst nach einer internationalen Saison, an.

Passt der Aufschrieb reicht ein strenger Gasfuß, um Ruhe in die Fuhre zu bekommen. Auf unebenen Passagen ist allerdings Vorsicht geboten. Verliert die Hinterachse den Bodenkontakt wird’s mitunter heikel. Nach Wellen schlägt die Hinterhand aus wie ein Rodeo-Pferd und erinnert den Gastfahrer an jene glorreichen Zeiten, als die kleinen Franzosen vom Schlage eines Peugeot 205, Citroën Saxo oder Renault Clio der ersten Generation hinten noch mit Drehstäben daherkamen und kurze Schläge ungefiltert weiterreichten. Um böse Überraschungen zu vermeiden, ließ der Autor dieser Zeilen im Aufschrieb solche Stellen in drei verschiedene Kategorien von „Step 1“ bis „Step 3“ notieren.

Dumm nur, dass sich schon die Teststrecke durch die vielen Teilnehmer so sehr veränderte, dass der Clio nach einer vermeintlich moderarten Welle plötzlich senkrecht stand, die Besatzung für den Bruchteil einer Sekunden nur noch die Schotterpiste vor Augen hatte und die Fahrzeugnase den Boden berührte. Nach mit mehr Glück als Verstand eingefangener Fuhre ging es mit klammer Unterwäsche weiter, um kurz danach festzustellen, dass es auch beim Bremsen einiges zu beachten gibt.

Die hydraulische Handbremse (ebenfalls baugleich im Rally4) tut sich mit dem Umwuchten des Autos extrem schwer und hilft bestenfalls beim Einlenken in Kehren oder als Rettungsanker in zu schnell angegangenen Ecken. Der Ingenieur empfahl die Bremskraft etwas nach hinten zu drehen und – noch wichtiger – beim Linksbremsen, den Fuß nicht auf dem Pedal ruhen zu lassen. Die Gefahr auf langen Prüfungen oder Bergab-Passagen die abgesehen von den Belägen seriennahe Bremsanlage an ihre Grenzen zu bringen, ist groß.

Auf der aus dem Serienmodell übernommen Rally5-Pedalerie empfiehlt sich klassische Fußarbeit mit klaren Entscheidungen: entweder Gas oder Bremse. So war auch nach zwei direkt hintereinander folgenden Prüfungen über zusammen knapp 50 WP-Kilometer war von Bremsfading nichts zu spüren – trotz dem mit viel Bremsarbeit verbundenen Reifenaufwärmen vor dem Wettbewerbsritt. Das früher bis zum Exzess praktizierte Zickzackfahren ist im internationalen Rallyesport längst verboten und wird mit satten Bußgeldern und im extremen Falle bis hin zur Disqualifikation sanktioniert.

Ein Kleiner ganz groß

Dass der exklusive Tracktest auf den Azoren vorzeitig endete, lag nicht am kleinen Franzosen. In einer über Nacht zum Fluss angewachsenen Wasserdurchfahrt entschied sich „Kuhnqvist“ wie ein Dutzend anderer Teilnehmer für die falsche Linie und erwischte eine tiefe Furche. Erst schien es so aus, als das der Clio Rally5 selbst diesen Frontaltreffer wegstecken würde – im Service musste wir aber mit Motorschaden aufgeben.

Was mit dem Renaults Rallye-Einstiegsdroge möglich ist, zeigte der Argentinier Paulo Soria. Der Azoren-Sieger der Clio-Trophy schaffte nicht nur den Sprung auf das EM-Podium der Rally4-Kollegen, sondern ließ auf den kernigen Schotterpisten nach fehlerfreier Fahrt als Gesamt-26. auch zahlreichen Piloten in ihren stärkeren Allradautos hinter sich.

Technische Daten Renault Clio Rally5

MotorVierzylinder-Turbo
Hubraum1.300 ccm
Max. Leistung bei Drehzahlca. 180 PS bei 4.800 U/min
Max. Drehmoment bei Drehzahlca. 300 Nm bei 3.500 U/min
AntriebsartFrontantrieb
Getriebe5-Gang sequentiell
RäderAsphalt 7 x 16, Schotter 7 x 15 
Länge/Breite/HöheL 4.050 / B 1.988 / H 1.000 mm
Radstand2.579 mm
Mindest-Leergewicht1.080 kg

 

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