Arctic Lapland Rally

"Des Rallyefahrers Paradies"

Andreas Mansfeld und Gerd Ottenburger fahren bei der Arctic Lapland Rally 2008 auf Platz sieben der nationalen Gesamtwertung.

<strong>IM DRIFTFIEBER:</strong> Andreas Mansfeld und Gerd Ottenburger bei der Arctic-Rallye

Vom richtigen Gefühl für Schnee, Kobolden im Kopf und lappischen Träumen...

...von Andreas Mansfeld

 

Diese Winterrallye am Polarkreis ist des Rallyefahrers Paradies! Die arktische Morgenstimmung, die den ganzen Tag über die tief verschneiten Wälder mit einem sanften, fast unwirklichen Licht überzieht und die langen Nachtetappen sorgen für ein einzigartiges Flair. Die anspruchsvollen, teilweise sehr schnellen Prüfungen sind für uns die größte Herausforderung. Jetzt noch 20°C plus statt minus und die Welt wäre perfekt.

 

Vor zwei Jahren endete unser erstes arktisches Abenteuer zwar nicht im tiefen Schnee der WP 4, wohl aber die Wertung zur Arctic-Rallye. Die Ziele waren daher sehr klar gesteckt: Auf jeden Fall ankommen, gerne unter den ersten 50% der Starter, was in diesem Jahr dank starker Besetzung (22 Starter, alle mit 200-350-PS-Fahrzeugen unterwegs) eine Top-Ten Platzierung bedeuten würde.

 

Dem Escort Baujahr 1975 - Vermieter Hannu Pulkkinen schwört, dass es eines der dienstältesten Rallyeautos in Finnland ist (er ist selber schon in den 90ern damit die Junioren-Meisterschaft erfolgreich gefahren) - war ein neues Öhlins-Fahrwerk und ein 5-Gang-Getriebe spendiert worden, der Motor leistete rund 200 PS und drehte ab 3.000 U/min sehr sauber hoch bis 8.000 U/min. Im Training sorgten zwei kleine Rentiere für eine Schrecksekunde: Nach einer Links-5 lang über Kuppe sollten sie nicht mitten auf dem Weg stehen. Wir konnten ihnen ziemlich tief in die Augen schauen, dank eines kleinen Hakens durch den Tiefschnee blieben alle Beteiligten unbeschadet. 

 

Diesmal gönnten wir uns drei Tage Training; gut zwei Drittel der Prüfungen mussten neu geschrieben werden, da der Veranstalter viele Prüfungen in Gegenrichtung fahren ließ. Außer der Showprüfung in Rovaniemi wurde keine Prüfung zweimal gefahren, das bedeutete, 220 "echte" Kilomter waren aufzuschreiben bzw. zu checken - mehr als heutzutage bei den WM-Läufen, wo alles doppelt gefahren wird. Es hatte tagelang nicht geschneit, auf dem blanken Eis ließ es sich prima trainieren und die Vorfreude stieg mit jedem Kilometer.

 

Zum Recce reichte ein normaler Mietwagen der unteren Preiskategorie völlig aus; Schneeschaufel, Abschleppseil und warme Overalls waren vorgeschrieben, und wenn man sie nicht für sich selber gebraucht hat, so konnte man doch gestrandete Kollegen ausbuddeln. Zwischendurch hatten wir noch Zeit für einen kurzen Abstecher zu Uwe Nittels Riesen-Rallyespielplatz. Sein Streckennetz ist auf 25 (!) Kilometer angewachsen. Das halbe Starterfeld der Arctic-Rallye nutzte die Anlage zur Vorbereitung - wir sicherlich in Zukunft auch.

 

Nachwuchsfahrer aufgepasst: Jedem hoffnungsvollen Talent sei eine Polar-Woche (zwei Tage Schule bei Uwe, danach Arctic-Rallye) im Winter wärmstens empfohlen! Unter der Anleitung von erfahrenen Instruktoren wie Peter Corazza und Ruben Zeltner sparst Du einen Haufen Lehrgeld. Und wenn Du dann nachts bei der Arctic-Rallye im fünften Gang ausgedreht über blinde Kuppen fliegst, wenn Du nur noch von der exakten Ansage Deines Copiloten lebst, wenn Dein Auto beim Anbremsen aus der Spur hüpft und Du nach einigen wilden Pendlern die Ecke noch grade so schaffst, dann wirst Du wissen, ob Du ein Rallyefahrer sein willst...  

 

In der Nacht vor dem Start fielen zehn cm Neuschnee, die Temperaturen gingen langsam zurück auf minus 20°C. Wir glaubten, dass der Schneepflug die Prüfungen noch mal geräumt hat und entschieden uns für Eisreifen vorne und Schneereifen hinten. Für die erste Showprüfung auf und um eine Trabrennbahn passte diese Kombination überhaupt nicht, und für das Ignorieren des Standardsatzes unseres alten Lehrmeisters Anders Kulläng: "Always accept the level of grip you have - Akzeptiere Deine Haftungsgrenze" wurden wir mit der vorletzten Zeit bestraft. Viel zu schnell und auch ein wenig zu fahrgeil gingen wir die Prüfung an, pflügten jämmerlich durch den Tiefschnee und gurkten nur irgendwie herum ("Schwuchteln" wie die Schwaben sagen).

 

Für die zweite Prüfung haben wir den Kopf eingeschaltet, die Eisreifen passten zwar immer noch nicht besser, weil auch diese Prüfung tief verschneit war, aber wir hatten uns jetzt darauf eingestellt und unser Ziel "Ankommen!!" wieder klar vor Augen. Die Zeiten wurden auch gleich besser, wir hatten uns aber mehr erhofft. Vermieter Hannu tröstete uns damit, dass die Rallye noch lang sei und der führende BMW M3 von der finnischen Ausgabe von Markus Moufang gefahren werde - wenn wir ihn schlügen, besorge er uns einen Werksvertrag. So zwei bis drei Sekunden pro WP-Kilometer müssten wir dafür aber schon noch finden. Ein loses Lenkrad irritierte den Fahrer auf WP3, kostete aber kaum Zeit und war im folgenden Service schnell wieder festgeschraubt.

 

Prüfung 4 und 5 (beide 30 Kilometer lang) wurden jetzt natürlich mit Schneereifen absolviert, eine bedingt richtige Wahl: Eine ultraschnelle "Hauptstraße", zweispurig, über 6 Kilometer so schnell wie vom Ausgang Hatzenbach bis zum Schwedenkreuz, lehrte uns das Fürchten. Auf dem blanken Eis verbogen sich die Schneespikes derart, dass wir glaubten, auf Asphalt zu fahren - das Auto rutschte und schob und brach aus, "voll" aufgeschriebene Kurven wurden nur im dritten Gang gefahren und wir mussten uns wirklich sehr zurücknehmen, um irgendwie auf der Straße zu bleiben. Die Zeiten wurden nicht viel besser, selbst der beste Ford Escort nahm uns über eine Minute ab. Etwas grimmig gingen wir den zweiten Durchgang der Superspecial zum Abschluss des Freitages an, als ein kleiner, frecher Kobold in des Fahrers Kopf hüpfte und ihm "Gib alles!" ins Ohr schrie.

 

Endlich passte es. Fast alles. Dritte-Gang-Kurven gingen auch im vierten voll am Anschlag, auf der Sprungkuppe flogen wir doppelt so hoch, die lange Kehre wurde in einem einzigen, nicht enden wollenden Drift durchgezogen. Die vorletzte Ecke 200 Meter vor dem Ziel war auch schon fast vorbei, da saugte uns die Schneewand ein. Noch ehe wir richtig standen, habe ich mich schon bei Beifahrer Gerd für diese Eselei entschuldigt - aber besser hier, als im einsamen Wald. Sofort waren 20 Zuschauer da, zwei Mal zurück und ein Mal vor, und schon waren wir im Ziel - exakt eine Minute langsamer als bei ersten Durchgang. Die Gefühle waren gemischt - es hätte fast geklappt, das Vertrauen ins Auto und zu sich selbst war da, doch der lose Schnee erstickte die `auflodernde Flamme der puren Fahrleidenschaft ohne Benutzung des Hirns´. Wir waren nach dem ersten Tag auf Rang zwölf von 22 Startern platziert, also noch nicht im Soll. Der zweite Tag sollte besser werden. 

 

WP 7, die Auftaktprüfung des ersten Tages kannten wir teilweise von 2006 und die siebtschnellste Zeit entsprach schon eher unseren Vorstellungen, zum ersten Mal lagen wir auch ein paar Sekunden vor unserem Sportsfreund im gleichen alten Escort. Die WP 8 war neu für alle und wunderschön geschwungen, der andere Escort war eine Sekunde schneller, wenigstens hielten wir jetzt mit. In der nächsten, 30 km-Prüfung gab es ein Erfolgerlebnis der anderen Art: Ein paar Kilometer vor dem Ziel rochen wir den vor uns gestarteten Audi Quattro, im Ziel waren wir dran. In WP 10 (auch wieder 30 km lang) hatten wir ihn dann schon 5 Kilometer vor dem Ziel eingeholt, aber trotz breiter Straße keine Chance zu überholen, der Pulverschneestaub war undurchsichtig wie eine dicke Sandstaubwolke. Wir verloren Zeit, 15 Sekunden mindestens, waren aber trotzdem happy, denn so langsam stellte sich das richtige Gespür für den Schnee wieder ein. Die Verhältnisse waren immer noch sehr wechselhaft und schwierig, aber wir konnten sie jetzt besser einschätzen.


Die letzte der drei 30-km-WPs (!) hielt eine neue Aufgabe für uns bereit: Auf einem 700 Meter langen Geradeausstück stand auf einer Kuppe unser "Freund" mit seinem roten Escort leicht schräg und halb auf der zwei Meter schmalen Fahrbahn. Wir hatten Zeit zu überlegen: bremsen und runterschalten, einen kleinen Haken schlagen, in der Hoffnung, dass man sich nicht festfährt oder der Kollege beim Rausschieben hilft. Oder hochschalten in den 5. Gang und zielen. Der kleine, freche Kobold war auch wieder da, brüllte irgendetwas von "Ziele und zucke nicht" und genau das machten wir natürlich. Der Tiefschnee links wollte uns einsaugen, Co-Pilot Gerd: "Für ein paar Sekunden habe ich meinen Fahrer nicht mehr atmen gehört". Nach zweihundet Metern gab der Schnee uns wieder frei und wir fuhren dankbar und verhalten die letzten Wald-WP-Kilometer.

 

Zur abschließenden Showprüfung juckte es dann wieder und der kleine, freche Kobold verlangte "Maximum Attack". Inzwischen waren wir aber schon auf Rang sieben vorgerückt, hatten somit unser Ziel mehr als erreicht, und als wir den von tiefen Rillen durchzogenen schlechten Zustand der Prüfung erkannten, (und einen im Tiefschnee steckenden Teilnehmer!), ließen wir den Kopf eingeschaltet und gaben uns mit der sechsten WP-Zeit zufrieden.

 

Gott der Gerechte hat uns unseren Platz zugewiesen, die fünf Minuten Rückstand zum Vordermann hätten wir sowieso nicht aufholen können, nicht in diesem Jahr. Die zwölf Minuten Rückstand zum Sieger gehen auch in Ordnung, daran können wir in Zukunft noch arbeiten. So haben wir unsere Ziele doch alle erreicht, und Träume vom Podium bei der Arctic-Rallye sind ja am schönsten, solange sie Träume bleiben. Vorläufig...

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