Navigation als Hürde

Dakar-Ruhetag: Härteste Rallye seit Jahren

Erschwerte Navigation sorgte für ständige Verschiebungen im Klassement. Nur noch vier Teams haben Siegchancen.

Dakar 2017
Wegen heftiger Regenfälle musste die sechste Dakar-Etappe abgesagt werden

Marc Coma hat Wort gehalten. Nach der wegen des kurzfristigen Ausstiegs von Peru viel zu einfachen Rallye Dakar im vergangenen Januar hatte der Rennleiter für dieses Jahr eine richtig schwierige Veranstaltung versprochen. Das ist dem ehemaligen Sieger in der Motorrad-Wertung zweifellos gelungen. Soviel ist zur Halbzeitpause am Sonntag in La Paz, Bolivien sicher.

Und das nicht nur, weil mit Nasser Al-Attiyah (Toyota) und Carlos Sainz (Peugeot) bereits zwei Topfavoriten ausgeschieden sind. Auch die noch im Wettbewerb verbliebenen Teilnehmer bestätigen die deutlich erschwerte Aufgabenstellung.

Neue Navigation

Kernelement ist ein geändertes System der Navigation. Es beruht weiterhin auf einer Reihe von sogenannten Wegpunkten, die im Verlauf einer Wertungsprüfung angefahren werden müssen. Grundsätzlich müssen die Beifahrer diese Marker mit Hilfe des Roadbooks finden. Vereinfacht ausgedrückt:  Erst bei der Annäherung erwacht das vom Veranstalter gestellte – und einzig erlaubte – GPS-System zum Leben. Die dazu erforderliche Distanz wurde für die entscheidenden Wegpunkte im Vergleich zu 2016 mehr als halbiert – von 800 auf 300 Meter.

Und plötzlich verirren sich auch die besten Beifahrer. Selbst Jean-Paul Cottret, zusammen mit Stéphane Peterhansel schon sechs Mal Sieger und normalerweise vor Navigationsfehlern gefeit, tappte in den vergangenen Tagen gelegentlich im Dunkeln.

„Ich denke, der Veranstalter hat das Roadbook bewusst so gestaltet, dass man eigentlich kaum den Weg finden konnte. Alle haben sich verfahren und sind im Kreis gefahren“, vermutet Timo Gottschalk, Beifahrer von Yazeed Al-Rajhi. Die Mini-Besatzung liegt aber auch ohne Navigationsprobleme aussichtslos zurück. Sie musste eine Etappe abbrechen, weil Al Rajhi in der Höhe um 4.000 Meter von starken Kopfschmerzen regelrecht lahmgelegt wurde. Im Gegensatz zu Konkurrenten, die nach großem Zeitverlust in erster Linie an der schnellen Abreise interessiert waren, fahren Al-Rajhi/Gottschalk allerdings weiter. 

Erster Fahrer im Nachteil

Noch stärker als in der Vergangenheit leiden besonders die jeweils als Erste startenden Teams unter dieser Komplikation. Das Schema war immer dasselbe: Die Tagessieger verloren regelmäßig 24 Stunden später kräftig Zeit, weil sie dann die Strecke eröffnen mussten.

Insofern sind die zwei Etappensiege von Sébastien Loeb (Peugeot) auf bisher fünf Prüfungen ein zweifelhafter Erfolg. Der neunmalige Rallye-Weltmeister und Gesamtzweite war in der ersten Woche klar der Schnellste, sein langjähriger Beifahrer Daniel Elena verfranzte sich aber gelegentlich. Außerdem kostete ein Motorproblem (WP 4) ungefähr 20 Minuten.

Zufall oder nicht, Stéphane Peterhansel hat erst einen Tagessieg – liegt aber zum Ruhetag in Führung. In Sachen Taktik macht dem Franzosen so schnell keiner was vor.

Absage als Vorteil?

Möglicherweise zum Glück für Loeb wurde die sechste Etappe am Samstag wegen starker Regenfälle abgesagt. Die letzte Wertungsprüfung vor dem Ruhetag ist traditionell die schwierigste. Das Risiko für Loeb, als Erster auf der Strecke wieder Zeit zu verlieren, wäre hoch gewesen. So muss der neunmalige Rallye-Weltmeister erst am Montag die Strecke eröffnen.

„Die Entscheidung, die sechste Etappe nach La Paz abzusagen, ist in meinen Augen richtig. Ein Wettbewerb sollte immer fair und regulär sein. Wegen des starken Regens und der schlechten Bedingungen auf der Prüfung war das nicht möglich“, bekräftigte Dirk von Zitzewitz, deutscher Beifahrer von Giniel de Villiers im Werks-Toyota. Die beiden sind mit über einer Stunde Rückstand Gesamtachte. „Schade, wir können jede Chance auf Wiedergutmachung gebrauchen, wenn wir uns im Gesamtklassement verbessern und noch ein vernünftiges Ergebnis erzielen wollen. Insofern hätten wir diesen sechsten Tag mit einer harten und fordernden Prüfung gut gebrauchen können.“

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Siegchancen haben De Villiers/Von Zitzewitz nicht mehr. Der Kreis der Siegkandidaten ist auf vier geschrumpft. Nani Roma spielt dabei den Toyota-Spielverderber im Peugeot-Konzert. Fünf Minuten Rückstand auf den führenden Peterhansel sind so wenig, dass Peugeot über Stallregie noch nicht nachdenken muss.

Von den 83 gestarteten Teams in der Klasse der Autos und UTV (zweisitzige Quads) sind noch 58 in der Wertung. Auch das ein Beleg für die Härte der 2017er Rallye Dakar. Stephan Schott ist am Freitag auf Rang 17 abgefallen. Vor ihm liegen Martin Prokop und seine österreichische Beifahrerin Ilka Minor (Ford), die ihre erste Rallye Dakar bestreitet. Prokop, normalerweise in der Rallye-WM unterwegs, hat für seinen zweiten Dakar-Start ein eigenes Team aufgestellt. Die beiden Deutschen Thomas Englert und Beifahrer Hans Thiede-Weiler (Toyota), die in Paraguay leben und ihre erste Rallye Dakar bestreiten, werden auf Rang 56 geführt.

Zwischenstand zum Ruhetag

01. Stéphane Peterhansel/Jean-Paul Cottret, Peugeot 14:02.58 Std.
02. Sébastien Loeb/Daniel Elena, Peugeot +1.09
03. Cyril Despres/David Castera, Peugeot +4.54
04. Nani Roma/Alex Haro Bravo, Toyota +5.35
05. Mikko Hirvonen/Michel Perin, Mini +42.21
06. Jakub Przygonski/Tom Colsoul, Mini +59.55
07. Orlando Terranova/Andreas Schulz, Mini +1:04.49
08. Giniel de Villiers/ Dirk von Zitzewitz, Toyota +1:08.11
09. Boris Garafulic/Filipe Palmeiro, Mini +1:57.40
10. Romain Dumas/Alain Guehennec, Peugeot +2:22.17
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16. Martin Prokop/Ilka Minor, Ford +3:26.16
17. Stephan Schott/Paulo Fiuza, Mini +3:30.33
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36. Yazeed Al-Rajhi/Timo Gottschalk, Mini +14:08.22
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56. Thomas Englert/Hans Thiede-Weiler, Toyota +33:50.19

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