Gruppe-S

Das "Schwarze Biest" - Der Toyota MR2 (222D)

Es sieht aus wie ein Batmobil, sein Name erinnert an Star Wars und das Fahrverhalten soll der Vorwärtsbewegung einer Schlange ähneln. Doch der Toyota MR2 (222D) bekam nie eine Chance, Sportgeschichte zu schreiben.

Top Secret – dieses Prädikat trugen die unter strengster Geheimhaltung gebauten Gruppe-S-Prototypen vor über 30 Jahren. Das Toyota Team Europe verkroch sich im Sommer 1986 in den schottischen Wäldern, um seine Gruppe-S-Prototypen abseits der öffentlichen Wahrnehmung zu testen.

Der neue Prototyp ist gut 30 Zentimeter kürzer, 11,5 Zentimeter breiter und hat einen um 6,5 Zentimeter kürzeren Radstand als die damals aktuelle Celica. Und kam diese mit ihrer starren Hinterachse und Heckantrieb noch altbacken daher, war der 222D absolut „state of the art“. An allen vier Rädern arbeiteten doppelte Querlenker, der Zylinderkopf hatte gar seinen eigenen Kühlkreislauf. Für den Gruppe-S-Prototyp wanderte der Vierzylinder-Reihen-Turbomotor mit 2.140 ccm Hubraum hinter die Fahrerkabine, von wo aus er alle vier Räder bedient. Es war das erste Rallyeauto der Japaner, das die Quattro-Technologie kopiert hat.

Nach aktuellem Kenntnisstand soll Toyota Japan zwölf Versuchsträger unter der Kennung 222D gefertigt haben, zwei davon wurden zu Ove Anderssons Toyota Team Europe verschifft, der Rest blieb in Japan. Die beiden Europa-Prototypen, der andere ist in Besitz der Toyota Motorsport GmbH (TMG), unterscheiden sich im Wesentlichen bei der Anordnung des Antriebsstrangs. Während bei dem TMG-Auto Motor und Getriebe jeweils quer verbaut sind, wurde bei Chassis 8 der Motor längs montiert, das Getriebe sitzt dahinter.

Obwohl bei dem Längsmotor-Toyota allerlei aerodynamische Hilfsmittel verwendet werden mussten, um die einströmende Luft zum Air-to-Air-Intercooler und zu dem daneben montierten Ölkühler zu leiten, ist sich Besitzer Ernst Kopp sicher. „Das Längsmotor-Auto war die vielversprechendere Lösung, allein schon wegen der Gewichtsverteilung. Der Quermotor-MR2 hatte deutlich mehr Gewicht hinter der Hinterachse.“ Ein weiteres Plus für Chassis 8: Im Gegensatz zur Quermotor-Variante waren hier an der Hinterachse Doppel-Stoßdämpfer verbaut, die schon im Peugeot 205 T16 sehr gute Dienste erwiesen haben.

Die Anlagen des 222D konnten sich durchaus sehen lassen, bei den Testfahrten im Sommer 1986 zeigte sich jedoch auch, dass dem Prototyp noch ein weiter Weg bevorstand. Eines der Hauptproblemfelder beider 222D waren die Temperaturen im vollgestopften Motorraum, der sich schon nach kurzer Zeit in einen Backofen verwandelte. Darüber hinaus erwies sich das Handling bei den ersten Tests, bei denen Björn Waldegård am Steuer saß, als äußerst gewöhnungsbedürftig – ein Problem mit mehreren Ursachen.

Zum einen ließ die Verwindungssteifigkeit des extrem leichten Gitterrohrrahmen-Monocoques zu wünschen übrig, zum anderen steckte die Allrad- und Turbotechnologie spürbar in den Kinderschuhen. An Leistung mangelte es freilich nicht. Die Triebwerke leisteten bei den Tests schon 450 PS (das sind gut 50 mehr als bei der Celica) und sollen mit höherem Ladedruck sogar in der Lage gewesen sein, bis zu 600 Pferde zu mobilisieren. Das Problem an der Geschichte hieß Turboloch. „Die Kraft setzte mit einer Sekunde Verzögerung ein, man musste also vor dem Scheitelpunkt der Kurze schon auf dem Gas stehen“, erinnert sich Kopp an die Schilderungen Waldegårds. Der Schwede soll damals über das Gruppe-S-Auto gesagt haben: „Der MR2 bewegte sich wie eine Schlange. Man musste immer arbeiten, um das Auto auf der Straße zu halten.“

Die Achillesferse des MR2 waren allerdings die Getriebe. Anfangs hatten sich die Mechaniker noch gewundert, warum Japan so viele Fünf-Gang-Schaltboxen in den Container mit der wertvollen Fracht geladen hatte. Der Schottland-Test, der zunächst auf der Rennstrecke von Knockhill und später auf den asphaltierten Landstraßen der Grafschaft Argyll stattfand, lieferte die Antwort. Die Getriebe zerbröselten wie ein zu trocken geratenes schottisches „Shortbread“. Auch eine während der Tests neu eingetroffene Kupplungsglocke aus Stahl statt Aluminiumlegierung brachte keine Besserung. Im Gegenteil: Sie erhöhte nur das Gewicht.

Was die Japaner anscheinend gänzlich außer Acht ließen, war die Reparaturfreundlichkeit, die bei den langen Rallyes der Gruppe-B-Zeit eine noch größere Bedeutung hatte als heutzutage. Wer beispielsweise an die Lichtmaschine gelangen wollte, musste zunächst den Beifahrersitz ausbauen. Das ist aber noch gar nichts gegen einen der vielen Getriebewechsel. Sechs bis acht Stunden schufteten die TTE-Mechaniker bei dem Quermotor-Auto, um die Einheit aus- und wieder einzubauen. Auch hier hatte die Längsmotor-Variante mit gut vier Stunden die Nase vorn. Doch auch das war länger als jede Karenzzeit.

Die Haltbarkeit des Getriebes hätte unter dem kolportierten Gruppe-S-Reglement allerdings eine geringere Rolle gespielt. Für die ab 1988 gültige Formel wollte die FISA die Leistung der Motoren auf 300 PS senken, indem sie für Turbomotor ein Hubraumlimit von 1,2 Litern und für Sauger ein Limit von 2,4 Litern vorsah. Eine Beschränkung auf handelsübliches Benzin, eine Reduzierung der aerodynamischen Hilfen, strengere Sicherheitsanforderungen und ein Mindestgewicht, um dem Einsatz von Leichtbaumaterialien entgegenzuwirken, standen ebenfalls im Lastenheft. Gleichzeitig sollte die für die Homologation notwendige Stückzahl von 200 (Gruppe B) auf zehn gesenkt werden.

Das 750 Kilo leichte schwarze Biest hätte in dieser Konfiguration also ohnehin nicht das Licht der Welt erblicken dürfen, aber das gilt auch für seine mit Gruppe-B-Motoren bestückten Rivalen ebenso. Weder den Lancia Delta ECV noch den Audi Gruppe S oder den Opel Kadett 4x4 hätte man in dieser Form in der Rallye-Weltmeisterschaft erblicken dürfen, es handelte sich jeweils noch um sehr frühe Entwicklungsträger. Die Neuentwicklungen waren trotz der Abschaffung der Gruppe S nicht komplett vergebens. Der Motor aus dem 222D etwa kam ab 1988 in der Celica GT-Four zum Einsatz. Die Bohrung wurde lediglich von 89 aus 86 cm verkleinert, um unter der Hubraumgrenze von zwei Litern zu bleiben.

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